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Logo vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und Site-Slogan: Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit (Link zur Startseite)

Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen - das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 75 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die zentrale Aktivität der Koordinierungsstellen in den Bundesländern ist die Begleitung kommunaler Prozesse, insbesondere über den Partnerprozess "Gesundheit für alle".

Wer durch Ar­mut oder an­de­re schwierige Lebens­um­stän­de benachteiligt ist, hat in Deutsch­land ein dop­pelt so hohes Erkrankungs­risiko und ei­ne um bis zu zehn Jahre geringere Lebens­erwartung als Men­schen aus bes­ser gestellten Bevölkerungs­schichten. Ins­be­son­de­re so­zi­al benach­teiligte Kinder und Jugend­liche sind stärkeren gesund­heitlichen Be­lastungen aus­ge­setzt, wie der Kinder- und Jugend­gesundheits­survey (KiGGS) be­legt. Die schicht­abhängigen Unter­schiede be­tref­fen nach­weislich den Gesundheits­zustand, das Ge­sund­heits­ver­hal­ten und die In­an­spruch­nah­me von Vorsorge­untersuchungen.

Hintergründe, Daten und Materialien

Der Kooperationsverbund und seine Aktivitäten. Ein Selbstdarstellungsvideo von 2012, 11:30 Minuten lang

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Artikel

15.08.2016

REFUGIUM

Rat mit Erfahrung: Flucht und Gesundheit - Information und Multiplikation

Christine Färber, HAW Hamburg, Department Gesundheitswissenschaften

Schlagwörter:Geflüchtete, Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitskompetenz, Integration, Multiplikatoren

Deutsch­land ist das Zufluchtsland für mehr als ei­ne Mil­li­on geflüchtete Menschen. Sie benötigen Informationen über Ge­sund­heit und Handlungskompetenzen um selbst ih­re Ge­sund­heit er­hal­ten und wie­der­her­stel­len zu kön­nen. Durch die besondere Si­tu­a­ti­on der Flucht, der Erstaufnahme und der Folgeunterbringung so­wie der Sprachkenntnisse benötigen Geflüchtete als besondere Grup­pe gezielte Maß­nah­men der Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on. REFUGIUM ist ein Pro­jekt der HAW Hamburg, Hochschule für angewandte Wissenschaften, De­part­ment Gesundheitswissenschaften.

Das Pro­jekt REFUGIUM stärkt die Gesundheitsressourcen von Flüchtlingen in Unterkünften und aktiviert ih­re Potenziale für Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on. Dafür wer­den Geflüchtete in Workshops aus­ge­bil­det, Gesundheitsinformationen in di­dak­tisch aktivierender und partizipativer Form an Geflüchtete zu vermitteln.

Maßnahme: Ausbildung zur Multiplikatorin und zum Multiplikator

REFUGIUM bildet im De­part­ment Gesundheitswissenschaften der HAW Hamburg Geflüchtete als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on im Setting Fluchtun­terkunft aus. Diese haben ei­ne einschlägige Vorbildung (Gesundheitsberuf, pädagogischer Be­ruf) oder an­de­re relevante, im Herkunftsland, auf der Flucht oder in Deutsch­land erworbene Kompetenzen. Interessierte Frauen und Männer wer­den in Unterkünften für Geflüchtete und über Flüchtlingsnetzwerke kontaktiert. Flüchtlinge wer­den durch Stu­die­ren­de der HAW Hamburg un­ter wissenschaftlicher An­lei­tung durch Prof. Dr. Chris­ti­ne Fär­ber, Nita Kama, B.Sc. und Omar Aboelyazeid aus­ge­bil­det. Die Aus­bil­dung erfolgte in 16 Unterrichtsstunden in vier Ver­an­stal­tung­en. Die Teilnehmenden er­hal­ten ein Zertifikat der HAW.

Inhaltliche Schwerpunkte und didaktisches Konzept

Das Pro­gramm ist mo­du­lar aufgebaut. Die Teilmodule um­fas­sen die Themen Er­näh­rung, Be­we­gung, Psychische Ge­sund­heit, Hygiene und lokale Ge­sund­heitsversorgung. In der Aus­bil­dung ler­nen die angehenden Multiplikatorinnen und Mulitplikatoren ei­ne partizipative Auftaktphase zu mo­de­rie­ren, Informationen in beteiligungsorientierter Form mit den Teilnehmenden zu er­ar­bei­ten, Kernbotschaften strin­gent zu vermitteln, Anwendungsübungen anzuleiten und zur Um­set­zung des Gelernten zu mo­ti­vie­ren.

Materialien: Flyer und Manuale

Als Materialien wurden Ge­sund­heitsinformationen in sie­ben Themenflyern (Er­näh­rung, Be­we­gung, Psychische Ge­sund­heit, Hygiene, Zahngesundheit, Versorgung in Hamburg, lokale Ge­sund­heitsversorgung in Bergedorf) zusammengestellt. Diese rich­ten sich di­rekt an Flüchtlinge und wer­den in Workshops ausgeteilt, die von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Unterkünften durchgeführt wer­den. Zur Un­ter­stüt­zung der Durch­füh­rung der Workshops und als Hilfe für die Aus­bil­dung wurden Manuale erstellt, die das didaktische und methodische Vorgehen er­klä­ren und als Leit­fa­den für die Durch­füh­rung von Workshops die­nen. Fly­er und Manuale lie­gen  in den Spra­chen Deutsch und Eng­lisch so­wie in Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Dari/Farsi, Russisch und Türkisch vor.

Partizipative Entwicklung des Programms

REFUGIUM wurde von September 2015 bis Ju­li 2016 an der HAW Hamburg von Prof. Dr. Chris­ti­ne Fär­ber in der Lehr­ver­an­stal­tung „Flüchtlingsgesundheit“ ge­mein­sam mit der Lehrbeauftragten Nita Kama entwickelt, die selbst ei­ne Fluchtbiographie hat. Stu­die­ren­de mit Fluchterfahrung so­wie drei Asylbewerberinnen und -bewerber als Gast­hö­rer - Zeinab Behroozian, Allaeldin Hasan und Sam­my Ojo - waren je ein Se­mes­ter in die Ar­beit einbezogen. Insgesamt nahmen mehr als 40 Flüchtlinge im Rahmen der Aus­bil­dung an der Fer­tig­stel­lung der Materialien und Konzepte teil. Die Teilmodule wurden mit Geflüchteten aus Wohnunterkünften in Hamburg im Ja­nu­ar 2016 getestet und in den Schu­lung­en der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Mai 2016 fertiggestellt. So wurde sichergestellt, dass die vermittelten Informationen für Geflüchtete re­le­vant, in­te­res­sant und in­halt­lich so­wie sprachlich gut verständlich sind. Die Workshops wurden von den Teilnehmenden als aktivierend, in­for­ma­tiv und in­te­res­sant er­lebt und machten allen Teilnehmenden Spaß.

Workshops für Geflüchtete

Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind qua­li­fi­ziert, interaktive und aktivierende themenbezogene Ge­sund­heitsworkshops für Geflüchtete durchzuführen. Ein Work­shop zu ei­nem Ge­sund­heitsthema dauert 90 Mi­nu­ten und kann in Unterkünften oder in geeigneten Veranstaltungsräumen durchgeführt wer­den. Im Work­shop wer­den Informationen über Ge­sund­heit in der Spra­che der Geflüchteten durch die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren münd­lich vermittelt. Die Vermittlung wird unterstützt durch geeignete Visualisierung. Darüber hinaus er­hal­ten die Teilnehmenden gedruckte Themenflyer in ihrer Herkunftssprache. An ei­nem Work­shop kön­nen bis zu 15 Personen teil­neh­men. Das Gelernte wird im Um­feld (Mit­be­woh­ne­rin­nen und Mit­be­woh­ner im Zim­mer, Familienmitglieder) weitergetragen, so dass die Ge­sund­heitsbotschaften pro Teil­neh­merin und Teil­neh­mer min­des­tens drei weitere Geflüchtete er­rei­chen, die von den Schu­lung­en profitieren. Notwendig für die Durch­füh­rung ei­nes Work­shops ist ein Stuhlkreis, ei­ne vorherige Terminvereinbarung und An­kün­di­gung. Für den Work­shop Psychische Ge­sund­heit ist ein geschützter Raum not­wen­dig. Die Work­shops kön­nen auch als REFUGIUM Markt­platz angeboten wer­den. Dabei wer­den pa­ral­lel ca. 60-minütige Gesprächskreise für Be­woh­ne­rin­nen und Be­woh­ner in meh­re­ren Spra­chen und zu verschiedenen Themen durchgeführt. Dafür sind meh­re­re Stuhlkreise er­for­der­lich.

Herausforderungen und Erfahrungen

Von 55 interessierten Flüchtlingen bei der Informationsveranstaltung im Ap­ril 2016 absolvierten 35 (24 Männer, 9 Frauen) im Mai 2016 die Aus­bil­dung als REFUGIUM-Mul­ti­pli­ka­torin/Mul­ti­pli­ka­tor. Aufgrund des hohen Männeranteils in den Kur­sen und fehlender Betreuungsmöglichkeit für ih­re Kinder, nahmen ei­ni­ge Frauen nicht an der Aus­bil­dung teil. Bei den Workshops in den Unterkünften ist  da­her ein paralleles Kinderprogramm er­for­der­lich. Die teilnehmenden Flüchtlinge und Stu­die­ren­den un­ter­stüt­zen sich ge­gen­sei­tig und profitieren voneinander, die Lernsituation war aktivierend, das erarbeitete Wissen wurde als re­le­vant und hilfreich an­ge­se­hen. Die Ko­o­pe­ra­ti­on stellt einen wich­tigen Bei­trag zur In­te­gra­ti­on dar. Die Workshops in den Unterkünften wurden begeistert aufgenommen.Dennoch sind Vertrauensbildung und Wer­bung im Vorfeld wich­tig. Hürden sind die Mehr­spra­chig­keit der Ver­an­stal­tung­en, das Auf­be­rei­tung der mehrsprachigen Materialien, der Zu­gang zur Ziel­grup­pe über die zuständigen Verwaltungsstrukturen und die Fi­nan­zie­rung der Materialien. Das Pro­jekt entstand un­ter großem Zeit­druck und forderte von den Lehrenden und Stu­die­ren­den viel En­ga­ge­ment. Jedes der erstellten Materialien ist verbesserungsfähig, in­halt­lich wie sprachlich. Wichtig war es vor allem, grundlegendes Handlungswissen im Be­reich Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on niedrigschwellig und schnell an Geflüchtete zu vermitteln.

Übertragbarkeit

Die Fly­er und Manuale sind in anderen Projekten und Programmen einsetzbar, die mit Geflüchteten oder be­son­ders vulnerablen Einwanderungsgruppen ar­bei­ten. Eine An­pas­sung an regionale und lokale Ge­ge­ben­heit­en kann er­for­der­lich sein, ins­be­son­de­re im Be­reich „Versorgung“. Alle Materialien wer­den in Ko­o­pe­ra­ti­on mit dem Budrich-Verlag im In­ter­net zum kostenlosen Down­load veröffentlicht.

REFUGIUM wird durchgeführt in Zu­sam­men­ar­beit mit der Patriotischen Ge­sell­schaft von 1765 und gefördert von der Buhck-Stiftung, der Bürgerstiftung.

Weitere Informationen

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