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04.07.2023

Evaluation: Gemeindeschwesterplus wirkt gegen Einsamkeit im Alter

Leonie Regen, Universität Tübingen

Schlagwörter:Ältere, Prävention, Einsamkeit, Gesundheitsförderung, Kommunen

Gemeindeschwesterplus ist ein Unterstützungs- und Beratungsangebot für ältere Menschen in Rheinland-Pfalz, die noch keine Pflege brauchen. Das Angebot wurde nun zum zweiten Mal evaluiert. Das Ergebnis: Gemeindeschwesterplus fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern wirkt auch gegen Vereinsamung.

Gemeindeschwesterplus: Präventive Beratung für Senior*innen in Rheinland-Pfalz

Deutschland wird älter und bleibt länger gesund. Doch auch bei den älteren Menschen, die keine Pflege benötigen, ändern sich die Bedarfe. Häufig brauchen sie Unterstützung und Beratung, um weiterhin selbstbestimmt und selbstständig leben zu können. Das Sozialministerium in Rheinland-Pfalz hat ein Angebot entwickelt und erprobt, das genau dieser Sachlage Rechnung trägt: Gemeindeschwesterplus.

Ältere Menschen ohne Pflegegrad erhalten durch ausgebildete Pflegefachkräfte individuelle und kostenlose Beratung. Zentral ist dabei der präventive Hausbesuch: Die Fachkräfte Gemeindeschwesterplus kommen nach vorheriger Verabredung zu den Senior*innen nach Hause, um den Kontakt zu der Zielgruppe möglichst niederschwellig zu gestalten. Die präventive Beratung nimmt beispielsweise die soziale Situation sowie die gesundheitliche und hauswirtschaftliche Versorgung ebenso in den Blick wie die individuelle Wohnsituation, Mobilität oder Freizeitgestaltung. Die Fachkräfte vermitteln auch wohnortnahe und gut erreichbare Teilhabeangebote wie gesellige Seniorentreffen, Bewegungsangebote, Veranstaltungen oder interessante Kurse. Außerdem können die Fachkräfte durch ihre Arbeit mit Senior*innen Lücken in der örtlichen Angebotsstruktur ermitteln und hier selbst Angebote initiieren. Ziel des Angebots Gemeindeschwesterplus ist es, die Selbstständigkeit der Menschen und deren Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe möglichst lange zu erhalten.

Gemeindeschwesterplus hat sich aus einem Modellprojekt im Jahr 2015 heraus entwickelt und wurde nun zum zweiten Mal wissenschaftlich evaluiert. Das Ergebnis der Evaluation: Gemeindeschwesterplus funktioniert! Für eine Weiterentwicklung des Angebotes liefern die Wissenschaftlerinnen außerdem eine wichtige Faktengrundlage.

Evaluation bezieht alle direkt Beteiligten ein

Gegenstand der Untersuchung war die zweite Projektphase von Gemeindeschwesterplus, die sogenannte „Verstetigungsphase“. Die Evaluation nahm besonders die Umsetzung von Gemeindeschwesterplus in den Kommunen, die vorhandenen Angebote und die Wirkung aus Sicht der Hochbetagten in den Blick. Dafür fanden Befragungen von Projektträgern, kommunalen Verantwortlichen, Fachkräften und Hochbetagten statt. Durchgeführt wurde die Evaluation durch inav (Institut für angewandte Versorgungsforschung) von Juni 2021 bis August 2022, finanziert wurde sie durch das GKV-Bündnis für Gesundheit.

Eher gesehen, sicherer, weniger einsam: Ergebnisse der Evaluation

Die meisten älteren Menschen wenden sich an die Fachkräfte Gemeindeschwesterplus, weil sie so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben möchten. Doch auch soziale Aspekte sind häufig ein Grund für ältere Menschen, das Programm in Anspruch zu nehmen. So gibt ein Drittel der Befragten an, mit Gleichgesinnten in Kontakt kommen zu wollen, 27.7% wünschen sich eine Begleitung durch eine Lebenskrise und ein Fünftel der Teilnehmenden haben sich bei einer Fachkraft Gemeindeschwesterplus gemeldet, weil sie sich einsam fühlen.

Die Hochbetagten, die von dem Angebot Gemeindeschwesterplus Gebrauch gemacht haben, äußern sich sehr positiv. Sie fühlen sich durch die Fachkräfte gut beraten, sicherer in ihrem eigenen Zuhause und konnten neue soziale Kontakte knüpfen. Eine Mehrheit der Befragten möchte weiterhin an Angeboten der Fachkräfte Gemeindeschwesterplus teilnehmen. 71.5% gaben an, die Angebote, die ihnen durch eine Fachkraft vermittelt wurde, auch weiterhin in Anspruch zu nehmen.

Auch die Fachkräfte Gemeindeschwesterplus selbst berichten, dass sie ihre Arbeit vor allem durch den intensiven Kontakt zu älteren Menschen gerne ausführen. Im Schnitt betreut eine Fachkraft 66 Hochbetagte. Aus der Befragung geht hervor, dass besonders hauswirtschaftliche und pflegerische Versorgung sowie Einsamkeit die zentralen Themen in den Beratungen darstellen. Bei körperlicher und seelischer Gesundheit setzen auch die Angebote an, die von den Fachkräften entwickelt und initiiert wurden: Bewegungsförderung und Einsamkeitsverminderung waren hier die beiden Kategorien, die am häufigsten genannt wurden. Die Untersuchung hebt auch hervor, dass die Fachkräfte während der Pandemie flexibel reagieren konnten und so ihre Klient*innen beispielsweise durch die Organisation von Impfterminen oder durch regelmäßige Gesprächsmöglichkeiten unterstützten.

Männer und Menschen mit Migrationshintergrund: Wen das Angebot Gemeindeschwesterplus noch nicht erreicht

Das Programm Gemeindeschwesterplus wird insgesamt gut angenommen – doch einige Bevölkerungsgruppen greifen weniger darauf zurück als andere. Alleinstehende und Frauen machen besonders häufig von dem Angebot Gebrauch, Männer und vor allem Menschen mit Migrationshintergrund hingegen weniger. Eine generelle Hürde ist der Mangel an öffentlichem Nahverkehr, insbesondere im ländlichen Raum. Ältere Menschen haben dort mitunter keine Möglichkeit, an den für sie vorgesehenen Angeboten teilzunehmen, da ihnen ein Transportmittel fehlt. Alle Befragten sind sich einig, dass Gemeindeschwesterplus ausgeweitet werden sollte. Schon jetzt steigt die Nachfrage unter den Senior*innen. Im Hinblick auf den demographischen Wandel ist es wahrscheinlich, dass sich dieser Trend fortsetzt. Die Evaluation empfiehlt deshalb den Landkreisen und kreisfreien Städten, neben der Landesförderung auch eigene Haushaltsmittel zum Ausbau von Gemeindeschwesterplus zu verwenden.

Ausblick: Ausweitung von GS+ zu Landesprogramm

„Das Angebot Gemeindeschwesterplus ist bereits heute ein starkes Instrument gegen Einsamkeit, das wir weiter ausbauen und noch enger mit den sozialräumlichen Strukturen vor Ort verzahnen wollen“, erklärte der rheinland-pfälzische Sozialminister Schweitzer. Seit Beginn des Jahres ist Gemeindeschwesterplus deshalb nicht länger ein Projekt, sondern ein Landesprogramm. Aktuell beteiligen sich 16 Landkreise, 8 kreisfreie Städte, 3 Verbandsgemeinden und eine verbandsfreie Gemeinde mit insgesamt 60 Fachkräften Gemeindeschwesterplus daran. In der aktuellen Förderphase erfolgt die Finanzierung des Angebots aus Landesmitteln. Im Doppelhaushalt 2023/2024 stehen hierfür Mittel in Höhe 3,1 Millionen beziehungsweise 3,35 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land finanziert aktuell 39 Vollzeitstellen. Bis 2026 soll das Angebot flächendeckend eingeführt und die Anzahl der Vollzeitkräfte auf 54 erhöht werden.

Die Erkenntnisse aus der Evaluation sind in die Förderrichtlinie des Landes eingeflossen. So wurde beispielsweise die während der Evaluationsphase eingeführte Untergrenze für das Alter derer, die das Angebot Gemeindeschwesterplus in Anspruch nehmen können, aufgehoben. Diese lag bei 80 Jahren und hatte sich in der Praxis nicht bewährt. Da es sich bei Gemeindeschwesterplus um ein präventives Angebot handelt, sollen alle älteren Menschen in Rheinland-Pfalz es nutzen können, die einen Bedarf äußern - ob hochbetagt oder (noch) nicht.

Mehr zu Gemeindeschwesterplus und der Evaluation finden Sie unter: https://mastd.rlp.de/themen/soziales/gut-leben-im-alter/gemeindeschwester-plus 

Ansprechpartnerin für dieses Programm im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz: Fabia Heischling

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