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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2009

AKARSU e.V. - Gesundheitsetage in Berlin-Kreuzberg

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

AKARSU e.V. setzt sich seit über 20 Jahren für die Gesundheitsförderung und die gesundheitliche Integration sozial benachteiligter Frauen, insbesondere von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund unterschiedlicher Altersstufen ein.

AKARSU bedeutet übersetzt Kaskade oder fließendes Wasser. Trotz der türkischen Bezeichnung und der türkischstämmigen Gründerinnen von AKARSU ist die Einrichtung keine türkische, sondern ein interkultureller Verein.

Ziel des Projektes ist die Stärkung von Gesundheitsressourcen und -kompetenzen, wobei die Verbesserung gesundheitsrelevanter Lebensweisen (Gesundheitshandeln) und gesundheitsrelevanter Lebensbedingungen (Gesundheitsstrukturen) gleichermaßen angestrebt wird.

Die Arbeitsweise der Gesundheitsetage basiert auf einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis, welches sich besonders durch interkulturelle Kompetenz, Niedrigschwelligkeit, Vernetzung und langjährige Erfahrungen bei der Förderung der Integration im Sinne eines Ausgleichs von Defiziten und gesundheitlichen wie auch sozialen Beeinträchtigungen auszeichnet.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Adalet Firat
Oranienstr. 25
10999 Berlin (Berlin)

Telefon: 030 / 61676930

E-Mail: info(at)akarsu-ev.de

Website: http://www.akarsu-ev.de


Projektträger

AKARSU e.V.
Oranienstr. 25
10999 Berlin


Hintergrund

Die Gesundheitsetage befindet sich mitten in Kreuzberg, einem der ärmsten Stadtteile Berlins mit einer überproportional hohen Anzahl von ALG II-Empfängerinnen und -empfängern, allein Erziehenden und einkommensschwachen Familien. Friedrichshain-Kreuzberg hat die höchste Einwohnerdichte aller Berliner Bezirke von 133 Einwohner/innen je Hektar (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2008a), weist mit 7 auf einer Skala von 1 bis 7 den schlechtesten Sozialindex auf (Bandelin, 2005) und ist bezüglich der Erwerbslosenquote und des Einkommens in Berlin am stärksten belastet (Bandelin, 2003).

Genutzt wird die Gesundheitsetage von Frauen aus den Stadtteilen Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln, welche sich durch einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund auszeichnen. In Friedrichshain-Kreuzberg liegt der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund bei 36,6 Prozent (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2008b). Laut Sachbericht der Gesundheitsetage nutzten 2006 insgesamt 1185 Frauen (davon 790 Frauen mit Migrationshintergrund) die Angebote der Gesundheitsetage, wovon 721 Frauen auf ALG II angewiesen waren.

Gut die Hälfte der Nutzerinnen hat einen türkischen Migrationshintergrund, je etwa ein Fünftel stammt aus Deutschland und aus anderen Ländern (arabisch, lateinamerikanisch und andere).

Das Leben in verschiedenen kulturellen Lebenszusammenhängen erfordert besonders für Frauen mit Migrationshintergrund ein hohes Maß an psychischer Energie und Auseinandersetzung. Normen, Werte, Sitten und religiöse Weltanschauungen des Heimatlandes differieren von denen der deutschen Gesellschaft. Die psychische Belastung wird durch die Generationsunterschiede in den Familien noch erhöht. Hinzu kommen Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden wie auch zum Teil aufenthaltsrechtliche Probleme. Folgen der Migration wie Akkulturationsprozesse und Ungleichbehandlung erhöhen mögliche gesundheitliche Schwierigkeiten. Die Frauen sind es nicht gewohnt, Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen, und kennen die hiesigen Angebote der Gesundheitsprävention nicht. Die Mitarbeiterinnen der Gesundheitsetage haben die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen mit türkischer und arabischer Herkunft einen unzureichenden Zugang zu Gesundheitsthemen haben. Daher ist eine Prävention hinsichtlich zahlreicher Beschwerden, auch wegen Chronifizierungsgefahren, notwendig, die kultursensibel auf die Bedürfnisse der Frauen mit Migrationshintergrund abgestimmt ist.

Zur gesundheitlichen Lage:
Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Mitte, aus denen der Großteil der Nutzerinnen stammt, gehören zu den Bezirken mit dem höchsten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Familien weisen eine höhere soziale Benachteiligung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf, was an unterschiedlichen Beschwerdemustern und Krankheitsdaten sowie dem Gesundheitsverhalten deutlich wird.

Man nimmt an, dass ein Migrationshintergrund Einfluss auf die Gesundheit der Betroffenen hat: Dieser kann sich einerseits auf das Risiko auswirken zu erkranken. So sind beispielsweise Frauen mit Migrationshintergrund oft Mehrfachbelastungen ausgesetzt, etwa durch ungünstige Arbeitsbedingungen, Anforderungen in der Familie und Anpassung an eine fremde Kultur, die zu erhöhter gesundheitlicher Belastung führen können. Andererseits kann ein Migrationshintergrund die Chance beeinträchtigen, eine adäquate Therapie zu erhalten, wenn beispielsweise Probleme mit der deutschen Sprache bestehen (Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt, 2008).

Zur psychosozialen und sozialen Situation der Zielgruppe:
Die Nutzerinnen der Gesundheitsetage sind zu über 80 Prozent sozial benachteiligte Frauen, die über ein unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen verfügen und auf ergänzende Transferleistungen angewiesen sind. Häufig leben sie zudem in schlechten Wohnverhältnissen und haben ein niedriges Bildungsniveau. Diese gesundheitsgefährdenden Faktoren erhöhen die ungleichen Gesundheitschancen. Hinzu kommen noch die migrationsbedingten körperlichen und seelischen Belastungen wie beispielsweise der Integritätsverlust, Diskriminierungserfahrungen oder zerrissene Familienkonstellationen. Das Vermeiden und Unterdrücken ihres emotionalen Erlebens führt bei den Frauen häufig zu körperlichen Reaktionen und Beschwerden, die sich im Laufe der Jahre summieren.

Da die bereits bestehenden präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen der öffentlichen Einrichtungen von Migrantinnen aufgrund von kulturellen und sozioökonomischen Barrieren jedoch kaum wahrgenommen werden, ergab sich hier ein spezifischer Handlungsbedarf. Die Gesundheitsetage wurde aus diesem Bedarf heraus konzipiert und setzt durch ihre niedrigschwellige, frauenspezifische und kultursensible Vorgehensweise genau an den persönlichen Bedürfnissen, gesundheitlichen Interessen und Voraussetzungen der sozial benachteiligten Frauen mit Migrationshintergrund an. Da der Bedarf der Zielgruppe über reine Gesundheits- und Bewegungsangebote wie beispielsweise Rückenschule oder Beckenbodengymnastik hinausgeht, schafft die Gesundheitsetage den benötigten Raum für intensive Gespräche, Informationen und Erfahrungsaustausch. Sprachliche Defizite erschweren Arztbesuche und behindern somit die Aufklärung. Hier wird deutlich, dass Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund mehrsprachige Informations- und Aufklärungsveranstaltungen und Materialen über die Entstehung, Behandlung und Prävention von Krankheiten und Beschwerden brauchen. Dies haben auch die Nutzerinnenbefragungen der Gesundheitsetage gezeigt.

Die Einrichtung ist als frauenspezifischer Raum bzw. als frauenspezifische Struktur angelegt. Auch streng gläubigen und traditionell orientierten Frauen und Mädchen wird der Zugang möglichst leicht gemacht und die Möglichkeit eingeräumt, ihre individuellen Bedürfnisse ohne Einschränkungen zu artikulieren und durchzusetzen.


Vorgehen

Die Gesundheitsetage arbeitet in enger Vernetzung mit vielen Einrichtungen in Berlin, vor allem in Kreuzberg. Auf die Zielorientierung und kontinuierliche Qualitätsentwicklung wird sehr viel Wert gelegt. Nachhaltige Effekte und die langjährige stabile Existenz der Gesundheitsetage konnten so sichergestellt werden.

Die Gender-Perspektive und das Gender-Verständnis werden als Schlüssel des Zugangs zu den Frauen gesehen und stehen im Fokus der Arbeit der Gesundheitsetage. Intention der Gesundheitsetage ist es, Migrantinnen eine auf ihre geschlechts- und kulturspezifischen Bedürfnisse ausgerichtete Anlaufstelle anzubieten, in der sie unter Einbeziehung des psychischen und sozialen Wohlbefindens in erster Linie aktiv für ihre Gesundheit sorgen können. Daher bietet das Projekt niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten wie zum Beispiel Kinderbetreuung, muttersprachliche Anleiterinnen, kostenlose oder preisgünstige Kurse, Räume für gemeinsame Treffen mit einer Wohlfühlatmosphäre und das kostenlose Frauenfrühstück an. Die Angebote reichen von regelmäßig stattfindenden Gesundheitskursen, Gruppenveranstaltungen über Beratungen, offener Treffpunktarbeit und Freizeitaktivitäten bis hin zu Sonderveranstaltungen und Aktivitäten, die Wissen vermitteln sowie Kompetenzen und soziale Fähigkeiten stärken.

Die Gesundheitskurse werden jeweils von einer qualifizierten Dozentin angeleitet und beinhalten neben der Vermittlung kursspezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten eine integrierte Beratung und Aufklärung über Körperfunktionen, eine gesunde Körperhaltung und ein Gesundheitsbewusstsein. Das Kursangebot reicht von „Gesundheitsinformationen aus dem Internet“ über Kreatives Gestalten/Kunsttherapie bis hin zu Wen-Do-Training, Capoeira, verschiedenen Gymnastikgruppen, Radfahr- und Schwimmkursen.

Die Gruppenveranstaltungen werden von einer professionellen Fachkraft initiiert und angeleitet und können anschließend selbstständig fortgeführt werden. Hierzu zählen themenspezifische Gruppen (Gesprächskreise), Selbsterfahrungsgruppen, Selbsthilfegruppen (Anfang 2009 gab es eine stetig laufende Gruppe für von Brustkrebs betroffene Frauen) und Kontakt- und Informationsveranstaltungen.

Unter dem Gesichtspunkt der Beratung konzentriert sich die Gesundheitsetage im Einzelnen auf folgende Maßnahmen:
- Die soziale Beratung umfasst Themen wie Unterhaltsfragen, Informationen über Ansprüche und Hilfestellungen bei der Anspruchsdurchsetzung sowie ausländerrechtliche Fragen.
- Die psychosoziale Beratung hilft bei Erziehungsschwierigkeiten, innerfamiliären Problemen, persönlichen Problemen oder aber Suchtproblemen.
- Die allgemeine Gesundheitsberatung unterstützt bei Fragen zu Krankheitsbildern und Therapien, Reha-Maßnahmen, Arztbesuchen, Medikamenteneinnahme und Verhütung.
- Die spezifische Gesundheitsberatung gibt Aufklärung über Krankheiten, Gewichtsprobleme oder Diabetes. Mit Hilfe von Feldenkrais-Übungen wird durch koordinierte Körperbewegungen ein besseres Bewusstsein für Körper und Seele erzielt.
- Die medizinische Gesundheitsberatung umfasst die Beratung und Begleitung bei klinischen Untersuchungen und ärztliche Beratung bei gesundheitlichen Problemen. Weiterhin ist noch die naturheilkundliche Beratung zu nennen.

In der offenen Treffpunktarbeit wird besonders Interessierten und neuen Nutzerinnen die Möglichkeit gegeben, die Angebotsvielfalt der Gesundheitsetage kennen zu lernen, Informationen zu erhalten und Bedürfnisse und Interessen einzubringen. Die offene Sprechstunde bietet Frauen die Gelegenheit, alleine zu kommen. Freizeitaktivitäten unterstützen die Kommunikation der Nutzerinnen untereinander durch ihre persönliche Atmosphäre. Sie fördern und aktivieren zudem gruppendynamische Prozesse und erweitern soziale Kompetenzen.

Über die Kinderbetreuung können auch Frauen erreicht werden, die wegen ihrer Kinder die Angebote der Gesundheitsetage sonst nicht nutzen könnten. Dies bietet den Frauen die Möglichkeit, entspannt und sorgenfrei Außenkontakte zu pflegen und etwas für ihre Gesundheit zu tun, was auch ihr psychisches Wohlergehen unterstützt. Dabei verfolgt die Betreuung für die Kinder zusätzlich das pädagogische Ziel, deren Motorik zu fördern sowie durch Bewegungsübungen eine Verbesserung der Raumorientierung zu erreichen. Die zeitweise Einbeziehung der Mütter fördert die Kommunikation zwischen Mutter und Kind und eröffnet Spiel- und Fördermöglichkeiten für zu Hause.

Die Angebote werden im Internet sowie in Flyern in deutscher, englischer, türkischer und arabischer Sprache bekannt gemacht. Wichtiger ist allerdings, auch vor dem Hintergrund, dass unter den Nutzerinnen Analphabetinnen sind, die persönliche Ansprache. Das Programm wird nach Möglichkeit sehr konstant gehalten, da viele Nutzerinnen sich die Termine über lange Zeit merken, ohne sie erneut nachzulesen.

Die Mitarbeiterin an der „Rezeption“ spricht deutsch, türkisch und arabisch. Auch unter den anderen Mitarbeiterinnen finden sich vielfältige Sprachkenntnisse.


Good Practice in

Integriertes Handeln

Ein wichtiges Anliegen der Gesundheitsetage stellt die Einbeziehung von Kooperationspartnern sowie die Vernetzung der beteiligten Einrichtungen und Akteure dar, um Themen der Gesundheitsförderung auch nachhaltig im Bezirk und in den Einrichtungen zu integrieren.

Dank ihrer langjährigen aktiven Außentätigkeit verfügt die Gesundheitsetage über gut vernetzte Kooperationsbeziehungen, zu der auch die Mitarbeit und die Mitgliedschaft in zielgruppenspezifischen Gremien zählen. Die strukturell eingebundene und festgelegte Zusammenarbeit stellt Vernetzungsaktivitäten sicher, optimiert die inhaltliche Arbeit, vermeidet unkoordiniert laufende Doppelangebote, schafft mehr Transparenz, erleichtert die fachliche Arbeit und fördert eine qualifizierte Weiterentwicklung.

Die Einbeziehung der Kooperationspartner erleichtert den Frauen den Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen und stellt somit eine wichtige Grundlage für das Gelingen des Projektes dar. So kann beispielsweise das donnerstags stattfindende kostenlose Frühstück zur Vorstellung von öffentlichen Einrichtungen genutzt werden, um den Frauen einen niedrigschwelligen Zugang zu bieten. Dies hilft ihnen, Ängste zu mindern, und baut Barrieren ab. Daher kooperiert die Gesundheitsetage kontinuierlich bedarfsorientiert und gegebenenfalls fallbezogen mit Krankenhäusern, Krankenkassen, niedergelassenen Praxen, diversen Trägern aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich wie beispielsweise Geburtshäusern, Beratungsstellen, Frauenprojekten, Bezirksämtern und Wohlfahrtsverbänden. Durch diese Kontakte wird das Projekt weiterverbreitet und die Kooperationspartner nehmen auch Impulse mit, die sie in ihre Arbeit einfließen lassen. So arbeiten beispielsweise in Arztpraxen im Bezirk muslimische Mitarbeiterinnen mittlerweile auch mit Kopftuch.

Mit folgenden Institutionen bestehen schriftliche Kooperationsvereinbarungen:
- Robert Koch-Institut, Charité, Tumorzentrum Berlin
- Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Mitte
- Türkischer Bund Berlin-Brandenburg, Caritas Migrationsdienst
- AOK Berlin
- Arbeiterwohlfahrt Landes- und Bundesverband
- Berliner Hebammenverband
- Familienplanungszentrum, Selbsthilfetreffpunkt Friedrichshain
- Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin, Evangelische Fachschule Berlin, Fachhochschule Potsdam

Im Rahmen dieser Kooperationsbeziehungen werden diverse Initiativen, Tagungen und Projekte vorbereitet und umgesetzt. Dazu zählen beispielsweise die Broschüre „Gewalt gegen Frauen“ in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Frauengesundheit, eine Medikamentensammlung für Nichtversicherte in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Abteilung Gesundheit und Soziales, eine Informationsveranstaltung über ein Türkisches Pflegehaus in Zusammenarbeit mit Türk Bakim Evi Berlin, die Tagung „Türkische Gesundheitstage“ in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Bund und dem Bezirksamt Mitte sowie dem Bezirksamt Friedrichhain-Kreuzberg und eine gemeinsame Kampagne mit dem Forum Kultursensible Altenhilfe.

In den Gremien werden Projekte, Initiativen und Kampagnen initiiert, die der oftmals strukturell bedingten Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund entgegenwirken. Hier entstehen neben dem fachlichen Austausch auch Synergieeffekte, die die Fachkompetenzen erweitern, Leistungen reflektieren lassen und innovatives Handeln fördern. Die Gesundheitsetage ist aktives Mitglied in 13 kontinuierlich stattfindenden Gremien wie beispielsweise dem Frauengesundheitsnetzwerk Berlin, dem Arbeitskreis Migration, Integration und Gesundheit von Gesundheit Berlin e.V. sowie im Ausschuss Gesundheit und Soziales des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg.

All diese Kooperationen und die Gremienarbeit tragen zur Erhöhung der Effizienz und der Reichweite des Projektes bei und vervielfältigen das Spektrum an Kompetenzen der Gesundheitsetage. Als weiteres Beispiel der Niedrigschwelligkeit ist zu nennen, dass eine Ergotherapeutin einmal im Monat ihre Sprechstunde in der Gesundheitsetage anbietet.

Durch verschiedene Aktivitäten trägt das Projekt dazu bei, die Frauen mit Kooperationspartnern und Gesundheitseinrichtungen im Bezirk und auch über den Bezirk hinaus in Kontakt und Austausch zu bringen. In diesen Rahmen gehört etwa, dass die Radgruppe, ein Projekt des Vereins „FrauSuchtZukunft“ zur Hilfe für suchtmittelabhängige Frauen, gemeinsam das Café Seidenfaden besucht oder Einrichtungen des Gesundheitswesens des Stadtteils sich in der Gesundheitsetage vorstellen.

Qualitätsmanagement

Die Gesundheitsetage hat sich folgende Qualitätsziele gesetzt: Effizienz der Angebote und Methoden im Sinne der Zielgruppe, Verbesserung der Angebotsqualität, Ausschöpfung vorhandener Ressourcen, Transparenz, Zufriedenheit der Zielgruppe und der Mitarbeiterinnen, Optimierung der Kooperationsbeziehungen und Niedrigschwelligkeit der Angebote.

Die Gesundheitsetage überprüft ihre Leistungen und Ergebnisse anhand diverser Qualitätssicherungsmaßnahmen:
- Einbeziehung der Mitarbeiterinnen in den Prozess der Qualitätssicherung
- Führung und Weiterentwicklung einer Qualitätshandbuches
- Dokumentation der Leistungen
- Evaluation der Statistiken und Teambesprechungen
- Evaluation der mündlichen sowie schriftlichen Nutzerinnenfragebögen
- Soll-/Ist-Vergleich, Teambesprechungen
- Regelmäßige Supervision, bei Bedarf auch extern
- Fortbildungen
- Evaluation der Befragungen von Mitarbeiterinnen und Kooperationspartnern

Das Qualitätssicherungsverfahren zielt auf eine Verbesserung der Leistungsergebnisse ab. Zur praktikablen und realistischen Umsetzung dieser Verfahren führt die Gesundheitsetage ein Qualitätshandbuch zur regelmäßigen Bewertung ihrer Arbeit und nimmt eine institutionsinterne Qualitätssicherung vor. Das Qualitätshandbuch wird regelmäßig überprüft sowie vierteljährlich überarbeitet und enthält Informationen über Angebotsziele, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Arbeitsabläufe. Im wöchentlich stattfindenden Qualitätszirkel und in den Fallbesprechungen werden Qualitätsziele, Voraussetzungen und Ergebnisse reflektiert und besprochen. Diese Besprechungen dienen dazu, aktuelle Schwierigkeiten zu beheben und Arbeitsabläufe zu optimieren. Ein klar gegliedertes Aufgabenprofil sieht die Gesundheitsetage als Grundvoraussetzung für das Erreichen ihrer Ziele an. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass alle Mitarbeiterinnen der Gesundheitsetage in die Qualitätsentwicklung und -sicherung mit eingebunden werden und regelmäßig an themenspezifischen Fortbildungen teilnehmen.

Im Rahmen der Qualitätssicherung wird die Ist-Situation regelmäßig anhand von entwickelten Statistiken und Nutzerinnenfragebögen analysiert und den Qualitätszielen gegenübergestellt.

Weiterhin wird jährlich ein Sachbericht verfasst, der einen Überblick über Dauer und Anzahl der Leistungen und Kooperationen sowie der Intensität der Öffentlichkeitsarbeit gibt. Die oben angesprochenen Nutzerinnenfragebögen sind sehr einfach gehalten. Spezielle Informationen über die Kurse werden in Einzel- oder Gruppengesprächen und über Mitarbeiter- oder Kursleiterbefragungen erzielt. Dies bedarf eines guten Feingefühls und einer kontinuierlichen Beobachtung durch die Betreuerinnen.

Die Gesundheitsetage befindet sich seit 2007 in einem zweijährigen Zertifizierungsverfahren zur Erlangung des Paritätischen Testats, welches 2009 abgeschlossen sein wird. Das Paritätische Qualitätssystem ist ein speziell auf den Sozial- und Pflegebereich zugeschnittenes System, das auf der Methodik der DIN EN ISO 9001 und der Weiterführung des EFQM-Modells für Excellence beruht. Es besteht aus drei zentralen Säulen: Analyse und Beratung, Schulung sowie Materialien. Ein Merkmal des Paritätischen Qualitätssystems besteht in der Kombination von interner Qualitätsentwicklung sowie interner und externer Qualitätsüberprüfung.

Nachhaltigkeit

Die Gesundheitsetage konnte 2008 auf eine 25-jährige Praxiserfahrung in einem sozial benachteiligten Stadtteil zurückblicken. Die Finanzierung muss jährlich neu beantragt werden. Die langjährige Existenz beruht auf dem gut ausgebauten Qualitätsmanagement, den geschaffenen Netzwerken und Kooperationen, dem Transfer in die Praxis und der engen Ausrichtung auf Nutzerinneninteressen.

Das verantwortliche Engagement des multikulturellen Teams der Gesundheitsetage, das sich aus Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen Qualifikationen zusammensetzt, ist weiterhin als wichtige Voraussetzung für den Erfolg und das Weiterbestehen zu nennen. Die Mitarbeiterinnen haben es geschafft, durch gesundheitspolitische Arbeit Einfluss auf die Strukturen der Gesundheitsversorgung in Kreuzberg zu nehmen, machen mit ihrer Arbeit auf das Versorgungsproblem bei Migrantinnen aufmerksam und geben Hinweise zur Verbesserung. Hierzu zählt auch der Einsatz für eine kultursensible Gesundheitsversorgung von Migrantinnen, da es bei Weitem nicht ausreichend ist, Angebote für Migrantinnen nur sprachlich anzupassen. Sie müssen vielmehr der sozialen Lage und dem Bildungsstand der Nutzerinnen entsprechen. Viele Frauen kommen in die Gesundheitsetage, weil sie die Ärztin oder der Arzt geschickt hat. Bei der Beratung achten die Mitarbeiterinnen darauf, dass die Frauen langsam an die Gesundheitsangebote herangeführt werden, da sie gewohnt sind, für andere zu sorgen und den Blick auf ihr eigenes Wohlbefinden kaum kennen. Die Frauen sollen in erster Linie ein Gefühl für Bewegung, Atmung und für ihre Gesundheit im Allgemeinen entwickeln und die natürliche Beschaffenheit ihres Körpers kennen lernen. Sie lernen, wie der Körper reagiert, was er verlangt und wie er sich äußert, wenn er nicht mehr richtig funktioniert. Durch diese ganzheitliche Betreuung erzielen die Kursteilnehmerinnen nachhaltig gute Ergebnisse, welche durch die Auswertungen der Nutzerinnenfragebögen belegt werden. Die Frauen gaben in diesen Fragebögen folgende Effekte an:
- Verbessertes Wohlbefinden
- Geringeres Auftreten von Infektionskrankheiten
- Dauerhafte Linderung und Vermeidung von Krankheiten und Beschwerden
- Krankheiten und Beschwerden treten seltener auf
- Gesundheitsbewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit, mit dem Körper und der Ernährung
- Erhöhtes Gesundheitsbewusstsein und verbessertes Gesundheitswissen
- Reduktion von Stress und Stressfaktoren im Leben
- Steigerung der Kompetenzen in der Interaktion mit Gesundheitsfachkräften

Darüber hinaus ist eine Steigerung der sozialen Kompetenz zu verzeichnen wie zum Beispiel eine bessere Sprach- und Kommunikationskompetenz, höhere Konfliktfähigkeit und höhere Copingvariabilität.

Die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen der Gesundheitsetage zeigen, dass die Beziehungsarbeit mit den Frauen hierbei eine wichtige Rolle spielt. Denn bei Migrantinnen mit sozialer Benachteiligung werden Entscheidungen über die Teilnahme an einem Kurs und die Weiterführung dieses Kurses meistens über das Gefühl von Vertrauen bestimmt. Viele Frauen können sich zudem auch untereinander in ihrer Muttersprache austauschen, was zusätzlich das Vertrauensverhältnis stärkt. Hierdurch entsteht eine gewisse Kontinuität, die für die Frauen sehr wichtig ist.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Das Erfolgsrezept der Gesundheitsetage liegt vor allem in der sprach- und kultursensiblen Ausrichtung der Angebote. Da in der Einrichtung auch Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund tätig sind (größtenteils türkisch- und arabischstämmige Frauen) werden Sprachbarrieren vermindert und der Zugang zur Zielgruppe vereinfacht. Zudem empfiehlt es sich, dass für die Teilnehmerinnen möglichst geringe bis gar keine Kosten entstehen.

Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere das wöchentliche Frauenfrühstück, das in der Regel mit einem fachlichen Input zu gesundheitsbezogenen Themen verbunden ist, gut angenommen wird. Aufklärungsbedarf und Interesse besteht vor allem zu Themen wie Diabetes, Übergewicht, Depressionen und gesunde Ernährung. Die Frauen schätzen hierbei besonders, dass sie Informationen in ihrer Muttersprache erhalten können. Dies gilt auch für die ganze Palette der Beratungsangebote. Unter den Sportangeboten sind vor allem Aerobic, Yoga, die Gesundheitsgymnastik, der Radfahr- und der Schwimmkurs gut besucht. Die Mehrheit der Besucherinnen ist zwischen 32 bis ca. 55 Jahre alt. Die Themen Schwangerschaft und Beratung rund um die Geburt wurden aus dem Programm genommen, da es sich schwierig gestaltete, den Zugang zu jüngeren Frauen herzustellen.

Eine Herausforderung ist die kontinuierliche Teilnahme der Frauen an den Angeboten. Einige kommen regelmäßig und zuverlässig, andere wiederum sporadisch, was die Planungssicherheit etwas einschränkt. Bei schlecht besuchten Kursen liegt es manchmal daran, wie eine Veranstaltung beworben wurde. Häufig werden die Termine durch Mund-zu-Mund-Propaganda weitergegeben. Es ist demnach wichtig, die teilnehmenden Frauen immer persönlich auf weitere Termine aufmerksam zu machen bzw. zu erinnern.

Für Praktikerinnen und Praktiker, die ähnliche Projekte umsetzen möchten ist zu empfehlen, ein multikulturelles Team zu bilden, um damit insbesondere die sprachlichen Hürden für die Zielgruppe gering zu halten. Es ist sinnvoll zu signalisieren, dass Deutschkenntnisse keine unbedingte Voraussetzung für eine Teilnahme darstellen, aber dennoch die Verbesserung der Deutschkenntnisse gefördert wird. Akzeptanz und Offenheit für andere kulturelle Hintergründe sind elementar, um Vertrauen aufzubauen und längerfristig den Zugang zu Frauen mit Migrationshintergrund herzustellen. Zudem ist es wichtig, ressourcenorientiert mit der Zielgruppe zu arbeiten. Es sollten nicht die Probleme im Vordergrund stehen, sondern die Lösungswege und Möglichkeiten bzw. Fähigkeiten der Besucherinnen. Interessen und Bedürfnisse sollten stets erfragt und zu berücksichtigt werden.


Literatur

Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2008a). Die kleine Berlin-Statistik 2008. URL: www.statistik-berlin-brandenburg.de/produkte/KleineStatistik/kBEst_2008.pdf (12.3.2009)



Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2008b). Pressemitteilung vom 01.07.2008 – Nr. 170. URL: www.statistik-berlin-brandenburg.de/pms/2008/08-07-01b.pdf (12.3.2009)



Bandelin, U. (2003). Zur sozialen und gesundheitlichen Situation der Kinder und Jugendlichen in Friedrichshain-Kreuzberg. Berlin: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Abt. Soziales und Gesundheit, Plan- und Leitstelle Gesundheit.

Bandelin, U. (2005). Sozialstruktur im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Berlin: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Abt. Soziales und Gesundheit, Plan- und Leitstelle Gesundheit.

David, M., Borde, T. & Kentenich, H. (Hrsg.) (2000). Migration - Frauen - Gesundheit. Perspektiven im europäischen Kontext. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag.

Gold, C., Möllmann, A. & Franke, A. (Hrsg.) (2003). Interkulturelle Öffnung des Gesundheitswesens – Wie funktionieren gute Netzwerke? Berlin: Gesundheit Berlin.

Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2008). Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Migration und Gesundheit. Berlin: Robert Koch-Institut.

Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (Hrsg.) (2003). Bericht über die gesundheitliche Situation von Frauen in Berlin. Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz.

Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (Hrsg.) (2004). Sozialstrukturatlas Berlin 2003 - Kurzfassung. Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz

Laufzeit des Angebotes

Beginn: Januar 1984

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Langzeitarbeitslose
  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Personen mit gesundheitsbelastenden und / oder prekären Arbeitsbedingungen
  • Sozial isolierte und / oder vereinsamte Personen
  • Angehörige von Personen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Mädchen / Frauen

Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

Alle Vereine im Kiez


Schwerpunkte des Angebotes

  • Stärkung sozialer Kompetenzen
  • Qualitätsentwicklung
  • Organisationsentwicklung
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)
  • Stadtteil-/ Gemeinwesenarbeit, Nachbarschaftsnetzwerke

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Verein / Verband

Stand

30.03.2015

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