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28.10.2021

Mit dem Gesunde Städte-Netzwerk zum "Gesunden Leipzig"

Ulrike Leistner, Gesundheitsamt Leipzig

Schlagwörter:Gesunde Städte-Netzwerk, Kommunale Strukturen, Öffentlicher Gesundheitsdienst

Aufwärmübung

Leipzig ging es bis 2007 wie wohl jeder anderen Stadt: Gesundheit wurde in der Stadtverwaltung vor allem mit den klassischen Aufgaben des Gesundheitsamtes wie Impfen, Hygienekontrollen, Schulaufnahme­untersuchungen bis hin zu kleineren Projekten oder einem Gesundheitstag assoziiert. Ein Wendepunkt kam, als die Forderung der ‚Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt‘ nach einer integrierten Stadtentwicklung, die neben wirtschaftlicher Prosperität auch Aspekte des sozialen Austauschs und gesunder Umwelt gleichermaßen berücksichtigen müsse, zur allgemeinen Fördervoraussetzung für Städtebaumittel wurde. Somit entstand ein gewisser kommunaler Handlungsdruck, Gesundheit über Ämtergrenzen hinweg neu zu denken. Auf diesem Weg floss das Thema Gesundheit in das erste Leipziger Stadtentwicklungskonzept (SEKO) 2009 ein und fand sich - wenn auch etwas versteckt -  in den Bereichen Umwelt, Bildung, Sport und Wirtschaft wieder. Diese ressortübergreifende Perspektiv­erweiterung war für alle Beteiligten ein Lernprozess, was sich anekdotisch auch in der Wortschöpfung „Gesundheitsprävention“ (prevenire [lat.] verhindern, vorbeugen; hier wortwörtlich somit Gesundheits­vermeidung) zeigte, die sich unbemerkt ins SEKO einschlich.

Relativ parallel dazu rückte das Thema der gesunden Stadt auch in den Fokus des Stadtrates und mündete in einen Fraktionsantrag, den Beitritt Leipzigs zum Gesunde Städte-Netzwerk (GSN) zu prüfen. So verwundert es nicht, dass ein diesbezügliches Schreiben des Gesunde Städte-Sekretariats im Jahr 2010 in Leipzig auf offene Ohren stieß. Die Beitritts­vorbereitung wurde zu einer der ersten Aufgaben der neuen Amtsleiterin. Die notwendigen personellen Ressourcen in Form einer halben Stelle mussten aus dem Stellenpool des Gesundheitsamtes beigesteuert werden. Nur so konnten die zwei Säulen aus der Vertretung der Selbsthilfe und der kommunalen Vertretung geschaffen werden, die Voraussetzung für die Mitgliedschaft im bundes­deutschen Netzwerk waren.

Startschuss

Noch im Dezember 2010 stellte die Stadt Leipzig mit Stadtrats­beschluss den Antrag zur Aufnahme und wurde zum 1. Januar 2011 Mitglied im Gesunde Städte-Netzwerk der Bundesrepublik Deutschland. Damit verpflichtete sich Leipzig, Gesundheit als übergreifendes Thema in der Stadtverwaltung zu etablieren (health-in-all-Policies). Zu Beginn stand vor allem das Lernen von anderen Mitgliedsstädten im Mittelpunkt der Arbeit. Parallel dazu ging es um die Vernetzung innerhalb Leipzigs, die mit der ersten Jahrestagung im Januar 2012 Fahrt aufnahm. Bei dieser Auftaktveranstaltung konnten sowohl der erste Leipziger Gesunde Städte-Koordinator als auch die geplante Arbeitsstruktur des Leipziger GSN präsentiert werden. Geplant war, dass eine Steuerungsgruppe die Zielbestimmung des GSN erarbeitet, während eine Koordinierungsgruppe die Leipziger „Gesundheitslandschaft“ analysieren sowie konkrete Maßnahmen und Projekte auf den Weg bringen sollte. Über die Arbeitsfortschritte, gesundheits­bezogene Neuerungen und relevante Themen des Leipziger Netzwerkes sollte ein Infobrief berichten, der seitdem regelmäßig erscheint.

Hochfahren auf Arbeitstemperatur

Jene Steuerungsgruppe (zusammengesetzt aus Vertreter/-innen der Fachämter und je einem Mitglied der städtischen Beiräte und Ausschüsse) beauftragte das Gesundheitsamt mit der Erarbeitung von Leitlinien, die nach einem kurzen gemeinsamen Diskussions­prozess zur zweiten GSN-Jahrestagung 2013 verabschiedet wurden. Nach getaner Arbeit löste sich diese Steuerungsgruppe auf.

Aus der Koordinierungsgruppe mit Interessierten aus Selbsthilfe, Stadtgesellschaft und Verwaltung entstanden drei Unterarbeitsgruppen (gesundheitliche Chancengerechtigkeit, gesundheitsförderliche Umwelt und gesundheitliche Versorgung), die sich i. d. R. vierteljährlich über ihre Arbeitsschwerpunkte verständigten. Aus den Unterarbeitsgruppen gingen u. a. die Schulgesund­heitstage (2013 - 2017), die Kampagne „Werden Sie ein Aufsteiger - nutzen Sie die Treppe“ (2015 - 2017) oder die Gesundheits­werkstatt zum Thema ‚Pflege und Demenz‘ (2016) hervor.

Damit zusammenwachsen konnte, was zusammengehört, beteiligte sich die Stadt Leipzig per Ratsbeschluss auch finanziell am Modellprojekt „Etablierung einer Koordinierungsstelle Gesundheit“ (2012 - 2017) der HTWK Leipzig zusammen mit der AOK PLUS. Ziel war es, u. a. ressortübergreifende Partnerschaften aufzubauen, um Gesundheit als Querschnittsaufgabe in der Stadtverwaltung zu verankern. Es folgten viele sorgfältig vorbereitete Sondierungsgespräche mit den verschiedenen Dezernaten der Stadtverwaltung über vorhandene Schnittstellen zum Thema Gesundheit. Im März 2013 tagte der erste Begleitbeirat „Gesundes Leipzig“ mit 18 Teilnehmenden aus verschiedenen Ressorts. Der fachliche Input mit dem Thema ‚Wohnumgebung und Gesundheit - Ansatzpunkte für kommunale Strategien’ unterstützte die Entwicklung eines gemeinsam geteilten ganzheitlichen Gesundheits­verständnisses. Als Handlungs­schwerpunkte priorisierte der Begleitbeirat in der Folgesitzung die Themen

  1. Gesundheitsförderliche Stadtentwicklung und -planung,
  2. Bewegungsförderung im öffentlichen Raum sowie
  3. verbesserter Zugang zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund.

Somit war die gemeinsame Zielrichtung für die kommenden Arbeitsjahre bestimmt und das Forschungsvorhaben der HTWK mit der Arbeit des GSN verschränkt. Peu à peu konnte so das Thema Gesundheit in städtische Strategiepapieren und Planungen platziert werden, so z. B. als ‚Fachbeitrag Gesundheit‘ im Stadtteilentwicklungs­konzept Leipziger Osten oder im Arbeitsprogramm des Oberbürgermeisters - Leipzig 2020 unter dem Label „gesunde und sichere Stadt“.

Mit diesen ersten gemeinsamen Zwischenerfolgen wuchs auch das Selbstbewusstsein und das Interesse anderer Städte an der Leipziger Entwicklung. 2015 wurde Leipzig das erste Mal in den ‚Sprecher*innenrat‘ des bundesdeutschen Gesunde Städte-Netzwerkes gewählt und vertritt seither die Interessen aller derzeit ca. 90 Mitgliedskommunen nach außen. Ein Jahr später konnte die Koordinierungsstelle als volle unbefristete Stelle in den Strukturen des Gesundheitsamtes fest verankert und somit dauerhaft in kommunale Verantwortung überführt werden. Im Zuge dessen wurde der Begleitbeirat „Gesundes Leipzig“ aus dem Forschungsprojekt unter neuem Namen: „Koordinierungskreis Gesundes Leipzig“ in den kommunalen Gesundheits­förderungsstrukturen fest integriert. Erste kooperative Leuchteffekte folgten und viele weitere Maßnahmen konnten in ressortüber­greifender Zusammenarbeit umgesetzt werden.

Abb.: Aktuelle Struktur „Gesundes Leipzig“ seit 2020 (eigene Abbildung)

Fazit

Der Strukturaufbau war mit vereinten Kräften damit tatsächlich auf allen Ebenen gelungen. Im Jahr 2018 wurde Leipzig vom Gesunde Städte-Netzwerk der Bundesrepublik Deutschland zum „Kompetenzzentrum für integrierte kommunale Strategien“ ernannt und steht seither mit seinen Erfahrungen zu Gelingens­bedingungen und Stolpersteinen anderen Mitgliedskommunen beratend zur Seite.

In der Zusammenschau lassen sich diese ereignisreichen letzten zehn Jahre kaum besser als mit dem folgenden altbekannten Zitat zusammenfassen: „Eine gesunde Stadt ist nicht unbedingt eine Stadt, die ein bestimmtes gesundheitliches Niveau erreicht hat. Sie ist vielmehr eine Stadt, die Gesundheit zu ihrem Anliegen macht und zu verbessern sucht“ (WHO 1992).

In diesem Sinne ist nach dem Ziel vor dem nächsten Ziel! Wir sind gespannt und zuversichtlich zugleich. Unser größter Erfolg ist auf jeden Fall, dass wir ein verlässliches Netzwerk von Verbündeten innerhalb und außerhalb der Stadt­verwaltung und Augenmaß sowie einer gewissen Frustrations­toleranz immer wieder dort nach Wegen und Lösungen such(t)en, wo es eigentlich (noch) keine gab bzw. gibt. In diesem Sinne: Danke! Und auf in die nächste Dekade!
 

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