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29.03.2017

"Für mich ist dieses Gesundheitsziel eine Sensation!"

Karin Bergdoll spricht im Interview mit Raimund Geene über das neue nationale Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt"

Raimund Geene, Berlin School of Public Health
Karin Bergdoll , Arbeitskreis Frauengesundheit

Schlagwörter:Familiengesundheit, Gesundheitsziele, Interview

Am 13. Fe­bru­ar 2017 wurde das neue Nationale Ge­sund­heitsziel "Ge­sund­heit rund um die Ge­burt" veröffentlicht. Sie haben da­ran mitgearbeitet. Was bedeutet ein Nationales Ge­sund­heitsziel, und wer hat es erarbeitet?

Das Ge­sund­heitsziel „Ge­sund­heit rund um die Ge­burt“ ist jetzt das 9. bundesweite Ge­sund­heitsziel. Es stellt ei­ne sogenannte Selbstverpflichtung der Mitglieder des Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bun­des gesundheitsziele.de dar, dem die Bundes- und Landesministerien, Ärzteverbände, Kran­ken­kas­sen, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen und al­le wichtigen Akteure im Gesund­heits­wesen an­ge­hö­ren. Sie haben über 30 Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten be­nannt, die es nun in ei­nem gut dreijährigen Pro­zess ausgearbeitet und abschließend konsentiert haben. Das war nicht im­mer ein­fach, aber im Er­geb­nis haben wir uns auf Leit­ge­dan­ken der Salutogenese verständigt, um die professionelle Un­ter­stüt­zung von Schwan­ger­schaft bis zum En­de des 1. Lebensjahrs stärker gesundheitsförderlich auszurichten, d.h. über­all zu prü­fen, wo und wie Wohl­be­fin­den, Res­sour­cen, Kompetenzen von Schwan­ge­ren und jun­gen Fa­mi­lien gestärkt wer­den kön­nen.

Für mich ist dieses Gesundheitsziel eine Sensation! Wie ist es dazu gekommen, dass ein sonst so verborgenes Thema auf die Tagesordnung gesetzt wurde?

2011 wurde ei­ne Be­fra­gung un­ter al­len Mitgliedern des Ko­o­pe­ra­ti­ons­ver­bun­des gestartet, wel­che Gesundheitsthemen prioritär sind. Wir haben uns da­mals mit verschiedenen Ak­ti­ven aus NGOs verständigt und ge­mein­sam für ein Gesundheitsziel Ge­burt geworben. 2012 wurden dann aus et­wa 30 Zielvorschlägen fünf  Prüfaufträge vergeben, ei­nes da­von an uns. Eigentlich sollte nur ein Ziel erarbeitet wer­den, weil aber ne­ben unseren auch die Vorschläge zur Re­duk­ti­on von Tabakkonsum und zur Er­hö­hung von Patientensicherheit als schlüs­sig erachtet wurden, wurden 2013 für al­le drei Themen AGs zur Zielentwicklung eingerichtet.

Worum geht es, kurz gesagt?

Um Ge­sund­heits­för­de­rung rund um die Ge­burt zu stär­ken, haben wir fünf Zielbereiche formuliert, die in den vier zeitlichen Pha­sen - Schwan­ger­schaft, Ge­burt, Wo­chen­bett, 1. Le­bens­jahr - al­le Mög­lich­keit­en ei­ner noch stärkeren, passgenauen Un­ter­stüt­zung von Schwan­ge­ren und jun­gen Eltern herausstellen. Dadurch soll ins­be­son­de­re so­zi­al und ge­sund­heit­lich belasteten Schwan­ge­ren und Fa­mi­lien bes­ser geholfen wer­den. Viele der Ansätze - z.B. bes­sere Informationen zu Pränataldiagnostik und IGeL-Leistungen, frauenzentriertes Betreuungskonzept bei der Ge­burt, Still- und Bindungsförderung, Frü­he Hilfen - sind aber auch für al­le Schwan­ge­ren und jun­gen Fa­mi­lien von hoher Be­deu­tung. Grund­ge­dan­ke ist ins­ge­samt ei­ne natürliche, interventionsarme Schwan­ger­schaft, Ge­burt, Wo­chen­bettzeit und frühe Kind­heit. In dem 5. Teilziel der ge­sun­den Rah­men­be­din­gung­en sind Maß­nah­men der Trans­pa­renz und Vernetzung über Präventionsketten, Fa­mi­lienfreundlichkeit in Kom­mu­nen und am Ar­beits­platz, Un­ter­stüt­zung durch Fa­mi­lienberatung und ins­ge­samt Aus­bau der Gesundheits- und Sozialforschung mit Verbes­serung des Wissenstransfers empfohlen.

Ich sage immer "Papier ist geduldig". Wie kann das "Papier" Eingang in den Alltag finden? Wer muss da mitmischen?

Das Gesundheitsziel ist in Tabellen mit Teilzielen und Maßnahmenempfehlungen gebündelt und den jeweiligen Akteuren, Berufsgruppen und Multiplikatoren zugeordnet. Auf dieser Grundlage werden wir in den nächsten Monaten für eine umfassende Verbreitung sorgen, und hoffen, dass es von Bund und Ländern, Krankenkassen, Jugendhilfe, Hebammen, Ärzteschaft, Selbsthilfe und allen weiteren Akteuren breit aufgegriffen wird. Für November 2017 planen wir ein sogenanntes „Dialogforum“, also eine Art Umsetzungskonferenz, bei dem wir mit allen Angesprochenen in die Diskussion kommen möchten, wie die empfohlenen Maßnahmen aufgegriffen werden können. Auch hoffen wir, dass „Gesundheit rund um die Geburt“ bald auch Gesetz wird - die bisherigen acht Gesundheitsziele sind ja durch das Präventionsgesetz bereits in das SGB V in § 20 Absatz 3 aufgenommen worden.

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