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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2010

MICK – Mädchen kicken mit

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Mädchen mit Migrationshintergrund treiben signifikant weniger Sport als jene ohne Zuwanderungshintergrund. Doch 45% der Frauen und besonders Mädchen mit Migrationshintergrund würden sportliche Aktivitäten gerne öfter pflegen, wobei vor allem das traditionell eher männlich besetzte Fußballspiel bei den zugewanderten Mädchen sehr beliebt ist.

Das Projekt „MICK - Mädchen kicken mit“, das in Kooperation von Schulen und Sportvereinen durchgeführt wird, nutzt diese Bereitschaft zu sportlicher Aktivität als wichtige Ressource und richtet sich an Mädchen im Grundschulalter sowie an jugendliche Mädchen aus den 7.-10. Klassen. Dabei sollen gezielt (auch) Mädchen mit einem Migrationshintergrund angesprochen werden. Zu den Bausteinen von „MICK“ gehören Mädchenfußball-AGs und -Turniere, Fußballassistentinnenausbildung und Mädchenfußball-Camps. Die Aktivitäten auf Stadtteilebene und der Zugang über die Schulen gewährleisten die Niedrigschwelligkeit der Maßnahme. Die Teilnahme an Spielen und Camps stärken bei den Mädchen das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sowie befähigen sie, sicherer mit sich selbst umzugehen und aktiv Sport zu treiben. Kulturelle Barrieren werden reduziert.

Das Projekt wurde im Jahr 2006 in Oldenburg initiiert und wird in Kooperation der Universitäten Osnabrück und Oldenburg, der Stadt Oldenburg und dort ansässigen Schulen und Sportvereinen durchgeführt. Von der Universität Osnabrück wird das Projekt wissenschaftlich begleitet.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Julika Vosgerau
Jahnstraße 75
49080 Osnabrück (Niedersachsen)

Telefon: 0170 / 7 97 68 72

E-Mail: vosgerau(at)fussball-ohne-abseits.de

Website: http://www.fussball-ohne-abseits.de


Weitere Ansprechperson

Herr Ulf Gebken
Jahnstraße 75
49080 Osnabrück (Niedersachsen)

Telefon: 0151 / 12289118

E-Mail: gebken(at)fussball-ohne-abseits.de


Projektträger

Universität Osnabrück - Fachgebiet Sport/Sportwissenschaft
Jahnstraße 75
49069 Osnabrück


Hintergrund

Oldenburg hat 155.914 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Migrantenanteil in Oldenburg beträgt 14,3% (22.700 Einw.). (Stadt Oldenburg, 2008) Ausländerinnen und Ausländer machen einen Bevölkerungsanteil von 6,2% (9.610 Einw.) aus, wobei laut Definition des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) als Ausländer und Ausländerinnen Menschen ohne deutschen Pass verstanden werden.

Oldenburg besteht aus 9 statistischen Bezirken (s. Anhang; Abb. 1). Der höchste Ausländeranteil ist in Blankenburg (Bezirk 8) zu finden, was auf die dort angesiedelte Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Oldenburg (ZAAB) des Landes Niedersachsen zurückzuführen ist. Überdurchschnittliche Zahlen lassen sich auch in Osternburg (Bezirk 4), Bloherfelde (Bezirk 5) und Kreyenbrück (Bezirk 9) feststellen. Sie liegen zwischen 6,6 und 7,5%. Ohmstede (Bezirk 7), der Ursprungsstadtteil des „MICK-Projektes“, liegt bei einem Ausländeranteil von 4,8%. (Stadt Oldenburg, 2008)

Weiterführende, auf empirischen Untersuchungen beruhende Studien über Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund und ihre Teilnahme an Sportangeboten liegen aus der Region kaum vor, was auch dem Mangel an allgemeinen Daten und Analysen zu dieser Zielgruppe zuzurechnen ist. Hingegen ergab eine Umfrage unter 5 bis 11-jährigen Mädchen und Jungen nichtdeutscher Herkunft nach ihrer Teilnahme an organisierten Sportangeboten des Deutschen Jugendinstituts (DJI, 2000), dass jeder dritte Junge, aber nur jedes siebte Mädchen sportlich engagiert ist. Im Alter von 10 bis 11 Jahren betreiben 52 % der Jungen und 21 % der Mädchen organisierten Sport. Ein Vergleich von Mädchen deutscher Herkunft und Mädchen mit Migrationshintergrund ergab, dass Mädchen mit Migrationshintergrund deutlich weniger „organisiert“ sportlich aktiv sind als die vergleichbare Gruppe deutscher Mädchen (58 % der 10- bis 13jährigen herkunftsdeutschen Mädchen) (DJI, 2000). Unabhängig davon würden 45% der Frauen und besonders Mädchen mit Migrationshintergrund laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sportliche Aktivitäten jedoch gerne öfter pflegen, mehr als jede andere Freizeitbeschäftigung und deutlich mehr als in passiven Formen der Freizeitgestaltung wie Fernsehen, Musik hören usw. (BMFSFJ, 2004).

Die geringere Verbreitung des Fußballspiels bei Frauen bzw. Mädchen ist eine weitere Herausforderung für das Projekt. Doch wie eine Expertise des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu „Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im organisierten Sport“ zeigt, ist zwar besonders der Anteil der muslimischen Mädchen und Frauen in Sportvereinen sehr gering, doch es besteht eine leicht ansteigende Tendenz unter anderem im Bereich Fußball. Hindernisse und Barrieren auf dem Weg zur Vereinsmitgliedschaft bilden noch Normen der muslimischen Mädchenerziehung, die enge Bindung an die Familien und Ethnien und finanzielle Einschränkungen. Der Hauptgrund wird jedoch im geringen Freizeitkontakt zur einheimischen Bevölkerung gesehen, der es erschwert, sich einem deutschen Sportverein anzuschließen. (DOSB / Kleindienst-Cachay, 2007)

Dabei hat das Fußballspielen von Mädchen und Frauen eine eigene, wenn auch kurze Historie. Verstärkt begannen Frauen in Deutschland ab den 1950er Jahren zunächst unter argwöhnischer Beobachtung von männlichen Verbandssportlern selbstorganisiert in „wilden Mannschaften“ mit dem Fußballspiel. 1955 bis 1970 war der Frauenfußball, „(...) als der Natur des Weibes im wesentlichen fremd (...)“ (Lenz, 2006), offiziell verboten. Die Frauen setzten sich aber in einem „wilden Spielbetrieb“ über dieses Verbot hinweg, sodass 1973 nach Aufhebung des Verbots erstmals eine Deutsche Meisterschaft ausgespielt werden konnte. Erst 1989 bekannte sich der Deutsche Fußball Bund (DFB) offen zur Förderung des Frauenfußballs. Im Jahr 2005 startete der DFB die erste Mädchenfußball-Kampagne, die Mädchen zur aktiven Teilnahme am Fußballsport bewegen sollte. Die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfußballs in den Medien hat sich danach auch durch prominente Unterstützung, z.B. durch die Kanzlerin Angela Merkel, die in ihrer Neujahrsansprache 2006 den deutschen Frauenfußball als „Markenzeichen“ hervorhob, verändert. Im Jahr 2005 zählte der DFB 7.690 Frauenfußballmannschaften, darunter 4.100 Mädchenmannschaften, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von ca. 20% bedeutete. (Lenz, 2006)

Die bereits genannte Expertise des DOSB zeigt zudem, dass fast alle der 54 bereits existierenden Projekte in der Bundesrepublik zur Verbesserung der Integration von Migrantinnen im Sport in deutschen Sportvereinen angesiedelt sind. Migrantenorganisationen sind weniger federführend beteiligt, werden jedoch vermehrt als wichtige Kooperationspartner gesehen. Eine der wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Mädchen und Fußball hat unterschiedliche positive Effekte von Fußball auf die Entwicklung von Mädchen benannt. Auf der persönlichen Ebene gibt Fußball den Mädchen das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, auf der interaktionalen Ebene ermöglicht Fußball einen Statusgewinn gegenüber gleichaltrigen Altersgenossinnen und Jungen. Auf der gesellschaftlichen Ebene erweisen sich Mädchen durch Fußball als „Könnerinnen“ in einer gesellschaftlich anerkannten (und bisher „männlichen“) Sportart. (Kugelmann/Pfister, 2004) Diese positiven Befunde sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass fußballspielende Migrantinnen in und außerhalb von multiethnischen Sportvereinen immer noch eine Ausnahme sind und es schwerer haben als ihre deutschen Mitspielerinnen. Der Wunsch Fußball zu spielen, auch gegen den Willen der Familie, wird noch zu wenig gewürdigt und das Integrations- und Emanzipationspotential des Fußballs werden kaum wahrgenommen. (Lehnert, 2006)

„MICK“ möchte dieses Potential nutzen und insbesondere die unterrepräsentierten Mädchen mit Migrationshintergrund in den Vereinssport Fußball integrieren und Mädchen zu mehr Selbstbewusstsein und zur Verfolgung eines eigenen Lebensentwurfs ermutigen. MICK ist ein kommunales Standortprojekt der Projektinitiative „Fußball ohne Abseits - Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“, in der verschiedene, inhaltlich analoge Projekte u.a. wegen ihrer Förderstruktur auf Bundes-, Länder- oder kommunaler Ebene angelegt ist. Standorte des Bundesprojekts, gefördert u.a. vom Deutschen Fußball Bund (DFB) sind Rostock, Hamburg, Neuruppin, Hannover, Berlin, Duisburg, Leipzig, Diezenbach, Nürnberg und Saarbrücken. Niedersächsische Standorte sind in den Städten Osnabrück, Delmenhorst, Nienburg, Hildesheim, Salzgitter, Wolfsburg, Lüneburg, Stadthagen, Quakenbrück und Stade. Hier tritt der Niedersächsische Fußballverband als Kooperationspartner auf. Inhaltlich gleichen sich alle Projekte. Weitere Landesprojekte bestehen in NRW, Hessen, Saarland und Bremen. Hamburg und Schleswig-Holstein sind in Planung.


Ziele und Zielgruppen

\"MICK\" richtet sich an Mädchen im Grundschulalter sowie an jugendliche Mädchen aus den 7.-10. Klassen und zeigt einen genderspezifischen Ansatz der Gesundheitsförderung, in dem die Mädchen zunächst über die Schule für den Fußballsport innerhalb von AG´s begeistert und in Kooperation mit Vereinen Wege in den organisierten Sport aufgezeigt bekommen. MICK spricht besonders Mädchen mit Migrationshintergrund an, da diese im organisierten Sport unterrepräsentiert sind, jedoch keineswegs als sportabstinent bezeichnet werden dürfen. Sie haben viel Interesse und Spaß an Bewegung, brauchen aber unterstützende Faktoren, die ihnen den Weg in den Sport und die Vereine ebnen. Die Fußball-AGs in der Schule werden von Vereinstrainern geleitet und haben sich als geeigneter Weg erwiesen, den Mädchen einen Zugang zum Sport und anschließend auch in den Verein zu weisen. Im Laufe der AG-Arbeit lernen die Mädchen auch die Vereine kennen, so dass der Wechsel vom Schulsport in den Verein dann keine größere Hürde mehr ist.

MICK betritt damit Neuland, denn die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts (KiGGS) haben gezeigt, dass Mädchen mit Migrationshintergrund signifikant weniger Sport treiben als ihre Altersgenossinnen ohne Migrationshintergrund, wobei die Mädchen noch weniger sportlich aktiv sind als die Jungen. Gerade Mädchen, die in vielen Kulturkreisen eine dezidierte Stellung haben, sollen über „MICK - Mädchen kicken mit“ und den Fußball sozial integriert werden. Das Projekt macht sich zunutze, dass das traditionell eher männlich besetzte Fußballspiel bei den zugewanderten Mädchen sehr beliebt ist. Im Oldenburger MICK-Projekt nehmen an mittlerweile 12 Schulen ca. 200 Mädchen teil. Der Migrationsanteil beträgt durchschnittlich 50 %.

Wer Fußball spielen kann und an Spielen und Turnieren teilnimmt, erhält besondere Anerkennung in Schule, Familie und im Bekanntenkreis. Die niedrige Repräsentanz von sozial benachteiligten Mädchen in Sportvereinen sowie die niedrige Beteiligung von Mädchen (vgl. DJI, 2000) in Sportvereinen stellt jedoch auch unabhängig von einer Migrationsbiografie für alle sportlichen Aktivitäten und Vereine eine besondere Herausforderung dar.

MICK greift diese Aspekte auf und nutzt die Bereitschaft zu sportlicher Aktivität als eine wichtige Ressource, die jedoch auch eine entsprechende Niedrigschwelligkeit von Projektmaßnahmen erfordert. In der Stadt Oldenburg wurde dies durch Aktivitäten auf Stadtteilebene gewährleistet und sehr erfolgreich umgesetzt.


Vorgehen

Unter dem Namen „MICK“ ist das Projekt nur in Oldenburg vertreten, wo auch die Grundidee des Projektes „Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“ vor 10 Jahren im Stadtteil Ohmstede zunächst ohne Hochschulbeteiligung, dann aber in Kooperation mit der Universität Osnabrück, Fachbereich Sportwissenschaften entstanden ist. Seitdem wird es kontinuierlich im Stadtteil Ohmstede durchgeführt. Da die Idee jedoch in den ersten Jahren innerhalb der kommunalen Öffentlichkeit auf wenig Resonanz stieß, kam es dort bis zum Februar 2008 zu keiner Ausweitung des Projekts. Infolge der positiven Resonanz im Bundesgebiet entschied sich die Stadt dann, das „Ohmsteder Modell“ an seinen Entstehungsort zurückzuholen und in Form des MICK-Projektes zunächst an sechs und mittlerweile an acht Standorten umzusetzen. Alle Standorte wurden aufgrund ihres hohen Anteils an sozial Benachteiligten ausgewählt. Der Migrationsanteil an den dortigen Grundschulen liegt zwischen 20% und 70%. Drei der beteiligten Grundschulen (Grundschule Kreyenbrück, Grundschule Klingenbergstraße, Grundschule Bloherfelde) befinden sich in Soziale-Stadt-Gebieten, in denen der Anteil der Migrationsbevölkerung besonders hoch ist. In allen Oldenburger Stadtteilen fehlte es bis zum Projektstart an niedrigschwelligen Sportangeboten für Mädchen mit Migrationshintergrund.

Mit dem neuen Schuljahr 2009/2010 sind 12 Oldenburger Grundschulen mit Mädchenfußball-AGs an dem Projekt beteiligt. In den vergangenen zwei Jahren haben sich damit mehr als 700 Mädchen am MICK-Projekt beteiligt und jeweils 250 Mädchen kickten beim jährlichen Turnier mit. In sechs Ausbildungslehrgängen konnten über 110 Jugendliche zu Fußballassistentinnen ausgebildet werden. Die Anzahl der fußballspielenden „E- und F- Mädchenmannschaften“ in Oldenburg ist in den vergangenen beiden Jahren deutlich gestiegen. Im Rahmen des MICK-Projektes konnte die erste Mädchenmannschaft eines eigen-ethnischen Vereins (Türkischer Sportverein Oldenburg) in Niedersachsen gegründet werden und nimmt seit der Saison 2008/2009 an den Punktspielen teil. Inzwischen gibt es sechs Mannschaften in der F-Jugend, 12 in der E- und 15 in der D-Jugend. Mit kommunal vernetzten Mädchenfußballprojekten, in denen mehrere Grundschulen und Vereine an einem Standort kooperieren, ist die größte Nachhaltigkeit der Integrationsbemühungen verbunden. Neu gegründete Mannschaften finden schneller Gegner, der gegenseitige Austausch motiviert und fördert die Projektziele.

Um auch Kindern aus finanziell schwachen Elternhäusern den Übergang in den Verein zu ermöglichen, werden in der Anfangsphase die Vereinsbeiträge durch das Projekt übernommen bzw. können durch den Verein erlassen werden. Anschließend wird nach Unterstützern/Sponsoren gesucht, die diese Beiträge auch längerfristig übernehmen können. Eine niedersachsen-weite Regelung zur Übernahme von Vereinsbeiträgen bei Bedürftigkeit wird angestrebt, konnte bislang aber noch nicht umgesetzt werden.

„MICK“ setzt sich aus den vier Bausteinen Mädchenfußball-AGs, Mädchenfußball-Turniere, der Fußballassistentinnenausbildung und den Mädchenfußball-Camps zusammen (s. Anhang; Abb. 3). So gelingt es MICK, die Mädchen über die Grundschulen in den Stadtteilen für den Fußballsport zu begeistern und in Kooperation mit Vereinen Wege in den organisierten Sport aufzuzeigen. In den Grundschulen wird „MICK“ von den AG- und Projektleitungen in den 3. und 4. Klassen vorgestellt. Interessierte Mädchen können sich dann für ein Halbjahr einer Fußball-AG anschließen. Um die Mädchen auch in die lokalen Sportvereine zu integrieren, kooperieren die beteiligten Grundschulen mit Vereinen im Stadtteil. Vereinstrainerinnen und -trainer leiten zusammen mit den jugendlichen Fußballassistentinnen (s. u.) des Projektes die Fußball-AGs der Schulen. So besteht schon während der an die Schulen angegliederten AGs der direkte Kontakt zum Verein.

Den zweiten Baustein stellen die Mädchenfußballturniere dar. Sie finden auf den Anlagen der Sportvereine im Rahmen des Projektes als „Höhepunkte“ eines Halbjahres statt. Über Schulwettbewerbe bekommen viele Migrantinnen und sozial benachteiligte Mädchen den ersten Zugang zum Fußballspiel. Sie können sich mit anderen Kindern messen und vergleichen, trainieren in Mädchenfußball-AGs und fiebern einem Höhepunkt im Schulleben entgegen. In diesem Rahmen erhalten die Mädchen oft auch erstmals die Möglichkeit, einen Verein und dessen Angebote kennen zu lernen.

Neben den Mädchenfußball-AGs und Fußballturnieren bildet die Ausbildung jugendlicher Mädchen der Klassen 7-10, d.h. überwiegend im Alter von 13-16 Jahren, zu Fußballassistentinnen den dritten Baustein des MICK-Projektes. Jeweils 15-20 Mädchen werden pro Ausbildung an die Arbeit mit Kindern im Sport herangeführt. Die Ausbildung weiblicher Übungsleiterinnen ist in diesem Projekt wichtig, da eine weibliche sportliche Bezugsperson für alle Mädchen und insbesondere für viele Mädchen mit Migrationshintergrund von hoher Bedeutung ist. Im Mittelpunkt der dreitägigen Ausbildung, welche in den Räumlichkeiten der kooperierenden Grundschulen stattfindet, stehen neben der Vermittlung des Sportspiels vor allem pädagogische Themen wie \"Rituale im Training mit Kindern\", \"Merkmale guter Übungsstunden\", aber auch Fragen zur Aufsichtspflicht. Am ersten Ausbildungstag setzen sich die Jugendlichen theoretisch und innerhalb der Gruppe mit den Themen auseinander. Am zweiten und dritten Tag werden Übungen und Spielformen mit den Grundschülerinnen ausprobiert und im Anschluss reflektiert. Am dritten Tag müssen die Teilnehmerinnen eine mündliche und praktische Prüfung absolvieren. Durchgeführt wird diese Ausbildung von Projektmitarbeiterinnen und Projektmitarbeitern mit pädagogischer Qualifikation und Fußball-C-Lizenz, die erste Stufe im Trainer-Lizenzsystem des Deutschen Fußball Bundes (DFB). (Quelle: www.dfb.de/index.php; Zugriff: 17.08.2009)



Als Höhepunkt bewerten die Jugendlichen die Situationen, in denen sie Grundschülerinnen und Grundschüler im Sportunterricht anleiten können. Nach der Ausbildung organisieren die Fußballassistentinnen Turniere für Grundschülerinnen und Grundschüler und unterstützen die Leitung von Fußball-AGs in der Schule und auch im Sportverein.

Den vierten Baustein bilden die Fußball-Camps. Ein- oder mehrtägige Camps mit oder ohne Übernachtung ermöglichen es, Gemeinschaft zu erleben und füreinander Verantwortung zu tragen. Die Angebote reichen von Fußball, Geländespielen, kleinen Bewegungsspielen, Bastelangeboten und Rollenspielen bis zu Musikangeboten. Als Unterstützung wirken in den Camps die Fußballassistentinnen mit. Sie leiten selbstständig kleinere Gruppen, betreuen unter Anleitung die jüngeren Mädchen und wirken bei der Programmgestaltung mit.

„MICK“ verfolgt einen breitensportlichen Ansatz, d.h. die Mädchen können unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit mitmachen. Das Fußballspiel ist gut geeignet, beispielsweise über die Entwicklung von Spielverständnis und den Einsatz auf geeigneten Positionen beispielsweise auch weniger bewegliche Mädchen gut zu integrieren.

Das Projekt bietet durch die direkte Ansprache der Mädchen in den Grundschulen und weiterführenden Schulen ein niedrigschwelliges Gesundheitsförderungs- und Integrationsprojekt für (sozial benachteiligte) Mädchen mit Migrationshintergrund durch Sport an. Darüber hinaus strebt es nicht nur die soziale Integration der Mädchen mit Migrationshintergrund an, sondern hat eine klar gesundheitsförderlich ausgerichtete Struktur, die sich auf Bewegungsförderung für sozial Benachteiligte als Projektidee gründet. Gesunde Ernährung wird bei den Mädchenfußballturnieren quasi nebenher vermittelt, indem geschnittenes Obst und Gemüse und gesunde Getränke kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Gesundheitsförderlich wirken sich jedoch nicht nur die Bewegung und die Ernährung, sondern auch die Steigerung des Selbstbewusstseins der Mädchen und die Anerkennung der Familie aus. MICK organisiert Elternabende, auf denen über das Projekt und seine positiven Wirkungen auf die Entwicklung der Mädchen und die Möglichkeiten in den Vereinen informiert wird. Auch die Schulen profitieren von dem Projekt. Neben einem zusätzlichen Sportangebot besteht der größte Gewinn in der Anerkennung und der Stärkung des Selbstvertrauens der Mädchen. Diese Stärkung soll sich auch weit über das Fußballspielen hinaus auswirken.

Good Practice in

Empowerment

Durch das Fußballspielen erschließen sich die Mädchen eine von Männern geprägte und dominierte Sportart. Die Fußballerinnen erhalten von Mitschülern, aber auch von Vätern, Brüdern und der eigenen Community eine hohe Wertschätzung. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen nehmen sichtbar zu. Sie können etwas Besonderes und erlangen dadurch Anerkennung in der Familie, unter Gleichaltrigen und vor sich selbst. MICK und Fußball tragen damit einen entscheidenden Teil zur Selbstfindung und Selbstbewusstseinsstärkung der Mädchen bei. Fußball befähigt die Mädchen, sicherer mit sich selbst umzugehen und ihre Lebensplanung aktiv handelnd zu gestalten. Fußball kann so zu einem Emanzipationshebel werden.

Indem MICK Kindern und Jugendlichen erreichbare Herausforderungen anbietet, die sie motivieren und sie anregen erfolgreich zu sein, stärkt das Projekt das protektiv wirkende Bewältigungs-Motivationssystem, das neben dem Bindungssystem zu den wesentlichsten protektiven Systemen in der menschlichen Entwicklung gehört. In den Diskussionen um die Förderung von Resilienz wird aus diesem Grund immer wieder gefordert, Erfolg und Leistung nicht nur anhand guter Schulnoten, sondern auch an sozialen Aktivitäten, die Verantwortung und Kreativität erfordern, zu messen (Masten, 2001). MICK nutzt diese Komponente erfolgreich auf verschiedenen Ebenen, d.h. auf der der Spielerinnen und auf der Peer-Ebene der Fußballassistentinnen.

Die angegliederte Ausbildung zur Fußballassistentin fördert die Übernahme von Verantwortung. Sie bringt soziale Anerkennung mit sich und stärkt das Selbstwertgefühl. Durch den Peer-Ansatz wird einerseits die Entwicklung sozialer Kompetenzen gefördert und andererseits soziale Integration in Gleichaltrigengruppen ermöglicht. Dieses Vorgehen wirkt identitätsstiftend, ausgleichend bei altersspezifischen Belastungen in Pubertät und Jugendalter und ist wegweisend auch für späteres soziales Engagement.

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Mädchen aus der Zielgruppe sozial benachteiligter Familien und Familien mit Migrationshintergrund werden in der Schule, d. h. in ihrem gewohnten Umfeld angesprochen und für den Sport geworben, was sehr vertrauensbildend wirkt. Der erste Kontakt der Mädchen erfolgt über schulische Fußball-AGs, die entweder als Bestandteil des regulären Stundenplans oder als zusätzliche Nachmittagsangebote stattfinden. Diese AGs werden i.d.R. durch Vereinstrainerinnen und Vereintrainer angeleitet, so dass eine direkte Verbindung zu den lokalen Vereinen hergestellt wird. Im Rahmen der AGs können die Mädchen in der für sie wesentlichen Gleichaltrigengruppe Kontakte knüpfen bzw. festigen, die über den normalen Unterricht hinaus reichen. Auch die Eltern vertrauen dieser Institution mehr als anderen und sind somit eher bereit, das Fußballspielen ihrer Töchter zu erlauben. MICK bleibt dabei nicht stehen, sondern entwickelt zusätzliche Aktivitäten, um die Elternarbeit zu vertiefen. Als äußerst erfolgreich für die Einbindung der Eltern erwies sich das erste Mütter-Töchter–Turnier im Juni 2009, bei dem dreißig Mütter mit Migrationshintergrund in einem gemeinsam Turnier mit Beteiligten aus dem weiterführenden Projekt „Migration & Mobilität“ mit ihren Töchtern gekickt haben.

Auch über die Schul-AGs hinaus ist Niedrigschwelligkeit von Bedeutung: Die Kooperationen werden immer stadtteilorientiert aufgebaut, d.h. die Vereine liegen in unmittelbarer Nähe der Schule und sind somit auch von Kindern und Eltern zu erreichen, die nicht mobil sind. Über MICK machen die Mädchen erste Erfahrungen mit Vereinen, was auch vor dem Hintergrund betrachtet werden sollte, dass in Deutschland die Mitgliedschaft in Vereinen immer noch eine der wichtigen Gelegenheiten darstellt, um soziale Kontakte und Netzwerke zu knüpfen. Für viele Menschen mit Migrationshintergrund war diese Hürde bisher viel zu hoch und die Zahl ihrer Vereinsmitgliedschaften bei Sportvereinen relativ niedrig. MICK ist darüber hinaus erfolgreich in der gemeinsamen Freizeitgestaltung von Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund und damit ein gelungenes Beispiel für die Integration durch Sport.

Erste Erfahrungen mit ganz- und mehrtägigen Camps in den MICK-Projekten zeigen, dass in den Mädchenfußballcamps Fußball nicht nur gespielt, sondern auch gelebt wird und das gemeinsame Leben kulturelle Barrieren reduzieren kann.

Nachhaltigkeit

Das Neue am Projekt und gleichzeitig auch die große Herausforderung ist nicht nur die geringere Verbreitung des Fußballspiels bei Frauen bzw. Mädchen. Neu ist auch, dass MICK besonders Mädchen mit Migrationshintergrund anspricht, die im organisierten Sport bisher stark unterrepräsentiert sind, dennoch aber gerne mehr Sport treiben würden. Über das Angebot der Fußball-AGs als (Wahlpflicht ) Bestandteil des Stundenplans wird ein niedrigschwelliger Einstieg ermöglicht. Auch oft gefordert, aber weniger oft erreicht ist eine funktionierende Kooperation von Schule und Verein, die bisher häufig an den stark divergierenden Handlungslogiken der beiden Bereiche scheiterte. Das Projekt trifft all diese Bedarfe und bietet über die stadtteilorientierte Zusammenarbeit mit Schulen und Sportvereinen ein alltagsgerechtes Konzept, das seine Tauglichkeit für eine flächendeckende Verbreitung bereits bewiesen hat. MICK wurde vor zehn Jahren in einem Oldenburger Stadtteil durch die Universitäten Osnabrück und Oldenburg initiiert. Wegen des anfänglichen Zögerns der Kommune, die Weiterfinanzierung zu sichern, wurden weitere Partner einbezogen, die eine Verbreitung des Konzepts in anderen Bundesländern gewährleisten konnten. Aus der ursprünglich Idee entstand so der Ansatz „Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“, der mittlerweile im gesamten Bundesgebiet zu finden ist (siehe diverse Standorte unter: www.fussball-ohne-abseits.de/projekte/index.php ). Die AOK, der Deutsche Fußballbund, der Niedersächsische Fußballverband, das niedersächsische Ministerium für Inneres, Integration und Sport die Stadt Oldenburg und andere sind Partner, über die diese Verbreitung nachhaltig abgesichert werden konnte.



Um die erforderliche Niedrigschwelligkeit der Ansätze zu gewährleisten, wurden darüberhinaus neue Formen der Elternarbeit ausprobiert. Als innovativ sowohl für die Gesundheitsförderung wie auch für den Sport ist die Kombination dieses Vorgehens mit dem Peer-Education-Ansatz zu betrachten, der als eines der wesentlichen Erfolgskriterien zu betrachten ist.

Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Erfolgskriterien:
- Bewegungsangebote (für Mädchen) fehlen in den sozial benachteiligten Stadtteilen oftmals vollkommen.
- Der niedrigschwellige Zugang über die Schulen erweist sich in Oldenburg als richtiger Weg. Alle AGs erfreuen sich hervorragender Resonanz, die Begeisterung der Mädchen am Fußballspiel ist überall sehr groß. In den schulischen sportbezogenen Arbeitsgemeinschaften stecken große Integrationspotentiale.
- Die Schulen in diesen Stadtteilen haben so viele Alltagsprobleme zu bewältigen, dass es ihnen ohne Unterstützung von außen bislang nur selten gelingt, funktionierende Kooperationen aufzubauen. Viele Sportvereine scheuen die Zusammenarbeit mit den „Problemschulen“.

Baustellen und Herausforderungen:
- Qualifizierung der Übungsleiter für die Arbeit in der Schule,, die im Vergleich zur Vereinsarbeit einige zusätzliche Anforderungen an die Kompetenz der Trainer/innen stellt, beispielsweise mit heterogenen Gruppen oder „auffälligen“ Schüler/innen umzugehen.
- Die Schulen öffnen sich, immer mehr externe Betreuer machen Angebote in der Schule und stoßen dort auf Konflikte, die sie aus ihrer Arbeit z. B. im Verein so nicht kennen. Im Projekt besteht die Möglichkeit, die AG-Leiter zu betreuen und zu begleiten. Was jedoch fehlt, sind allgemeine Qualifizierungsangebote für Menschen, die Angebote in der Schule machen.
- Die Armutsbetroffenheit in sozial benachteiligten Familien wirkt sich auch auf die Projektarbeit aus: Kinder kommen ohne Sportzeug zum Fußball und verletzen sich dann ohne passende Schuhe sehr leicht. Es fehlt an finanziellen Mitteln für Ausrüstung, Transport, Vereinsbeiträge
- Der Zugang zu den Eltern (Elternabende, Mütter-Töchter-Turniere) ist immer noch ein Handlungsfeld, das bearbeitet und weiter entwickelt werden muss. Über Migrantenvereine gelingt es derzeit am besten.
- Partizipation der Migranten auf allen Ebenen des Sports, aber: Migrantenvereine und Menschen mit Migrationshintergrund haben es im organisierten Sport noch sehr schwer, haben mit Vorurteilen und auch ihnen unbekannten Strukturen zu kämpfen und sind nach wie vor insbesondere in Führungspositionen unterrepräsentiert.
- Übergang Schule und Verein: Nach wie vor und trotz intensiver Begleitung ist es im Projekt die größte Herausforderung, die Mädchen von der AG in den Verein zu überführen. Da sind zum einen Vorbehalte und Unwissenheit über das deutsche Vereinswesen von Seiten der Eltern, aber auch strukturelle Probleme in den Vereine sowie finanzielle Hindernisse. Es sollten landesweit einheitliche Regelungen zur Übernahme von Vereinsbeiträgen bei Bedürftigkeit getroffen werden.


Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.)/ Boos-Nünning, U./Karakasoglu, Y. (2004): Mädchen mit Migrationshintergrund und sportliches Engagement. Sonderauswertung, Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem, türkischem und Aussiedlerhintergrund. Berlin

DOSB( Hrsg.) Kleindienst-Cachay, Christa (2007): Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im organisierten Sport. Schneider Verlag. Baltmannsweiler.

Ebigt, S.(2007): Menschen mit Migrationshintergrund in Niedersachsen. In Niedersächsisches Landesamt für Statistik (Hrsg.): Statistische Monatshefte Niedersachsen. 61. Jahrgang. Heft 10. Hannover.

Lehnert, E (2006): Dossier: Fußball und Integration. Migrantinnen und Fußball – Fußballerinnen zwischen ethnisierenden Vorurteilen, realen Diskriminierungen und dem Spaß am Sport.

Lenz, B.(2006): Geschichte des Frauenfußballs. „Frauenfußball in Deutschland – Geschichte, Gegenwart, Perspektiven“ – Zusammenfassung des Vortags von Heike Ulrich im Rahmen der Ringvorlesung „Faszination Fußball“ an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. URL: www.fansoccer.de/ffallgemein/veranstaltungsberichte/ullrichbonn/ullrichbonn2503.htm, (17.08.2009)



Kugelmann, C/ Pfister, G. (Hrsg.) ( 2004): Geschlechterforschung im Sport. Differenzen und/oder Gleichheit. Beiträge aus der dvs-Kommision „Frauenforschung in der Sportwissenschaft“. Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, Band 143. Hamburg.

Stadt Oldenburg (Hrsg.)(2008): Statistisches Jahrbuch 2008. Fachdienst Stadtinformation und Geodaten. Oldenburg.

Masten, Ann S.: Resilienz in der Entwicklung: Wunder des Alltags. In: Röper, Gisela, von Hagen, Cornelia, Noam, Gil: Entwicklung und Risiko. Perspektiven einer Klinischen Entwicklungspsychologie. Stuttgart 2001.

Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2005, Fachserie 1, Reihe 2.2, korrigierte Auflage, Wiesbaden, 2008.

Laufzeit des Angebotes

Beginn: Januar 2006

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Personen in strukturschwachen Wohnregionen / Quartieren

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre
  • 15 bis 17 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Mädchen / Frauen

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Stand

08.05.2015

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