Zielgruppen sind Menschen in benachteiligten Lebenslagen, beispielsweise Familien mit finanziellen, familiären oder beruflichen Schwierigkeiten und Alleinerziehende, insbesondere aber auch Kinder und Jugendliche bzw. Jungen und Mädchen.
Ein zentrales Anliegen ist es, der Zielgruppe den Zugang zu den Regelangeboten des Gesundheitswesens zu erleichtern. Hemmschwellen für die Inanspruchnahme professioneller Hilfe durch Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger und andere Fachkräfte, aber auch für die Beteiligung an Selbsthilfegruppen, sollen abgebaut werden, ohne Parallelstrukturen zu entwickeln. Da die Zielgruppe mit herkömmlichen Angeboten des Gesundheitssystems („Komm“-Struktur) schlecht erreicht wurde, haben die Maßnahmen einen niedrigschwelligen, aktiv aufsuchenden Charakter und sind dicht in Lebenszusammenhänge vor Ort im Stadtteil, wie etwa typischen Treffpunkten, Versammlungsorten oder einzelnen Familien, mit dem Ansatz der „Gehstruktur“ integriert. Diese werden mit bestehenden Angeboten des Gesundheitssystems und den örtlichen, stadtteilbezogenen Strukturen verknüpft, wie sie bei den Gebieten des Programms von „Soziale Stadt“ bestehen.
Durchgeführt werden die Gesundheitsmaßnahmen durch Gesundheitsteams (GHT). Sie bestehen aus Fachkräften des Gesundheits- und Sozialbereichs wie Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und Geburtshelfern, Psychologinnen und Psychologen, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pflegern, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die Berufsgruppen übergreifend zusammenarbeiten.
Für die operative Steuerung des Projekts ist eine Koordinatorin zuständig, die an das Quartiersmanagement angebunden ist. Fachkräfte werden auf Honorarbasis hinzu gezogen. Die Vorarbeiten für das Projekt starteten Mitte 2005. Ab Januar 2006 begann die Arbeit der Koordinierungsstelle und wird nach Abschluss der ersten Projektphase Ende 2008 derzeit entsprechend der jährlichen Finanzausstattung fortgeführt.
Konzeptionelle Planung, inhaltliche Begleitung, die Einbindung in Trägerlandschaft und Kommune werden über eine aktive Steuerungsgruppe geleistet. In ihr sind Träger sowie Akteurinnen und Akteure aus Kitas, Horten, Gemeinwesenarbeit, Jugendarbeit, Familienberatung und Schulen aktiv eingebunden. Weitere Mitglieder sind Fachkräfte des Gesundheitsamtes, der Europäischen Sportakademie und der AOK Trier. Bei Bedarf wird auf weitere Kooperationspartnerinnen und –Partner zurückgegriffen. Die Steuerungsgruppe konnte auf eine vorhandene Vernetzungsstruktur, den „Arbeitskreis Trier-Nord“, aufbauen, der sein Handlungsfeld auf die Gesundheitsförderung ausweitete. Wert gelegt wird auf eine große räumliche und inhaltliche Nähe der GHT-Angebote zu den Zielgruppen.
Die Gesundheitsteams zu den Themen Bewegung, Ernährung und Sucht bringen Projektvorschläge ein, die in der Steuerungsgruppe diskutiert und abgestimmt werden. Aus den Vorschlägen wird eine Jahresplanung erstellt und die Kosten für die Durchführung der Projektideen werden bei den Kostenträgern als Gesamtsumme beantragt.
Die „Sprechstunde vor Ort“ ist ein niedrigschwelliges, im Stadtteilbüro angesiedeltes medizinisches und zahnmedizinisches Angebot, bei dem Fachleute vor Ort regelmäßig bestimmte Leistungen anbieten. Zu den Untersuchungen und Beratungen gehören eine Überprüfung des Impfstatus, Blutzuckerbestimmung, Hör- und Sehtests, Sprachentwicklungsprüfungen, Größen- und Gewichtsbestimmung und Blutdruckmessung. In der Sprechstunde wird nicht im klassischen Sinn behandelt. Es ist vielmehr eine Beratung, die Hilfestellung beim Zugang zu medizinischen Angeboten geben will und insofern auch eine Lotsenfunktion hat. Auf die Vorlage von Versicherungskarten und die Praxisgebühr wird verzichtet.
Die Sprechstunde vor Ort findet regelmäßig mittwochs ab 15:00 Uhr statt. Eine Gruppe von fünf Ärztinnen und einer Hebamme mit der Zusatzausbildung „Hebammen beraten Familien“ aus dem rheinland-pfälzischen Landesprogramm „Viva Familia“ wechseln sich bei diesem Beratungsangebot ab.
Einmal im Quartal hat die Sprechstunde einen thematischen Schwerpunkt, zum Beispiel ADHS, Impfung, Sehtest oder Erkältungskrankheiten.
Die Kinder zeigen das größte Interesse an den Sprechstunden. Die Tür zum Büro der Koordinierungsstelle steht mittwochs immer offen. Das Hinweisschild „Heute Sprechstunde mit …“ hängt aus und die Kinder aus den umliegenden Häusern kommen. Dies bietet eine Chance, sie unkompliziert mit Ärztinnen und Ärzten und dem Thema Gesundheit vertraut zu machen. Im Kalenderjahr 2007 fanden 41 Sprechstunden statt. Die Beteiligung war je nach Thema sehr unterschiedlich. Aufgrund der zum Teil immer noch zu hohen Schwelle für die Menschen in der Siedlung und der dadurch stark schwankenden Inanspruchnahme wurde das Angebot 2008 in eine mobile Sprechstunde umgewandelt. Es gab erste Versuche, sie im Rahmen von etablierten Frühstücksrunden in den Einrichtungen zu platzieren, zum Beispiel in der Baby- und Krabbelstube. Dieses Vorgehen wird gut angenommen, Beratung und offener Austausch wurden angeregt. Die Erfahrung zeigt auch, dass für Männer andere niedrigschwellige Angebote gemacht werden müssen.
Die Ärztinnen, die das Angebot durchführen, sind über ihre Sprechstundenzeit hinaus für das Gesamtprojekt aktiv. Sie nehmen teil an Gesprächsrunden bei Elternabenden, Mütter-Frühstücktreffs, Vorbereitungen für Sonderveranstaltungen, Teamsitzungen und Vorgesprächen mit Schulen. Das Verständnis bei den beteiligten Gesundheitsfachkräften für das Grundanliegen des Projekts ist sehr groß. Sie setzen sich engagiert mit der Lebenssituation der benachteiligten Menschen im Stadtteil auseinander und sind bereit, sich auf neue Formen von Gesundheitsangeboten einzulassen.
Beispiele für weitere Maßnahmen (2006 und 2007):
- „Frauen in Bewegung“ ist eine Sportgruppe für Einsteigerinnen im Bürgerhaus Trier-Nord. Es fanden 35 Termine mit 13 Teilnehmerinnen und vier Kindern von alleinerziehenden Müttern statt.
- „Fit im Leben mit starkem Essen“ war das Motto der Grundschulprojekttage zum Thema gesunde Ernährung und gesunde Nahrungsmittel. An den zwei Projekttagen nahmen 150 Kinder und 100 Eltern teil.
- „Stelz-Art“ ist ein wöchentliches Bewegungsangebot (Stelzenlaufen) für Kinder und Jugendliche, das neben der Bewegungsförderung die Förderung der Konzentrationsfähigkeit, die Steigerung des Körperempfindens und des Selbstbewusstseins der Kinder und Jugendlichen zum Ziel hat.
- Der „Mädchen-Gesundheits-Führerschein“ wurde 2007 von sechs Mädchen im Alter von elf bis 15 Jahren abgelegt.
- „Boys and Girls get fit in Trier-Nord“ ist ein geschlechtsspezifisches Sportangebot für Jungen und Mädchen. 2007 konnten insgesamt 25 Jugendliche (15 Jungen, 10 Mädchen) in die wöchentlich stattfindenden Angebote integriert werden. Darüber hinaus meldeten sich einige Jugendliche bei lokal ansässigen Sportvereinen an.
Alle Maßnahmen sind stark auf die Zielgruppe ausgerichtet und setzen an den jeweiligen Zugangsmöglichkeiten an. Dementsprechend gibt es eine große Bandbreite von ganz offenen Angeboten ohne Anmeldeformalitäten und Kostenbeiträge bis hin zu verbindlichen Gruppen mit Anmeldung und Kostenbeteiligung. Dieses Vorgehen wird durch den direkten Zugang der pädagogischen Fachkräfte in den bestehenden Institutionen ermöglicht. Perspektivisch gilt es neue Themen zu identifizieren, inwieweit sie für die Bewohnerschaft im Quartier von Belang sind und diese in der Zusammenarbeit mit den Gesundheitsfachkräften methodisch auf die Lebenswelt der Bewohner anzupassen. Dies geschieht beispielsweise zurzeit im Bereich Sucht mit dem Thema „neue Medien/Internetsucht“.
Das Projekt „Gesundheitsteams vor Ort“ ist ein wichtiger Baustein des ganzheitlichen Entwicklungskonzepts, das die langfristige Verbesserung von Gesundheitsstatus und Lebensbedingungen der Menschen im Quartier anstrebt.