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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2009

„Gesund sind wir stark!“ in Berlin Kreuzberg

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Das Projekt „Gesund sind wir stark!“ will dazu beitragen, die hohe Zahl von Kindern mit Übergewicht und Adipositas im Berliner Stadtteil Kreuzberg abzubauen. Das Problem betrifft insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen und Familien mit Migrationshintergrund. Das Projekt orientiert sich an den Ressourcen des Stadtteils und bindet die vielfältigen Gesundheitsnetzwerke des Bezirkes ein. Professionelle und Laien wurden im Rahmen der ursprünglichen Projektlaufzeit von 2006 bis 2008 zu Gesundheitstrainerinnen und -trainern oder zu Gesundheitsmentorinnen und -mentoren geschult. Sie unterstützen nun Familien vor Ort dabei, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung in ihren Familienalltag einzubauen. Besonders sprechen sie dabei Familien mit türkischem und arabischem Hintergrund an. Ziel der Intervention ist es, die Familiengewohnheiten in eine gesundheitsfördernde Richtung zu beeinflussen.

Träger des Projektes ist das „Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH“ (ZAGG) in Kooperation mit der Plan- und Leitstelle Gesundheit in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg und der „SW - Ernährungswissenschaftliche Dienstleistungen“. Die fortlaufende Begleitung und Koordinierung gewährleisten seit Anfang 2009 das ZAGG und die Plan- und Leitstelle Gesundheit in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Herr Detlef Kuhn
ZAGG Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH
Richard-Wagner-Str. 21
10585 Berlin (Berlin)

Telefon: 030 / 30695620

E-Mail: D.Kuhn(at)zagg.de

Website: http://www.zagg.de/gesund-sind-wir-stark/de/start/index.shtml


Weitere Ansprechperson

Frau Ingrid Papies-Winkler
Yorckstraße 4-11
10965 Berlin (Berlin)

Telefon: 030 / 902983546

E-Mail: gespl(at)ba-fk.verwalt-berlin.de


Projektträger

ZAGG Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH
Richard-Wagner-Str. 21
10585 Berlin


Hintergrund

Friedrichshain-Kreuzberg ist der mit 2016 Hektar kleinste und der am dichtesten besiedelte Bezirk Berlins. Die Bevölkerung ist im Vergleich zu anderen Bezirken jung, das Durchschnittsalter beträgt 37,1 Jahre, während der Durchschnitt in ganz Berlin bei 42,4 Jahren liegt. Hier leben 36,6 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund; vor allem Kreuzberg ist ein multikultureller Stadtteil. Türkische und arabischsprachige Berlinerinnen und Berliner bilden dabei die größte Gruppe, aber auch Menschen mit west-, mittel-, südosteuropäischen, afrikanischen und asiatischen Wurzeln leben hier. Die Arbeitslosenquote ist mit 21,9 Prozent deutlich höher als in Berlin gesamt mit 16,5 Prozent. Fast jedes zweite Kind unter 18 Jahren lebt von ALG II (Meinlschmidt, 2009).

Übergewicht und Adipositas bei Kindern in Deutschland ist vorwiegend ein Problem in den unteren sozialen Schichten und tritt besonders häufig bei Kindern mit Migrationshintergrund auf. Bei den Einschulungsuntersuchungen 2006 lag der Anteil an übergewichtigen deutschen Kindern im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei 4,2, bei Kindern türkischer Herkunft bei 12,4 und bei arabischsprachigen Kindern bei 9,2 Prozent. Noch dramatischer stellt sich der Anteil adipöser Kinder mit Migrationshintergrund im Bezirk dar. Adipös sind 2,6 Prozent der deutschen, aber 9,8 der türkischen und 10,3 der arabischen Einschülerinnen und Einschüler (Oberwöhrmann et al., 2008).

Ein zu hohes Körpergewicht im Kindesalter beeinträchtigt die körperliche und seelische Gesundheit und gilt als Risikofaktor für chronische Krankheiten im Erwachsenenalter wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen und Schäden des Halte- und Bewegungsapparates. Es gefährdet außerdem die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls.

Interventionen der Gesundheitsförderung und Prävention von Übergewicht und Adipositas sollten so früh wie möglich einsetzen und sozial Benachteiligte und Migrantinnen und Migranten erreichen. Herkömmliche Präventionsprogramme und -projekte richteten sich bislang aber hauptsächlich an die deutschstämmige Mittelschichtsklientel und erreichen sozial Benachteiligte sowie Familien mit Migrationshintergrund kaum. Genau an dieser Stelle setzt „Gesund sind wir stark!“ an.

Das Projekt wird von „ZAGG – Zentrum für angewandte Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften GmbH“ in Kooperation mit der Plan- und Leitstelle Gesundheit in Friedrichshain-Kreuzberg und der „SW – Ernährungswissenschaftliche Dienstleistungen“ durchgeführt. Das Bundesministerium für Ernährung, Lebensmittel und Verbraucherschutz (BMELV) hat es im Rahmen des Wettbewerbs „Besser essen. Mehr bewegen.“ als eines der über 20 Modellprojekte von 2006 bis Ende 2008 gefördert. Ab 2009 erhält das Projekt eine Anschlussförderung zur nachhaltigen Etablierung des Projektes und ist in die bezirklichen und sozialräumlichen Strukturen fest eingebettet.


Ziele und Zielgruppen

Ziel von „Gesund sind wir stark!“ ist es, einen gesunden Lebensstil von Familien mit kleinen Kindern zu fördern und dabei die vorhandenen kulturellen Ressourcen und Werte der Familien mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund anzuerkennen, zu berücksichtigen und zu nutzen. Weiterhin sollen bereits vorhandene gesundheitsfördernde Netzwerke im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gestärkt werden und so Familien – auch über die Laufzeit des Projektes hinaus – unterstützen.

Primäre Zielgruppe des Projektes sind Schwangere und Familien mit Kindern im Alter von null bis drei Jahren (maximal bis sechs Jahren) in erster Linie mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund. Diese Kinder sind noch nicht in Settings wie Kindertagesstätten oder Schulen eingebunden und daher kaum für präventive Maßnahmen erreichbar. Da aber gerade Schwangere und junge Eltern besonders ansprechbar für die gesunde Entwicklung ihrer Kinder sind, wurden hier geeignete Zugangswege gefunden:

Professionelle aus sozialen Einrichtungen im Bezirk, die speziell mit Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten oder häufiger mit ihnen in Kontakt treten wie zum Beispiel Hebammen, Erzieherinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes und des sozialmedizinischen Dienstes wurden zu Gesundheitstrainerinnen und –trainern ausgebildet. Aber auch engagierte Eltern aus dem Bezirk mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund erhielten eine Ausbildung zu Gesundheitsmentorinnen und -mentoren.

Die Gesundheitstrainerinnen und -trainer arbeiten im Rahmen ihrer professionellen Beratungs- und Betreuungsarbeit mit der Zielgruppe, beispielsweise in Form von Hausbesuchen, Einzelberatung und -betreuung sowie Gruppen- und Fortbildungsangeboten. Die Einrichtungen, in denen sie arbeiten, befinden sich direkt vor Ort, sind bei der Zielgruppe bekannt und werden von vielen Familien bereits genutzt.

Die Gesundheitsmentorinnen und -mentoren sind fast ausschließlich selbst Eltern, haben durch die aktive Arbeit in ihrem Kiez bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad und werden in ihrem Umfeldgeschätzt. Sie leisten aufsuchende Arbeit vor Ort und verbreiten die im Rahmen der Schulung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten in der eigenen Familie und im Bekanntenkreis, in ihrer Community, in der Nachbarschaft, in Stadtteiltreffs sowie in kulturellen und religiösen Vereinen. Insgesamt stehen 47 Gesundheitstrainerinnen und –trainer sowie zehn Gesundheitsmentorinnen und –mentoren zur Verfügung. Bis Mitte 2009 haben die 57 Qualifizierten etwa 1500 bis 2000 Familien erreicht.


Vorgehen

Das Projekt „Gesund sind wir stark!“ gliedert sich in eine Vorbereitungs-, eine Schulungs- und eine Umsetzungsphase. In der Vorbereitungsphase wurde von Projektpartnern und Dozentinnen unter Einbezug von muttersprachlichen Expertinnen und Experten sowie durch Gespräche mit Fokusgruppen das kultursensible Schulungscurriculum erarbeitet (Grabow, K. et al., 2007). Zwischen 2006 und 2008 wurden dann zum einen Gesundheitstrainerinnen und -trainer und zum anderen Gesundheitsmentorinnen und -mentoren durch persönliche Ansprache in den Netzwerken und den einzelnen Stadtteilen akquiriert und ausgebildet.

Voraussetzung für die Auswahl als Gesundheitstrainerin und -trainer ist eine professionelle Tätigkeit im Zusammenhang mit Schwangeren und Familien mit Migrationshintergrund; wünschenswert ist ein eigener Migrationshintergrund. Als Gesundheitstrainerinnen und -trainer sind zurzeit beispielsweise Hebammen, Erzieherinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes und des sozialmedizinischen Dienstes tätig, die freiberuflich, in Kitas, in Stadtteiltreffs und Familienberatungsstellen arbeiten. Sie lassen das Erlernte in ihre Begleitung und Beratung von Familien einfließen. Die Schulung für Gesundheitstrainerinnen und –trainer umfasst zehn ganztägige Module und dauert insgesamt elf Tage.

Als Gesundheitsmentorinnen und -mentoren kommen Menschen mit Migrationshintergrund in Betracht, die in ihrem Umfeld, in ihrem Kiez und Stadtteil bekannt und anerkannt sind und deshalb Schlüsselpersonen darstellen. Sie besitzen einen guten Zugang zu Familien in ihrem Umkreis. Die Schulung von Mentorinnen und Mentoren besteht aus 40 halbtägigen Modulen und dauert insgesamt 20 Tage.

Das Schulungscurriculum besitzt drei Schwerpunkte: Einführung in die systemische Beratung, Ernährung und Bewegung.

Der Schwerpunkt Einführung in die systemische Beratung behandelt die Themen klientenzentrierte und systemische Beratung, das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun, sowie Transaktionsanalyse und Supervision. Er bereitet insbesondere Gesundheitsmentorinnen und -mentoren, die – anders als die Gesundheitstrainerinnen und -trainer – wenig Vorkenntnisse in der Beratung besitzen, auf ihre beratende Tätigkeit vor.

Der Schwerpunkt Ernährung umfasst die Themen Ernährung in der Schwangerschaft, Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern, Kinderernährung ab dem zweiten Lebensjahr und Ernährung in der Familie. Dabei werden die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund zugrunde gelegt. Die Empfehlungen wurden in Zusammenarbeit mit muttersprachlichen Expertinnen und Experten an die Ernährungsgewohnheiten und kulturellen Besonderheiten der Zielgruppe angepasst.

Gegenstand des Schwerpunktes Bewegung sind beispielsweise Bewegung und Sport in der Schwangerschaft und nach der Geburt, die Rolle der Eltern, die Bedeutung des Spielens sowie Prävention von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. In diesem Bereich soll vor allem der Spaß an Bewegung bei den Familien geweckt werden. Vermittelt wird, dass Bewegung in den Alltag der ganzen Familie integriert und Bewegungsgewohnheiten entwickelt werden sollten.

Ausgebildete Dozentinnen vermitteln die Schwerpunktthemen an die Teilnehmenden. Die einzelnen Schulungseinheiten sind wie Workshops gestaltet, die einen kurzen Input von Fachwissen bieten und viel Raum für Arbeit in Kleingruppen, Präsentationen und Rollenspiele, praktische Koch- und Bewegungseinheiten sowie Exkursionen zu wichtigen Einrichtungen im Stadtteil lassen. Dieses Vorgehen ermöglicht Lehrenden und Lernenden eine am Bedarf der Zielgruppe orientierte Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, die kulturelle Aspekte und eigene Erfahrungen berücksichtigt und daher hohe Akzeptanz und Motivation schafft.

Nach Abschluss der zehn beziehungsweise 40 Schulungsmodule erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Zertifikat. Die Schulung für Gesundheitstrainerinnen und -trainer wurde zwischen Herbst 2006 und Ende 2008 dreimal durchgeführt. Von insgesamt 53 Teilnehmenden haben 47 das Zertifikat erhalten. Die Schulung von Gesundheitsmentorinnen und -mentorinnen hat im gleichen Zeitraum einmal stattgefunden. Von anfangs 18 Teilnehmenden haben zehn das Zertifikat erhalten. Die hohe Abbruchquote erklärt sich durch die Aufnahme von Beschäftigungsangeboten, familiäre Lebensumstände und veränderte persönliche Orientierungen.

In der anschließenden Umsetzungsphase, die bereits in der zweiten Hälfte der Schulung einsetzte und über das Ende der Projektlaufzeit hinaus läuft, integrieren die Gesundheitstrainerinnen und -trainer das erworbene Wissen in ihre professionelle Beratung und Begleitung. Die Gesundheitsmentorinnen und -mentoren sprechen dagegen Familien und insbesondere Mütter in ihrem Umfeld, in der Nachbarschaft, in Stadtteiltreffpunkten und auf Kiezfesten an und geben ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiter. Insgesamt wurden über die 57 Qualifizierten bis Mitte 2009 etwa 1500 bis 2000 Familien in Form von individuellen und Gruppenberatungen erreicht.

Trainerinnen und Trainer sowie Mentorinnen und Mentoren werden bei ihrer Tätigkeit durch Supervision und Qualitätszirkel sowie Coaching kontinuierlich begleitet. Dort können sie Beratungssituationen und -themen besprechen und erhalten Unterstützung in ihrer Rolle als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.


Good Practice in

Multiplikatorenkonzept

Ein starkes Gewicht liegt bei „Gesund sind wir stark!“ auf dem Multiplikatorenkonzept. Die tragenden Säulen sind dabei zum einen Professionelle, also die späteren Gesundheitstrainerinnen und -trainer, die mit Familien mit Migrationshintergrund in ihrem beruflichen Alltag zu tun haben und möglicherweise selbst einen Migrationshintergrund aufweisen. Zum anderen sind es muttersprachliche Laien, die späteren Gesundheitsmentorinnen und -mentoren, die in ihrem Umfeld akzeptiert und respektiert werden.

Über bereits etablierte und gut funktionierende bezirkliche Netzwerke in Friedrichshain-Kreuzberg wurde das Projekt bekannt gemacht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulung konnten meist über persönliche Ansprache gewonnen werden. Bereits während des Lehrgangs zeigte sich das große Potenzial der Gesundheitsmentorinnen und -mentoren als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Die vermittelten Inhalte finden hier vielfach doppelte Anwendung: erstens für sich selbst und in der eigenen Familie und zweitens durch die Weitergabe an andere Menschen im weiteren sozialen Umfeld. Eine Gesundheitsmentorin berichtet, dass sie durch die Schulung ihren eigenen Lebensstil geändert und zehn Kilo abgenommen habe und nun Freunde und Familie berate. Eine andere Mentorin erklärte, dass eine Mutter im Supermarkt ratlos vor dem Regal mit Babynahrung gestanden und sie der Mutter dann Tipps zum Thema Babyernährung gegeben habe. Eine weitere Mentorin war durch die Schulung so motiviert, dass sie eine Krabbel-Gruppe für türkische Mütter und ihre kleinen Kinder in einem kooperierenden Stadtteiltreff ins Leben gerufen hat, wo die Mütter sich nun austauschen können. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Mentorinnen und Mentoren meist „nebenbei“ beraten: bei der selbstverständlich stattfindenden Kontaktaufnahme und -pflege mit anderen Frauen auf unkomplizierte und direkte Art. Informationen, die niedrigschwellig, auf gleicher Augenhöhe und mit ähnlichem sozialem Hintergrund vermittelt werden, scheinen bei den Familienmüttern gut anzukommen. Verstehen von Problemen im Alltag, aber auch Erkennen von Möglichkeiten und ganz pragmatischen Lösungsansätzen können dabei als die große Stärke der Mentorinnen und Mentoren bezeichnet werden.

Eine Gesundheitstrainerin erzählte, dass die Schulungsinhalte zwar bereits bekannt gewesen seien, die Schulung sie aber zum intensiven Transfer der Themen in die eigene Beratungspraxis motiviert habe. Die Schulung der Gesundheitstrainerinnen und -trainer sensibilisiert verschiedene Berufsgruppen noch einmal mehr für die Problemlagen rund um einen gesunden Lebensstil und ein gesundes Aufwachsen von Kindern und schärft den Blick für Ressourcen und Bedarfe der Zielgruppe. Trainerinnen und Trainer, Mentorinnen und Mentoren erhielten kostenlos ein Medienpaket mit Broschüren, CDs und Videos beispielsweise der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), des aid Infodienst Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) – falls erhältlich auch in türkischer und arabischer Sprache.

Integriertes Handeln

Bei der Auswahl der künftigen Trainerinnen und Trainer sowie Mentorinnen und Mentoren nutzte das Projekt die bereits gut ausgebauten Strukturen und Netzwerke des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg, um in den türkischen und arabischen Gemeinden und in den Familien das Thema Gesundheitsförderung konsequent umsetzen zu können. Federführend in der Vernetzung und Umsetzung integrierter Handlungskonzepte ist dabei der Projektpartner Plan- und Leitstelle Gesundheit in Friedrichshain-Kreuzberg. Die Plan- und Leitstellen wurden 1994 in allen Berliner Bezirken eingerichtet. Sie sollten als Stabstellen, angesiedelt bei den gesundheitspolitischen Dezernenten, „Regiekompetenzen“ entwickeln. Im Netzwerk der Akteure kommunaler Gesundheitspolitik fungieren sie als Koordinatorin und Moderatorin, erstellen Bedarfsanalysen, bringen neue Initiativen und Projekte in der Gesundheitsförderung auf den Weg und tragen dabei den Interessen der Bevölkerung und insbesondere den Bedürfnissen sozial und gesundheitlich benachteiligter Gruppen in besonderem Maße Rechnung. Vor dem Hintergrund dieser Aufgabe wurden in Friedrichshain-Kreuzberg unter anderem themenbezogene, interdisziplinäre und ressortübergreifende Netzwerke als Instrumente der kommunalen Gesundheitspolitik aufgebaut. Dazu zählen das interkulturelle Gesundheitsnetzwerk “Migration, Integration und Gesundheit“ mit über 120 Mitgliedern aus dem Bezirk und der Arbeitskreis „Gesundheitsförderung rund um die Geburt“, deren Netzwerkpartner in der nachfolgenden Abbildung benannt werden. Beide Netzwerke werden von den Trainerinnen und Trainern bzw. Mentorinnen und Mentoren genutzt und unterstützt.

s. Anhang: Netzwerkstruktur „Gesundheitsförderung rund um die Geburt“

Die Plan- und Leitstelle Gesundheit in Friedrichshain-Kreuzberg verfolgt im Rahmen ihrer gesetzlich festgeschriebenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben die Umsetzung der Ziele über die Laufzeit des Projektes hinaus und steht als feste Ansprechpartnerin für Trainerinnen, Trainer, Mentorinnen und Mentoren zur Verfügung.

Qualitätsmanagement

Das Projekt „Gesund sind wir stark!“ verfügt über ein internes Qualitätsmanagement und wird extern evaluiert.

Das interne Qualitätsmanagement hat das Ziel, schnell auf Veränderungen oder Anregungen eingehen und zeitnah Modifikationen umzusetzen. Das gesamte Projektteam (Vertreter/innen der für die Durchführung des Projekts beteiligten Partner) trifft sich dazu in regelmäßigen Abständen, um den Projektverlauf zu bilanzieren und steht auch darüber hinaus in regelmäßigem E-Mail-Austausch.

Im Rahmen der Schulung fanden Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer statt, die Aufschluss über die Qualität der einzelnen Module gaben. Die Schulungsinhalte basieren auf wissenschaftlich anerkannten Richtlinien und Empfehlungen wie zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und werden durch aktuelle Erkenntnisse ergänzt. Im Anschluss an die zehn bzw. 40 Lehrgangsmodule erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat. Das Zertifikat hat durch die Förderung seitens des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) einen hohen Stellenwert, ist aber kein staatlich anerkannter Abschluss.

Nach der Qualifizierung werden die Trainerinnen und Trainer sowie Mentorinnen und Mentoren vom Projektteam begleitet. Dazu treffen sich die Gruppen alle sechs Wochen im Wechsel zur fachlich angeleiteten Supervision und zu Qualitätszirkeln, wo Austausch über themenspezifische Fragestellungen möglich ist. Qualität, Effektivität und Nachhaltigkeit der Beratungsarbeit werden somit sichergestellt, die Arbeit wird transparent gemacht und mögliche Veränderungsbedarfe werden aufgezeigt. Insbesondere greift das Projektteam Ergebnisse oder Fragestellungen aus den Qualitätszirkeln auf und nimmt – wo nötig – Ergänzungen oder Modifikationen vor. Dabei kann es sich beispielsweise um die Erarbeitung zusätzlichen Materials handeln, das die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrer Beratungsarbeit nutzen möchten. Zudem hat jeder Teilnehmende die Möglichkeit, drei individuelle Coachingtermine in Anspruch zu nehmen. Supervisionstermine, Qualitätszirkel und Coaching werden dokumentiert.

Weiterhin sind die Trainerinnen, Trainer, Mentorinnen und Mentoren angehalten, ihre Beratungsgespräche zu dokumentieren. Da die Beratung bereits während der zweiten Hälfte der Schulung begann, wurden die Dokumentationsbögen auch in den Unterricht einbezogen und konnten gemeinsam besprochen und ausgewertet werden.

Zur weiteren Qualitätssicherung wird das Projekt im Rahmen des Wettbewerbs „Besser essen. Mehr bewegen.“ extern vom Max Rubener-Institut evaluiert. Die Evaluation ist rein qualitativ angelegt, prozessbetont und konzentriert sich auf drei Bereiche: Lehrgangsevaluation, Evaluation der Arbeit der Trainer und Mentorinnen und Veränderungen in der Zielgruppe. Ergebnisse liegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Ein großer Teil der Gesundheitsmentorinnen und –mentoren versprach sich eine berufliche Perspektive von dem Projekt. Dies führte schon während des Lehrgangs immer wieder zu Diskussionen, da die Projektleitung von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen war. Es ist wichtig, darauf zu achten, keine unrealistischen Vorstellungen zu wecken. Nach Möglichkeiten der Honorierung oder eines Entgelts für Gesundheitsmentorinnen und -mentoren im Rahmen von Arbeitsmarktinstrumenten wird gesucht, um ihnen zum einen eine finanzielle Grundlage zu sichern und zum andern eine berufliche Perspektive anbieten zu können.


Literatur

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Besser essen. Mehr bewegen. URL: www.besseressenmehrbewegen.de (18.05.2009)



Grabow, K. et al. (2007). Berliner (Kreuzberger) Präventionsprogramm. Curriculum für die Lehrgänge Gesundheitstrainer und Gesundheitsmentoren. Unveröffentlichtes Skript.

Meinlschmidt, G. (2009). Spezialbericht 2009-1: Sozialstrukturatlas Berlin 2008. Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. URL: www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html (23.04.2009)



Oberwöhrmann, S. et al. (2008). Spezialbericht 2008-1: Grundauswertung der Einschulungsdaten 2006 zur gesundheitlichen und sozialen Lage der Kinder in Berlin. Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. URL: www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html (23.04.2009)


Laufzeit des Angebotes

Beginn: November 2006

Abschluss: 2022


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Menschen in sozial schwieriger Lage: Familien mit Migrationshintergrund

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Ernährung
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit
  • Sonstiges

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Qualitätsentwicklung

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Quelle der Veröffentlichung/URL: Halbjährliche Zwischenbericht an das Ministerium


Stand

23.04.2024

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