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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2006

Berliner Bündnis gegen Depression

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Depressionen sind, wie die meisten seelischen Erkrankungen, ein Thema, das in der Öffentlichkeit nach wie vor tabuisiert wird. Dabei gehören depressive Störungen zu den Volkskrankheiten und können jeden treffen. Ca. 15–20 % der Bevölkerung leiden im Laufe ihres Lebens an einer behandlungsbedürftigen Depression mit teilweise tiefgreifenden Folgen wie Arbeitsunfähigkeit oder sozialer Isolation. Ca. 15 % aller Menschen mit einer schweren Depression sehen den einzigen Weg aus dieser Erkrankung in einem Suizid. Inzwischen übersteigt die jährliche Anzahl an Suiziden deutlich die der Verkehrstoten. Vor allem die Unkenntnis über das Krankheitsbild und dessen Behandlung führt dazu, dass Menschen mit einer depressiven Erkrankung keine Hilfe aufsuchen. Ein weiteres Problem liegt in der adäquaten Versorgung depressiver Menschen.

Das „Berliner Bündnis gegen Depression“ will mit seinem Projekt einen Beitrag zur Gesundheitsförderung und Prävention leisten und die gesundheitliche Situation depressiver Menschen, insbesondere von Migrantinnen und Migranten, verbessern, Suiziden vorbeugen sowie die Anzahl adäquat behandelter Betroffener steigern. Ein weiteres wichtiges Anliegen des Bündnisses ist die Aufklärung der Bevölkerung über die Krankheit Depression und deren Enttabuisierung.

Da türkischstämmige Bewohner den größten Anteil nichtdeutscher Gruppen in Berlin bilden, hat das „Berliner Bündnis gegen Depression“ seinen Schwerpunkt zunächst auf diese Personengruppe gelegt und jene Bezirke in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt, die einen hohen Anteil an türkischen Bewohnern und Bewohnerinnen aufweisen. Durch Bereitstellung muttersprachlicher Informationen, die gezielte Ansprache türkischer Einrichtungen und Gemeinden sowie Fortbildungsmaßnahmen für türkisch sprechende Hausärztinnen und -ärzte sollen Menschen entsprechender Herkunft besser erreicht werden. In weiteren Schritten werden entsprechende Maßnahmen für Menschen russischer, polnischer, arabischer und englischer Herkunft bereitgestellt.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Meryam Schouler-Ocak
Große Hamburger Str. 5-11
10115 Berlin (Berlin)

Telefon: 030 / 23112120

E-Mail: kontakt(at)berlinerbuendnisgegendepression.de

Website: http://www.berlinerbuendnisgegendepression.de


Projektträger

Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus
Große Hamburger Str. 5-11
10115 Berlin


Hintergrund

Depressionen können unabhängig von Alter, Beruf, sozialem Status oder ethnischer Zugehörigkeit jeden treffen. Vielfach wird eine Depression von den Betroffenen nicht erkannt bzw. hinter den Beschwerden eine körperliche Erkrankung vermutet. In vielen Fällen wird die Depression als vorübergehende Lebenskrise bzw. alltägliche Verstimmung heruntergespielt. Vielfach wird der Weg zum Fachmann vermieden – aus Sorge vor einer Psychiatrisierung und weil die Betroffenen fürchten, dass die Medikamente ihre Persönlichkeit verändern oder sie von ihnen abhängig werden. Teilweise nehmen Betroffene aber auch aus Scham oder Angst vor Ausgrenzung keine professionelle Hilfe in Anspruch. Selbst Ärztinnen und Ärzte erkennen nicht immer, wann es sich um eine Depression handelt, mit der Folge, dass die Erkrankung nicht entsprechend therapiert wird. Nur ca. 10 % der behandlungsbedürftigen Betroffenen erhalten eine adäquate Therapie.

Eine besondere Personengruppe unter den Betroffenen bilden Migrantinnen und Migranten. Zwar besteht kein direkter Zusammenhang zwischen ethnischer Zugehörigkeit und Depression, jedoch sind Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund des Migrationsprozesses einer Reihe von Belastungsfaktoren ausgesetzt, die eine Depression begünstigen können. Hierzu gehören zum Beispiel der Verlust sozialer und materieller Ressourcen oder die Konfrontation mit der fremdem Sprache und Kultur. Vor allem aber nehmen diese Menschen seltener Gesundheitsleistungen in Anspruch, was u. a. auf Informationsdefizite und fehlende Verständigungsmöglichkeiten zurückzuführen ist. Zudem werden psychische Erkrankungen in dieser Bevölkerungsgruppe noch stärker tabuisiert, als dies im deutschen Kulturkreis der Fall ist. Darüber hinaus kann es infolge einer Unkenntnis über kulturelle Hintergründe und eines unterschiedlichen Verständnisses von Gesundheit und Krankheiten zu Problemen bei der Diagnostik oder Behandlung von Migrantinnen und Migranten kommen, was sowohl bei den Betroffenen als auch beim medizinischen Personal Frustration hervorrufen und unter Umständen zum Abbruch der Behandlung führen kann.

Um die Lebens- und Versorgungssituation depressiver Menschen zu verbessern, schlossen sich im Jahr 2001 in Nürnberg Haus- und Fachärztinnen bzw. -ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Beratungsstellen, das Gesundheitsamt, das Klinikum Nord und viele weitere Einrichtungen zum „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ zusammen. Durch Aufklärungskampagnen und Aktionstage für die allgemeine Bevölkerung, Weiterqualifizierungsmaßnahmen für medizinische und soziale Berufe und die Bereitstellung unterschiedlicher Informationsmaterialien konnte ein signifikanter Rückgang suizidaler Handlungen (–24 %), von Suizidversuchen (–26 %) und Suiziden erreicht werden. Eine repräsentative Telefonumfrage ergab, dass das Wissen über die Erkrankung in der Bevölkerung im Vergleich zu einer Kontrollregion zugenommen hat.

Aufgrund der guten Erfahrungen entstanden in vielen weiteren Regionen entsprechende Bündnisse. Seit dem 27. 4. 2005 gibt es das „Berliner Bündnis gegen Depression“. Die Schirmherren sind Prof. Dr. Rita Süssmuth und der türkische Generalkonsul in Berlin Ahmet Nazif Alpman.


Vorgehen

Das „Berliner Bündnis gegen Depression“ versucht auf mehreren Ebenen, die Information und Versorgung von Menschen mit depressiven Erkrankungen, insbesondere für die in Berlin große Anzahl an türkischen Einwohnern, zu verbessern und einen Beitrag zur Suizidprävention zu leisten.

Einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt bildet die Öffentlichkeitsarbeit: So veranstaltete das „Berliner Bündnis gegen Depression“ auf dem Gelände der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St.-Hedwig-Krankenhaus ein Sommerfest mit Vorträgen und Informationsständen über depressive Erkrankungen und deren Behandlung. Verschiedene Materialien wie Flyer und Ratgeberbroschüren für Betroffene und Angehörige informieren über Krankheitssymptome sowie Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Interessierte Menschen und Personen, die sich unsicher sind, können anhand eines kurzen Fragebogens unter dem Titel Nur „schlecht drauf“? Oder steckt eine Depression dahinter? ermitteln, ob bei ihnen Zeichen einer Depression vorliegen. Plakate machen auf die Problematik aufmerksam und tragen zur Sensibilisierung für das Thema bei. Über Funk, Fernsehen und Printmedien (auch türkische) wird die breite Öffentlichkeit angesprochen. Ein besonderes Anliegen war es, bei der Gestaltung von Informationsmaterialien und Fortbildungsveranstaltungen auch kulturelle Hintergründe zu berücksichtigen, da in den unterschiedlichen Kulturkreisen vielfach völlig andere Vorstellungen von und Ausdrucksweisen zu Gesundheit und Krankheit vorliegen und es für den Behandlungserfolg wichtig ist, dass therapeutische Konzepte auf die Bedürfnisse dieser Personengruppe ausgerichtet sind.

Konkrete Beratungs- und Hilfsangebote finden Betroffene und deren Angehörige in der Depressionssprechstunde der Psychiatrischen Institutsambulanz der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St.-Hedwig-Krankenhaus. Erhebungsfragebogen für Ärztinnen und Ärzte sowohl in deutscher als auch in türkischer Sprache sollen dazu beitragen, eine Depression schnell und zuverlässig zu erfassen. Zudem werden Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zahlreichen Bündnispartner angeboten und Seminare u. a. für türkischsprachige Hausärztinnen und -ärzte durchgeführt.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Durch eine sehr breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit wird die allgemeine und speziell die türkischsprachige Öffentlichkeit über das Thema Depression informiert.

Anhand verschiedener Materialien wird die Bevölkerung über die Erkrankung, deren Therapie sowie die bestehenden Hilfsangebote informiert. Da alle Informationen in türkischer Sprache vorliegen, erreichen die Informationen auch diese Bevölkerungsgruppe. Inzwischen liegen Ratgeberbroschüren in fünf weiteren Sprachen vor.

Ebenfalls niedrigschwellig angelegt ist ein kleiner Fragebogen, der über die Homepage des Berliner Bündnisses abgerufen werden kann und anhand dessen interessierte Personen zunächst einmal für sich ermitteln können, ob bei ihnen tatsächlich Zeichen einer Depression vorliegen und eventuell ein Hilfebedarf besteht. Auf diese Weise werden auch Menschen erreicht, die sich diesbezüglich noch unsicher sind und/oder bislang den Gang zu einem Arzt bzw. einer Ärztin scheuten.

Die Einbeziehung türkischer Vereinigungen wie zum Beispiel der Arbeitskreis Türkischsprachiger PsychotherapeutInnen in Berlin in die Aktivitäten sowie der direkte Kontakt zu türkischen Gruppen, u. a. über die Türkische Gemeinde zu Berlin, ermöglichen einen Zugang zu dieser Personengruppe, die sonst nur schwer zu erreichen ist.

Multiplikatorenkonzept

Das „Berliner Bündnis gegen Depression“ bietet verschiedene Fortbildungsveranstaltungen an. Im April 2005 fand das erste „Train-the-Trainer-Seminar“ statt. Inzwischen wurde eine zweite Veranstaltung durchgeführt – weitere sind in Planung. Die sehr gut besuchten eintägigen Fortbildungen bieten Platz für 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In der Veranstaltung werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zahlreichen Bündnispartner vor allem aus den Bereichen Medizin, Pflege, Psychologie und Sozialpädagogik ausgebildet und stehen dann als Referentinnen und Referenten für zukünftige Veranstaltungen zur Verfügung bzw. führen selber Seminare durch. Auf diese Weise gelingt es, das Wissen zum Thema „Depression“ in der jeweiligen Berufsgruppe weiterzuverbreiten und es in der Öffentlichkeit stärker publik zu machen. Interaktive Workshops für türkische sowie deutsche Hausärztinnen und -ärzte tragen dazu bei, das Wissen über die Erkrankung zu erweitern, eine Depression schneller zu erkennen und durch die Vermittlung kultureller Hintergründe die Versorgung türkischer Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Nachhaltigkeit

Das „Berliner Bündnis gegen Depression“ ist bei seiner Konzeption insofern neue Wege gegangen, als es sich neben der Aufklärungsarbeit über das Thema Depression für die Allgemeinbevölkerung gezielt an die sonst nur schwer zu erreichende Personengruppe der Migrantinnen und Migranten wendet. Ebenfalls innovativ war dabei die Vorgehensweise, da man sich bei der Erstellung von Informationsmaterialen nicht allein auf eine inhaltliche Übersetzung beschränkte, sondern zudem den kulturellen Kontext der türkischen Bevölkerung einbezog. Vielfach wird zu wenig beachtet, dass jeder Kulturkreis etwas anderes unter bestimmten Krankheitssymptomen – wie zum Beispiel Traurigkeit oder Depressivität – versteht und sich auch anders ausdrückt. Dies hat zur Folge, dass Professionelle ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen aus den Symptombeschreibungen der Betroffenen unter Umständen nicht auf eine Depression schließen. Ebenso hat jede Kultur ihre ganz eigene Strategie, auf ein Symptom oder eine Krankheit zu reagieren, was ebenfalls bei der Behandlung einer Erkrankung berücksichtigt werden muss.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: April 2005

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 18 bis 29 Jahre
  • 30 bis 49 Jahre
  • 66 bis 79 Jahre
  • 50 bis 65 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Jungen / Männer
  • Mädchen / Frauen

Schwerpunkte des Angebotes

  • Aktionsbündnisse
  • Stadtteil-/ Gemeinwesenarbeit, Nachbarschaftsnetzwerke

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Krankenhaus

Stand

03.06.2008

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