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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2008

Beratung für Eltern und Kinderbetreuungseinrichtungen mit Kindern von 0 bis 6 Jahren

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Beauftragt und finanziert vom Fachbereich Familie, Jugend und Soziales des Landkreises Marburg-Biedenkopf bietet das Kinderzentrum Weißer Stein Marburg-Wehrda e.V. in zwei benachbarten Kommunen des Landkreises ein innovatives, flexibles und niedrigschwelliges Beratungsangebot, strukturell in enger Verbindung mit den ortsansässigen Kindertagesstätten, an. Ziel des Projektes ist die Verminderung von Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern im Vorschulalter durch frühzeitige Interventionen, möglichst noch vor Eintritt in den Kindergarten. Angesprochen werden Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren, wie auch pädagogische Fachkräfte aus den Betreuungseinrichtungen. Angeboten wird eine offene Beratung, die von Eltern ohne Wartezeiten in dafür vorgesehenen Räumlichkeiten und Zeiten in den Kindertagesstätten wahrgenommen werden kann. Ergänzend gibt es Angebote für Eltern-Kind-Gruppen mit Kindern von 0 bis 12 Monaten, einen offenen Info-Treff für Eltern mit Babys und Kleinkindern sowie eine feste Spiel- und Kontaktgruppe für Eltern und Kinder zwischen 2 und 3 Jahren. Vorträge und Informationsveranstaltungen vervollständigen das Angebot. Gesundheitsfördernde Themen in Beratung, Gruppenangeboten und Informationsveranstaltungen sind Ernährung und Essverhalten, Bewegungsförderung, Umgang mit Schlafstörungen bei Kindern, gesunde Sprachentwicklung, Erziehungsfragen, soziales Lernen und Aspekte einer geschlechtsspezifischen Erziehung. Das Angebot ist offen für alle Eltern und Fachkräfte der Region, unabhängig von sozialer Zugehörigkeit. Zielsetzung ist, im Projektverlauf zunehmend auch sozial Benachteiligte zu erreichen.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Herr Sicco Henk van der Mei
Am Mühlgraben 2
35037 Marburg (Hessen)

Telefon: 06421 / 92520

E-Mail: info(at)kize-weisser-stein.de

Website: www.kize-weisser-stein.de


Weitere Ansprechperson

Herr Helmut Koch
Magdeburger Straße 1
35041 Marburg-Wehrda (Hessen)

Telefon: 06421 / 88120


Projektträger

Kinderzentrum Weißer Stein Marburg-Wehrda e.V.
Magdeburger Straße 1
35041 Marburg-Wehrda


Hintergrund

In Hessen werden auf der gesetzlichen Grundlage einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Hessischen Städte- und Gemeindebund, dem Hessischen Städtetag, dem Hessischen Landkreistag und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen Kinder mit Behinderung oder von Behinderung bedrohte Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren in Regeleinrichtungen betreut. Die Träger der Einrichtungen erhalten eine MaßnahmenPauschale zur Finanzierung von Integrationsmaßnahmen, insbesondere zur Einstellung einer weiteren Fachkraft mit 15 Wochenstunden. Diese Rahmenvereinbarung trat 1999 in Kraft.

Seitdem ist im Landkreis Marburg-Biedenkopf eine gleich bleibend hohe Anzahl durchgeführter Maßnahmen in den Kindertageseinrichtungen festzustellen. Annähernd 70 % der Maßnahmen basieren nach Einschätzung des kinder- und jugendärztlichen Dienstes auf diagnostizierten Entwicklungsrückständen häufig gepaart mit Verhaltensauffälligkeiten. Aufgrund dieser Entwicklung wurde das Modellprojekt „Integration behinderter Kinder“ entwickelt. Dabei ist es Ziel durch frühzeitige Beratung und Stärken von Ressourcen in Risikofamilien die Chancen der Zielgruppe, Kinder mit diagnostizierten Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten, zu verbessern.

Die Projektidee eines präventiven Angebots der „Beratung für Eltern und Kinderbetreuungseinrichtungen mit Kindern zwischen 0 und 6 Jahren“ wurde über den Fachbereich Familie, Jugend und Soziales an den Träger, das Kinderzentrum Weißer Stein Marburg-Wehrda e.V., mit der Bitte zur Umsetzung heran getragen. Die politische Entscheidung wurde im Jugendhilfeausschuss vom Jugenddezernenten, Mitgliedern des Kreistags und Kreisausschusses sowie Vertretern freier Träger der Jugendhilfe und der Liga der freien Wohlfahrtspflege getroffen. Integriert ist das präventive Beratungsprojekt in den Bereich der „Frühen Hilfen“ des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Für die Projektbetreuung und Durchführung der Beratungsangebote wurde eine pädagogische Fachkraft mit 29 Wochenstunden eingestellt.

Die Kommunen des Landkreises konnten sich für die Umsetzung des Modellprojektes bewerben und die konkrete Umsetzung und Finanzierung mitgestalten. Im Rahmen einer dreijährigen Modellphase wurde das Angebot in zwei Kommunen des Landkreises, der Stadt Gladenbach und der Gemeinde Dautphetal, zum 1. September 2005 umgesetzt (Laufzeit bis August 2008).

Die Situation in den Gemeinden Gladenbach und Dautphetal stellt sich folgendermaßen dar:
Die allgemeine Arbeitslosenquote in den Modellgemeinden entspricht dem Landesdurchschnitt von Hessen (13,1 %). Auffällig sind jedoch die Arbeitslosenquoten bei ausländischen Mitbürgern in den Modellgemeinden. Bei einem Ausländeranteil1 von 8% (Stadt Gladenbach) und 6% (Gemeinde Dautphetal) liegt die Arbeitslosenquote der ausländischen Mitbürger in der Stadt Gladenbach bei 38,4% und in der Gemeinde Dautphetal bei 18% (Hessenweit 24,5%).

Der Anteil der Alleinerziehenden in den Kindertagesstätten der Stadt Gladenbach liegt bei 12,6%, der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei 26% und der Familien im HartzIV-Bezug bei 12,9 %. Der Anteil der Alleinerziehenden in den Kindertagesstätten der Gemeinde Dautphetal liegt bei 4,3%, der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei 28,8% und der Familien im HartzIV-Bezug bei 7,2 %.

Vier Prozent aller Kindergartenkinder in der Stadt Gladenbach und der Gemeinde Dautphetal werden als behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder im Rahmen einer Integrationsmaßnahme in ihrer Kindertagesstätte gefördert. 46 der 0 – 6jährigen Kinder aus den beiden Kommunen werden durch die Interdisziplinäre Frühförderung- und Beratungsstelle Marburg-Biedenkopf betreut.

In 2005/2006 suchten 94 Eltern und Erzieherinnen das Beratungsangebot auf, 2006/2007 bereits 119. Es gibt deutliche Hinweise für einen weiteren Anstieg der Inanspruchnahme, denn bereits im 1. Halbjahr des 3. Modelljahrs 2007/2008 kam es zu 68 neuen Anfragen. Aus den einzelnen Anfragen haben sich teils bis zu 5 weitere Beratungskontakte entwickelt. So kam es bis zum Ende des 1. Halbjahrs 2007/2008, also in 2,5 Jahren Modelldauer, zu insgesamt 629 Beratungskontakten (2. Halbjahr des 3. Modelljahrs 2007/2008 noch nicht ermittelt).

Bei erhöhtem Beratungs- bzw. festgestellten therapeutischen Förderbedarf werden die Ratsuchenden an entsprechende Stellen (Ärzte, Therapeuten, Frühförder- und Beratungsstellen, psychologische und psychosoziale Hilfsangebote) weiter vermittelt. 74 % der Erstkontakte waren Eltern von Kindern im Vorschulalter, 19 % pädagogische Fachkräfte aus den Kindertagesstätten und 3 % andere. Am häufigsten kam es zu persönlichen (face-to-face-) Kontakten in den Anlaufstellen der Kindertagesstätten. In Fällen, in denen die Ratsuchenden anonym bleiben wollen, sind auch telefonische Kontakte möglich.


Vorgehen

In den Modellgemeinden werden die Zielgruppen
- Eltern und Fachkräfte aus Kinderkrippen von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren
- Eltern von Kindern ab Kindergartenalter bis Schuleintritt
- Erzieher/innen in den örtlichen Kindertagesstätten und andere pädagogische Fachkräfte, z. B. aus dem Tagespflegebereich angesprochen.

Mit dem Beratungsangebot sollen Eltern im Umgang mit ihrem entwicklungs- und verhaltensauffälligen Kind frühzeitig Unterstützung finden, Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen sowie fachliche Unterstützung für die Einleitung entsprechender Maßnahmen bei einer drohenden Behinderung erhalten. Die Erzieher/innen in den örtlichen Kindertagesstätten werden fachlich beraten und begleitet. Vervollständigt wird das Angebot durch Vermittlungsleistungen an örtliche Hilfsangebote und Dienste.

Im Fokus steht die gesundheitlich Förderung und Beratung der Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren im Sinne einer ressourcenorientierten Primärprävention. Daher wird diese Altersgruppe verstärkt angesprochen mit dem Ziel der Früherkennung von Interaktionsstörungen zwischen Eltern und Kind, allgemeinen elterlichen Belastungsfaktoren und Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten des Kindes. Erreicht werden soll eine Sicherung und Stabilisierung einer positiven Eltern-Kind-Beziehung, Stärkung elterlicher Erziehungskompetenz, positive Beeinflussung der Befindlichkeit des Kindes und Schaffung entwicklungsförderlicher Bedingungen für Kinder in der Familie. Ziel ist es, Eltern zu unterstützen, die ihnen vermittelten Informationen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in ihrem Alltag auch weiterhin nutzen und ausbauen zu können und sie so zu befähigen, sich selbst zu helfen.

Methodisch werden im Beratungsangebot auch Konzepte eingesetzt, die in der Praxis zur Elternberatung bereits erfolgreich waren, z. B. die Entwicklungspsychologische Beratung als Präventionsprogramm für die frühe Kindheit (Ziegenhain et al. 2006) mit beziehungs- und bindungsorientiertem Schwerpunkt sowie das Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP) mit ganzheitlichen Ansätzen zur frühkindlichen Entwicklungsbegleitung.

Neben der Einzelberatung der Familien und Erzieherinnen/Erzieher wird ein inhaltlich und dem Alter entsprechend aufeinander aufbauender Angebots-Block für Eltern mit Kindern unter 3 Jahren angeboten, der zum einen auf bestehenden Angebotsstrukturen aufbaut und zum anderen die einzelnen Altersgruppen bis zum Kidergarteneintritt abdeckt. Es wurde damit ein Angebot entwickelt, dass niedrigschwellig den unterschiedlichen Bedürfnissen von Eltern und Kindern aller Altersgruppen der unter 3jährigen entgegen kommt:
- „Filu – Fit und Lustig“ – ist ein vierwöchiges Kursangebot in enger Anlehnung an des gruppepädagogische Konzept „Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP)©“.
- „Räubernasen“ – ist ein offener Info-Treff für Eltern mit Babys und Kleinkindern von 12 bis 24 Monaten unter fachlicher Leitung.
- „Kleine Racker“ – ist ein konstante, regelmäßig stattfindende feste Spiel- und Kontaktgruppe für Eltern mit ihren Kindern im Alter von 24 bis 36 Monaten unter fachlicher Begleitung.

Zusätzlich wird die „Fledermaus“, ein Eltern-Kurs zum Umgang mit Schlafproblemen im Kindesalter angeboten. 6 – 8 Eltern treffen sich hier an 4 Terminen ohne ihre Kinder in der Kindertagesstätte. Der Focus liegt auf dem Umgang mit in der Beratung gehäuft berichteten kindlichen Ein- und Durchschlafproblemen. Der Zugang erfolgt über das Beratungsangebot selbst sowie durch regionale Ankündigungen in Kindertagesstätten, Praxen etc.. Außerdem wurde auch eine sog. „Telefon-Aktion“ in Kooperation mit der örtlichen Presse zum Thema „Einnässen und Einkoten“ durchgeführt.

Eltern mit Kindern in der Altersgruppe ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt erfahren durch das Projekt Unterstützung und Beratung bei Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, Interaktions- und Kommunikationsproblemen innerhalb der Familie und allgemeinen elterlichen Belastungen, wie Arbeitslosigkeit, finanzielle Schwierigkeiten, Trennungssituationen, Migration, ein behindertes Kind, chronische Erkrankungen in der Familie oder psychisch kranke Familienmitglieder. Weitere Beratungsthemen sind die positive Beeinflussung des Wohlbefindens von Kindern in den Familien, Schaffung förderlicher Entwicklungsbedingungen, Stärkung elterlicher Erziehungskompetenz und Krisenintervention. Hierfür steht das offene Beratungssetting, verortet in den Kindertagesstätten, zur Verfügung.

Das Beratungsangebot beinhaltet als einen dritten Aufgabenbereich noch die Beratung von pädagogischen Fachkräften aus den Kindertagesstätten. Diese können sich bei der Einschätzung von Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, bei kindlichen Interaktions- und Kommunikationsproblemen, bei Fragen zu konkreten Krankheitsbildern oder Behinderungsformen sowie bei Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung von Integrationsmaßnahmen beraten lassen und Unterstützung holen. Darüber hinaus können auch Tagespflegepersonen (z. B. Tagesmütter) das Angebot nutzen.

Beratungsform: In der Regel stehen den Ratsuchenden bis zu 5 Beratungstermine zur Verfügung, bei jeweils 60 bis 90 Minuten Gesprächsdauer. Diese Termine können bei Bedarf auch als Verhaltensbeobachtung des Kindes und anschließendes Gespräch mit der zuständigen Erzieherin) in der jeweiligen Kindertagesstätte durchgeführt werden. Eltern bringen ihre Kinder unter 3 Jahren häufig mit in die Beratung.

In den beiden Kommunen Gladenbach und Dautphetal wurde für das Beratungsangebot je eine feste Anlaufstelle in einer der Kindertagesstätten eingerichtet, die für die Ratsuchenden einfach und unkompliziert zu erreichen sind. Beide Kindertagesstätten sind ebenfalls in Trägerschaft des Kinderzentrums Weißer Stein Marburg-Wehrda e.V.. In beiden Anlaufstellen gibt es an festen Vormittagsterminen eine offene Sprechstunde, für die übrigen Zeiten gelten Terminvereinbarungen.

Für Eltern, Erzieher/innen, Tagesmütter und weitere Interessierte finden regelmäßig themenbezogene Eltern- Informationsabende statt. Inhalte und Termine dieser Abende werden in der örtlichen Presse und über Flyer veröffentlicht. Die Teilnehmenden können sich über das jeweilige Thema informieren und darüber hinaus in einem neutralen, unverbindlichen Rahmen die Mitarbeiterin des Beratungsangebotes kennen lernen. Im Anschluss an Informationsveranstaltungen kommt es in der Regel zu einer vermehrten Anfrage nach Beratungsgesprächen.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Ein reguläres Beratungsangebot wäre in der Regel eher bei den Erziehungsberatungsstellen zu finden und würde die Zielgruppe nicht so umfassend erreichen, insbesondere nicht bei Eltern von Kindern vor Kindergarteneintritt. Mit Projekten wie einer Elternschule oder Elternkursen ist es in den ländlichen Regionen wie der Modellregion problematisch, den Zugang zu sozial benachteiligte Familien zu finden. Neben der Frage der Motivation sind Hindernisse wie z. B. eine unzureichende Verkehrsanbindung durch öffentliche Verkehrsmittel, die fehlende Versorgung der Kinder während der elterlichen Abwesenheit und fehlende finanzielle Ressourcen für eine Anfahrt Gründe dafür, dass klassische Beratungsangebote selten in Anspruch genommen werden. Angebote für Eltern müssen daher kostenneutral, wohnortnah und im sozialen Nahraum akzeptiert sein.
Das Konzept wurde durch die Interdisziplinäre Frühförder- und Beratungsstelle Marburg-Biedenkopf, in Trägerschaft des Kinderzentrums Weißer Stein Marburg-Wehrda e. V., im Auftrag des Landkreises entwickelt. Dabei prägten die langjährigen Erfahrungen der Mitarbeiter/innen des Heilpädagogischen Kindertagesstättenfachberatung mit den Bedingungen vor Ort ganz wesentlich diesen Prozess. Im Rahmen der Konzeptentwicklung wurde schnell deutlich, dass mit dem Projekt die Eltern vor Ort, im sozialen Nahraum, angesprochen werden müssen. Es lag nahe, das Angebot räumlich in den Kindertagesstätten zu verorten, da diese auch bei der Zielgruppe sozial Benachteiligter weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert sind und in Anspruch genommen werden.
In der Regel erfolgt die Kontaktaufnahme zu den Eltern der Zielgruppe sowie zu den Erzieher/innen über die jeweilige Kindertagesstätte. Hier wird mittels Flyern und Plakaten auf das Angebot an sich, die unterschiedlichen Gruppenangebote, sowie auf Informationsveranstaltungen hingewiesen. Da viele betroffene Eltern über Ihre Kinder Kontakt zur Kindertagesstätte haben, liegt eine gute Erreichbarkeit vor. Im Projektverlauf entwickelte sich eine zunehmende Bekanntheit des Beratungsangebotes über eine funktionierende Mund-zu-Mund-Propaganda. Einen Teil der Zielgruppe wird auch über Veröffentlichungen in der örtlichen Presse, in regionalen Gemeindeblättern sowie über Hinweise durch Kinderärzte/innen, Therapeuten/innnen, Hebammen, die sozialen Einrichtungen in der Region und Mitarbeiter/innen der sozialpädagogischen Familienhilfe erreicht. Die Gruppenangebote werden von Eltern gerne als Einstieg genutzt, um sich mit dem Angebot vertraut zu machen und anschließend auch einen Beratungskontext zu tiefer gehenden Fragestellungen zu suchen. Der gleiche Effekt lässt sich nach der Durchführung von Informationsabenden beobachten.
Eine Kindertagesstätte ist für Eltern der Zielgruppe in der Regel ein vertrauter Ort. Auf Wunsch der Eltern werden aber auch Hausbesuche durchgeführt. Vor allem beim Erstkontakt erweist es sich für viele Eltern als wichtig, dass die Anspruchnahme der Beratung mit dem Besuch der Kindertagesstätte verknüpft ist. Hierdurch entfällt eine wesentliche Hemmschwelle, eine externe Beratungsstelle aufsuchen zu müssen. Allerdings wird die offene Sprechstunde kaum in Anspruch genommen. Telefonische Terminabsprachen werden in den meisten Fällen vorher vorgenommen. Die Mitarbeiterin des Projekts steht regelmäßig und täglich telefonisch zur Verfügung. Termine für Beratungsgespräche werden individuell, zeitnah und nach Bedarf der Eltern abgesprochen. Es entstehen keine Wartezeiten. Die Beratung ist kostenfrei. Die Räumlichkeiten sind dafür eingerichtet, dass Eltern ihre Kinder zum Beratungstermin mitbringen können, d. h. es muss keine gesonderte Betreuung für die Kinder gesucht werden, um die Beratung in Anspruch nehmen zu können. Hausbesuche sind bei Bedarf und auf Wunsch der Eltern auch möglich. Auch kann die Beratung anonym durchgeführt werden.
Für die regelmäßig zu festen Zeiten ebenfalls in den Kindertagesstätten stattfindenden altersspezifischen Gruppenangebote wird eine geringfügige Teilnahmegebühr, von der die Teilnehmer in Einzelfällen auch unbürokratisch befreit werden können, erhoben. Die Finanzierung erfolgt durch den Auftrag gebenden Landkreis und das Kinderzentrum Weißer Stein als Träger der Maßnahme. Neben der Terminabsprache werden keinerlei Anmeldeformalitäten gefordert. Auch die Anmeldung für die Gruppenangebote kann mündlich erfolgen.

Empowerment

Das Beratungsangebot arbeitet in seiner gesamten Angebotsstruktur unter einer systemisch orientierten wertschätzenden und ressourcenorientierten Grundhaltung gegenüber der Zielgruppe. Eltern sind selbst die Experten für ihre persönliche Befähigung und Förderung des Wohlergehens ihrer Kinder. Ihnen werden keine Entscheidungen abgenommen, sondern in den unterschiedlichen Angeboten die Möglichkeit zur Erweiterung ihres Erfahrungshorizontes und dessen Reflexion, sowie durch Kontexterweiterung eine Veränderung der Sichtweise auf die Probleme in ihren Familien ermöglicht.

Neben Interventionen auf der Ebene der individuellen Verhaltensänderung lassen sich inzwischen auch erste Anzeichen einer Wirkung auf der Gemeinschaftsebene feststellen. Insbesondere Eltern mit sehr jungen Kindern zeigen ein großes Interesse, die neu geknüpften Kontakte aus den Gruppenangeboten des Modellprojekts weiter auszubauen sowie Themen und Inhalte auch aus den Informationsveranstaltungen des Beratungsangebots in eigener Runde aufzugreifen. Dies ist von Seiten der Beratung für Eltern & Kinderbetreuungseinrichtungen angestrebt und wird von dieser unterstützt. Eltern und Kinder treffen sich nach Kursabschluss mittlerweile in ersten selbst initiierten Gruppen und festigen damit ihr soziales Netz. Auf diesem Wege werden pädagogische und gesundheitsförderliche Inhalte, Ideen und Anregungen in private Eltern-Kind-Kreise transferiert, dort miteinander diskutiert und weitergegeben. Die Eltern gestalten ihre Angebote eigenständig und unterstützen sich dabei gegenseitig. Bei Bedarf ist hier immer wieder schnell der Kontakt zur Beratung für Eltern & Kinderbetreuungseinrichtungen hergestellt, wenn es z. B. um inhaltliche Fragen, Spielideen oder andere Formen organisatorischer Unterstützung geht. Darüber hinaus finden durch die selbst organisierten Eltern-Kind-Kreise auch neue Ratsuchende den Zugang zum Beratungsangebot.

Die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten der Modellregion berichten, dass durch die Kooperation mit dem Modellprojekt die Auseinandersetzung mit pädagogischen Themen und Inhalten zwischen Eltern und Kindertagesstätte wieder lebhafter geworden ist. Beide Seiten erhalten hier einen ressourcenorientierten Beistand, entsprechend den jeweiligen Anforderungen.

Nachhaltigkeit

Das Projekt stellt einen innovativen Ansatz dar, mit der Problematik einer kontinuierlich hohen, z. T. auch steigenden Anzahl von Integrationsmaßnahmen für Kinder mit Entwicklungsdefiziten und Verhaltensauffälligkeiten in den Kindertagesstätten präventiv umzugehen. Innovativ ist sicherlich für die betreffende Region die vorrangige Ansprache von Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren im Hinblick auf die Verhinderung von Entwicklungsdefiziten. Ein besonderes Kriterium ist auch die Verortung des Angebotes in den Kindertagesstätten. Das Angebot wurde flexibel konzipiert und immer wieder bedarfsorientiert ausgestaltet. Innovativ ist sicher auch die Kooperation von 2 benachbarten Kommunen, um ein gemeinsames Präventionsangebot möglich zu machen.

Die Entwicklung der Inanspruchnahme lässt darauf schließen, dass sich das innovative Konzept bewährt hat. Es stellt insbesondere für ländliche, strukturschwache Regionen einen guten präventiven Ansatz zur Verminderung von Entwicklungsdefiziten bei Kindern und zur Stärkung von elterlichen Kompetenzen dar. Während im beschriebenen Projekt insbesondere pädagogische Fragestellungen in den Fokus gerückt werden, könnte dies sicherlich auch im Zusammenhang mit medizinisch-gesundheitlichen Fragestellungen umgesetzt werden (im Sinne der „Dorfschwester“ oder der Mütterberatung früherer Jahre). Wichtig ist für das Gelingen, dass es eine verbindliche, feste Ansprechsituation vor Ort gibt, die in der Regel von einer Person wahrgenommen wird. Unabdingbar ist bei einem solchen Konzept eine wertschätze, systemisch orientierte Grundhaltung gegenüber den Ratsuchenden – sonst wird das Angebot nicht als hilfreich empfunden und nicht in Anspruch genommen.

Aufgrund der guten Erfahrungen wurde 2008 eine Fortführung und eine Ausweitung des Modellprojekts auf weitere Kommunen im Landkreis Marburg-Biedenkopf beschlossen. Derzeit werden die finanziellen Rahmenbedingungen verhandelt.


Literatur

CIERPKA, M. (1999). Kinder mit aggressivem Verhalten. Ein Praxismanual für Schulen, Kindergärten und Beratungsstellen. Hogrefe

DÖPFNER, M. (1999). Wackelpeter und Trotzkopf. Hilfen bei hyperkinetischem und oppositionellem Verhalten. Beltz

HERBERT, M. (1999). Gefährdete Kinder. Spezielle Hilfe und wer sie braucht. Band 5. Hans Huber

KÖRNER, W., HÖRMANN, G. (2000). Handbuch der Erziehungsberatung. Band 2. Hogrefe

LANDKREIS MARBURG-BIEDENKOPF (HRSG.). (2005). Leitfaden Integration.

LANDKREIS MARBURG-BIEDNEKOPF (2007). Büro für Integration. Marburg

LANDKREIS MARBURG-BIEDNEKOPF (2008). Abschlussbericht und Handlungsempfehlungen des Projektes „Demografischer Wandel“ im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Marburg

MINISTERIUM FÜR ARBEIT, SOZIALES, FAMILIE UND GESUNDHEIT DES LANDES RHEINLAND-PFALZ (Hrsg.) (2006). Auf den Anfang kommt es an. Ein Kurs für junge Eltern. Ulm

PAPOUSEK, M., SCHIECHE, M,., WURMSER, H. (HRSG.). (2004). Regulationsstörungen der frühen Kindheit. Frühe Risiken und Hilfen im Entwicklungskontext der Eltern-Kind-Beziehungen. Hans Huber

PEKiP – Das Prager-Eltern-Kind-Programm. URL: www.pekip.de



PLÜCK, J., WIECZORREK, E., METTERNICH, R. W., DÖPFNER, M. (2006). Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten (PEP). Weinheim: Juventa

SUCHODOLETZ, W. V. (HRSG.) (2004). Welche Chancen haben Kinder mit Entwicklungsstörungen? Hogrefe

SUCHODOLETZ, W. V. (HRSG.) (2005): Früherkennung von Entwicklungsstörungen: Frühdiagnostik bei motorischen, kognitiven, sensorischen, emotionalen und sozialen Entwicklungsauffälligkeiten. Hogrefe

SUCHODOLETZ, W. V. (HRSG.) (2006): Prävention von Entwicklungsstörungen. Hogrefe

TRAPMANN, H., ROTTHAUS, W. (2004). Auffälliges Verhalten im Kindesalter. Handbuch für Eltern und Erzieher. Dortmund: modernes lernen

WÜNSCHE, M., REINECKER, H. (2005). Selbstmanagement in der Erziehung. Ein Training mit Eltern. Hogrefe

ZIEGENHAIN, U., FRIES, M. u. a. (2006). Entwicklungspsychologische Beratung für junge Eltern. Grundlagen und Handlungskonzepte für die Jugendhilfe. Weinheim: Juventa

Laufzeit des Angebotes

Beginn: September 2005

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Unter 1 Jahr
  • 1 bis 3 Jahre
  • 4 bis 5 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Elternschaft / Schwangerschaft
  • Gewaltprävention
  • Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Stand

24.05.2018

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