06.12.2006
Mindestens jeder achte Mensch in Deutschland lebt an der Armutsschwelle
Das Statistische Bundesamt hat am Dienstag, 5. Dezember 2006, die Ergebnisse der Erhebung ‚Leben in Europa’ für Deutschland 2005 veröffentlicht. Rund 10,6 Millionen Menschen waren von Armut bedroht, davon 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren. Die Quote der Armutsgefährdung liegt in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) bei 17 Prozent, im früheren Bundesgebiet bei 12 Prozent. Die Studie zeigt auch, dass Armutsgefährdung den Zugang zur Gesundheitsversorgung behindert: Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen halten nach Selbsteinschätzung mehr als ein Fünftel der Armutsgefährdeten davon ab, einen Arzt oder Zahnarzt aufzusuchen, wenn sie krank sind. Zugleich schätzen Armutsgefährdete ihren eigenen Gesundheitszustand durchweg wesentlich schlechter ein.
In Deutschland gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 856 Euro im Monat ausgeben kann. Das sind 60 Prozent des so genannten Medianeinkommens (1.426 Euro). Wer weniger als 40 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat, gilt nicht nur als armutsgefährdet, sondern als tatsächlich arm. Das sind rund vier Prozent der Menschen in Deutschland.
Die Verbandsvorsitzende vom Paritätische Wohlfahrtsverband, Barbara Stolterfoht, bezeichnete die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes als alarmierend. Nach Einschätzung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müsste die Quote der Armutsgefährdung noch mindestens um einen Prozentpunkt höher angesetzt werden, da sich die Studie auf Zahlen von 2004 bezieht. Seit Hartz IV sei die Zahl armer Menschen jedoch noch gestiegen. Außerdem gäbe es eine Vielzahl von Haushalten, die aufgrund ihres Einkommens zwar noch nicht als armutsgefährdet eingestuft würden, die es wegen Überschuldung aber faktisch seien, so Stolterfoht.
Alleinerziehende leben nach den Zahlen des Bundesamtes besonders häufig an der Armutsschwelle (30 Prozent), genauso wie Arbeitslose (43 Prozent). Auch die Bildung spielt eine erhebliche Rolle: Menschen mit Abitur (9 Prozent) sind deutlich weniger gefährdet als solche ohne Berufsabschluss (24 Prozent).
Ein Dasein an der Armutsgrenze hat nach Angaben des Bundesamtes neben den Einschränkungen bei der ärztlichen Versorgung auch Beschränkungen beim Wohnen und beim Konsum zur Folge. 22 Prozent aller Armutsgefährdeten leben nach eigenen Angaben in Wohnungen, die bauliche Mängel wie beispielsweise feuchte Wände aufweisen. Bei Menschen ohne Armutsrisiko sind es dagegen zwölf Prozent. 26 Prozent der Befragten gaben an, auch am Essen zu sparen. Und 14 Prozent der armutsgefährdeten Menschen leben in Haushalten, in denen aus Kostengründen im Winter an der Heizung gespart wird.
‚Leben in Europa’ ist die Bezeichnung der deutschen Befragung im Rahmen einer europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Themen sind neben den verschiedenen Bestandteilen des Einkommens, die sehr differenziert erfasst werden, weitere wichtige Lebensbereiche wie etwa die Wohnsituation oder die Gesundheit. Die Statistik wird seit dem Jahr 2005 in allen Ländern der Europäischen Union sowie in Norwegen und Island erhoben. Sie soll erstmals vergleichbare Daten zu Armut und Lebensbedingungen in den EU-Mitgliedstaaten bieten.
Weitere Informationen zu „Armut und Lebensbedingungen - Ergebnisse aus Leben in Europa für Deutschland 2005“, finden sich auf den www-Seiten des Statistischen Bundesamtes.