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Soziale Lage in Niedersachsen

Die Handlungsorientierte Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN) stellt den Akteur*innen der Armutsbekämpfung in Land, Kommunen und Verbänden das für ihre Arbeit erforderliche empirische Material handlungsorientiert zur Verfügung. Die HSBN ist eine Berichterstattung über gesellschaftliche Strukturen, Wandlungsprozesse und Armut.

Die folgenden Schlüsselzahlen enthalten die wichtigsten Ergebnisse der Berichterstattung auf Basis des Berichtes aus 2022. Grundlage des vorliegenden Berichts sind die bis Ende 2021 verfügbaren Daten, überwiegend aus den Jahren 2020 und 2021. Damit potentielle Auswirkungen der COVID-19- Pandemie betrachtet werden können, werden zudem Zweijahresvergleiche 2021 und 2019 vorgenommen.

Armutsgefährdungsquote 2021 auf 16,8 % gestiegen- Alleinerziehende und Menschen Im Senior*innenalter besonders gefährdet

In Niedersachsen waren im Jahr 2021 1,3 Millionen Menschen, also jede*r Sechste armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsquote von 16,8% lag dabei auf Bundesniveau (16,6%).

Die Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen lag 2021 in Niedersachsen bei 21,0 % und damit deutlich höher als die allgemeine Armutsgefährdungsquote. Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren und ein Viertel der jungen Erwachsenen bis unter 25 Jahren waren 2021 von relativer Einkommensarmut betroffen. Bei Haushalten mit drei oder mehr Kindern lag die Armutsgefährdungsquote mit 29,5 % etwa dreimal höher als bei Paaren mit ein bis zwei Kindern. Familien von Alleinerziehenden galten mit einer durchschnittlichen Quote von 41,1% als besonders gefährdet. Die Reduktion von Eltern- und Kinderarmut ist für gesundes und chancengleiches Aufwachsen besonders bedeutsam.

Alarmierend ist auch die Verfestigung der Armutsgefährdung von Menschen im Senior*innenalter. Hier zeigte sich eine überdurchschnittlich hohe Armutsgefährdungsquote von 17,9 %. Auffällig ist zudem der Geschlechterunterschied. Frauen ab 65 Jahren waren schon seit 2010 stärker armutsgefährdet als gleichaltrige Männer. Auch in 2021 wiesen Seniorinnen mit 20,2 % ein deutlich höheres Armutsrisiko als Senioren mit 15,2% auf. Die Geschlechterdifferenz im Durchschnitt aller Altersgruppen war erheblich geringer (Männer: 15,9 %; Frauen 17,7 %).

Die Reichtumsquote 2021 lag bei 7,7 % und ist damit leicht angestiegen. Einpersonenhaushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mindestens 3.724 Euro gelten als “einkommensreich”.

Leichter Anstieg von Mindestsicherungsleistungen 2020 – Starker Anstieg von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Ende 2020 erhielten in Niedersachsen 684.861 Menschen existenzsichernde Hilfen, was trotz der Pandemie, nur einem leichten Anstieg von 0,7 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Mindestsicherungsquote, die den Anteil der Leistungsbeziehenden an der Gesamtbevölkerung wiedergibt, stieg lediglich um 0,1% auf 8,6%. Einen starken Zuwachs gab es vor allem bei den Beziehenden von Grundsicherung im Alter. Ende 2020 waren insgesamt 56.284 Menschen auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen, was einen Anstieg von 3,4 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet und damit deutlich höher ausfällt als die Zahl der Mindestleistungsempfänger*innen insgesamt. Der Anteil der minderjährigen Leistungsempfangenden lag 2020 mit 13,5 % weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, ging jedoch gegenüber 2019 um 0,5 Prozentpunkte zurück. Betrachtet man den Indikator der “bekämpften Armut” nahm die Altersarmut leicht zu, die immer noch hohe Kinderarmut verringerte sich. Die Daten der SGB II- Leistungen aus 2021 zeigen hingegen, dass im Juni 2021 jedes achte Kind unter 15 Jahren in Niedersachsen als regelberechtigtes Mitglied in einer SGB II- Bedarfsgemeinschaft lebte. 2019 erhielt hingegen nur jedes siebte Kind Sozialgeld. Die starke Armutsgefährdung von Alleinerziehenden lässt sich auch anhand der SGB II- Statistik darstellen. Mehr als jedes dritte Kind unter 15 Jahren in Alleinerziehendenfamilien bezieht SGB II- Leistungen.

Bevölkerungswachstum in Niedersachsen – Zuwanderung zurückgegangen

Niedersachsens Bevölkerungszahl wuchs, wenn auch abgeschwächter, das neunte Jahr in Folge und lag am 31.12.2020 bei 8.003.421. Die Einwohner*innenzahl vergrößerte sich insbesondere durch die vielen Zuzüge, trotz des insgesamt pandemiebedingten rückläufigen Wanderungsgeschehens. Neben Zuzügen aus dem Ausland wirkten sich auch die innerdeutschen Wanderungen positiv auf die niedersächsische Bevölkerungszahl aus. Die Geburtenzahlen stiegen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 800 Säuglinge auf insgesamt 74.119. Erneut vergrößerte sich jedoch das Geburtendefizit durch rund 97.000 Sterbefälle im gleichen Jahr. Berechnungen des statistischen Bundesamtes zeigen eine Übersterblichkeit aufgrund von Corona von ca. 3 %. Die Alterung wächst, trotz der Zuzüge jüngerer Menschen, weiter. Der Altenquotient, welcher das Verhältnis der älteren Bevölkerung zur Bevölkerung im Erwerbsalter beschreibt, betrug 2020 38, zehn Jahre zuvor lag er bei 35. Der Anteil von Hochbetagten (80 Jahre und älter) vergrößerte sich weiter und machte 2020 einen Anteil von 7,2 % aus. Dahingegen lag der Anteil der Kinder unter 15 Jahren bei 13,8 %. Bei einer gleichbleibenden Geburtenrate und weiterhin moderater Zuwanderung zeigen Bevölkerungsvorausberechnungen auch zukünftig eine weitere Alterung der Gesellschaft.

Mehr als ein Drittel aller Familien in Niedersachsen mit Zuwanderungsgeschichte – Jedes siebte Kind lebte 2021 in alleinerziehender Familie

In 2021 lebten 1,1 Millionen Menschen in Familienhaushalten mit Kindern, 1,2 Millionen Menschen in Paargemeinschaften ohne Kinder und 1,7 in alleinstehenden Haushalten. In 34,3 % aller Familienhaushalte mit Kindern hatte dabei mindestens ein Familienmitglied eine Zuwanderungsgeschichte. Von 1,3 Millionen Kindern lebten 75,5 % in Familien mit verheirateten Elternpaaren, 9,6 % mit Eltern in Lebensgemeinschaften und 14,7 % mit einem alleinerziehenden Elternteil. Jede*r Dritte Alleinerziehende war 2021 auf Sicherungsleistungen angewiesen. In Niedersachsen leben ca. ein Fünftel aller Personen alleine, darunter viele Senior*innen. Alleinwohnende sind dabei oft armutsgefährdet, da nur ein Einkommen zur Verfügung steht.

Weniger Kinder in Tagesbetreuung als vor der COVID-19- Pandemie – Ganztagsbetreuung niedrig

Die Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren ging, nach jahrelangem Anstieg, 2021 um 2,8 %auf 71.804 Kinder in der Tagesbetreuung zurück. Als Ursache wird hier die COVID-19-Pandemie angenommen. Dennoch wurde 2021 fast jedes dritte Kind unter drei Jahren betreut, womit Niedersachsen besser als die meisten westdeutschen Länder dasteht. Die Ganztagsbetreuungsquote in dieser Altersklasse lag bei 13,8 %, was den drittniedrigsten Wert im Ländervergleich ausmacht.

Weniger Schulabgänger*innen ohne Hauptschulabschluss

2020 verließen insgesamt 4.612 Schulabgänger*innen die allgemeinbildenden Schulen ohne Schulabschluss und damit 15% weniger als 2019. Als Gründe für den Rückgang werden pandemiebedingt flexiblere Versetzungsanträge angenommen. 73.000 Frauen und Männer von 18 bis unter 25 Jahren hatten 2021 maximal einen Realschulabschluss und befanden sich nicht in schulischer oder beruflicher Ausbildung. Von den 4,25 Millionen Menschen zwischen 25 bis unter 65 Jahren in Niedersachsen hatten 2021 fast die Hälfte eine duale oder schulische Berufsausbildung als höchsten Abschluss, 11,4 % verfügten über einen Fachschulabschluss und 19,0 % über einen akademischen Abschluss. 20,4 % hatten keinen beruflichen Abschluss. Trotz des gestiegenen Bildungsniveaus war der Anteil derjenigen ohne Bildungsabschluss über alle Altersgruppen relativ gleich hoch.

Konjunktureinbruch: Leichter Rückgang der Erwerbstätigen 2020 – Starker Rückgang Minijobbende

Die COVID-19 Pandemie führte auch in Niedersachsen 2020 zu einem konjunkturellen Einbruch. Die Zahl der Erwerbstätigen sank nach andauernden Höchstständen nur wenig um 40.000 auf 4,11 Millionen Erwerbstätige. Bei einem Anteil von 12,2 % Kurzarbeit konnten die Auswirkungen der Pandemie für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte abgemildert werden, sodass die Zahl nicht rückgängig war. Ein Jahr später stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sogar um 46.000. Gleichzeitig sank die Zahl der ausschließlich Minijob- Beschäftigten in diesem Zweijahreszeitraum gegenüber 2019 um ein Zehntel, was auf die wegfallenden Jobs im Zuge des Lockdowns zurückzuführen ist.

2021 befanden sich mehr als ein Fünftel der 3,5 Millionen Kernerwerbstätigen in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Die Beschäftigten arbeiteten in Teilzeit mit weniger als 21 Wochenstunden, befristet, nur geringfügig beschäftigt oder als Zeitarbeitnehmer*innen. Meist geht dies mit einem geringeren Einkommen und folgend mit einer dreieinhalb Mal so hohen Armutsgefährdung einher als bei Normalbeschäftigten. Erwähnenswert dazu ist, dass jede dritte erwerbstätige Frau 2021 in derartigen atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeitete.

Arbeitslosenquote stieg 2020 deutlich – Starker Zugang der Langzeitarbeitslosenzahl

In Niedersachsen stieg die Zahl der Arbeitslosen im Juni 2020 erstmals seit vier Jahren um rund ein Viertel auf 264.855 arbeitslose Personen, gegenüber dem Vorjahresmonat an. Während die Arbeitslosenquote im Juni 2019 noch bei 4,9 % lag, war sie im Juni 2020 auf 6,0% gestiegen. Mit dem Instrument Kurzarbeit, in der sich im Juni 2020 ca. 390.000 Beschäftigte befanden, konnten Arbeitsplätze gesichert und ein noch stärkerer Anstieg der Arbeitslosenzahlen verhindert werden. Ein Jahr später im Juni 2021 waren die Arbeitslosenzahlen mit 241.996 und einer Quote von 5,5 % rückgängig, erreichten jedoch nicht das Niveau vor der Pandemie. Zudem bezogen weiterhin 150.000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld. Im zweiten Pandemiejahr, Juni 2021, stieg die Langzeitarbeitslosenzahl deutlich um 28,1 % auf 102.545 an. Die Agentur für Arbeit sieht die Pandemie und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen als mögliche Ursache, da es für Arbeitslose deutlich schwieriger war einen Arbeitsplatz zu finden und arbeitspolitische Maßnahmen nicht stattfinden konnten. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen von allen Arbeitslosen stieg stark von 34,9 % in 2019 auf 42,4 % in 2021. Besonders Arbeitssuchende ohne Berufsabschluss haben Schwierigkeiten nach einem Jahr aus der Arbeitslosigkeit herauszufinden.

Sinkende Reallöhne- Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen bei 19 %

Die preisbereinigten Bruttoverdienste, Reallöhne genannt, stiegen in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr an und sind nun von 2019 auf 2020 erstmals seit 2007 um 2,1 % gesunken. Dies lässt sich durch das gezahlte Kurzarbeitergeld erklären, wodurch Arbeitnehmende einen geringeren Verdienst und eine gekürzte Arbeitszeit haben. Auch 2021 gingen die Reallöhne leicht um durchschnittlich 0,7 % zurück. Die Nominallöhne, die im Gegensatz zu den Reallöhnen, die Inflationsrate nicht berücksichtigen, stiegen hingegen. Dies ist insofern bedeutungsvoll, wenn die Löhne weniger stark steigen als die Preise und die Lohnerhöhungen somit von der Inflation verbraucht werden. Die seit Ende 2021 erfassten Preiserhöhungen von mehr als 5 % führen insbesondere bei Menschen mit niedrigen Einkommen oder Bezieher*innen von Mindestsicherungsleistungen zu alltäglichen Einschränkungen. Im Juni 2021 erhielten 86.248 Erwerbstätige zusätzlich SGB II- Leistungen als Ergänzung oder Aufstockung.

Der Gender Pay Gap (Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern) ging 2020 gegenüber 2019 um 2,0 % zurück und blieb auch 2021 bei 19,0 %.

Rund 85 000 Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung

In Niedersachsen hatten 2019 9,8 % der Bevölkerung eine Schwerbehinderung. Die Zahl steigt seit Jahren demografisch bedingt an. Die meisten Menschen mit Schwerbehinderung sind über 65 Jahre alt. Neben älteren Menschen sind Unterstützungsleistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft auch für Menschen mit Behinderungen bedeutsam. Ende 2020 bekamen in Niedersachsen 85.035 Menschen Eingliederungshilfen. Der größte Teil mit 63.205 Empfangenden diente dabei der sozialen Teilhabe. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhielten 27.740 Personen.

Mehr Wohngeldhaushalte durch Wohngeldreform

Der Anteil der Wohn- und Energiekosten betrug bereits 2018 durchschnittlich etwas mehr als ein Drittel der Konsumausgaben niedersächsischer Haushalte. Dabei lag dieser bei Haushalten mit niedrigem Einkommen (900 bis unter 1300 Euro) nochmal knapp 10 % höher. Laut der Haushaltebefragung EU-SILC für 2019 empfindet jeder 6. Haushalt die Wohnkosten als hohe Belastung. Unter armutsgefährdeten Personen lag der Anteil bei über einem Viertel. Gleichzeitig ist der Anteil der wohngeldberechtigten Privathaushalte von 1,6 % deutlich kleiner, auch wenn ihre Zahl 2020 im Vergleich zu 2019 um fast ein Viertel auf 62.265 Wohngeldhaushalte gestiegen ist. Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Anfang des Jahres 2021 in Kraft getretene neue Wohngeldreform zurückzuführen, bei der mehr Haushalte wohngeldberechtigt waren als vor der Reform. Zudem könnte auch der pandemiebedingte Einkommensverlust der Haushalte zu einem Zuwachs geführt haben. Einpersonenhaushalte und Haushalte mit vier oder mehr Personen waren dabei besonders häufig auf Wohngeld angewiesen.

Daten und Inhalte aus: https://www.sozialberichterstattung-niedersachsen.de/meldungen/detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=53&cHash=fb765c0596b1c26fe4285fb61ccd5920

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