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21.01.2013

Was am Ende übrig bleibt - Einkommen

Antje Richter-Kornweitz, ehem. Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V.

Schlagwörter:Armut, Erwerbslosigkeit, Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsversorgung, Ältere

Aktuellere Zahlen zur sozialen La­ge Älterer fin­den sich u.a. in den jüngsten Berichten der eu­ro­päi­schen Uni­on, in den Armuts- und Reichtumsberichten der Bun­des­re­gie­rung, in den Ver­öf­fent­li­chun­gen des Lan­des­betriebes für Sta­tis­tik und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie Nie­der­sach­sen (LSKN), den Da­ten­re­por­ten des Statistischen Bundesamtes und in anderen Quellen.

Für das Jahr 2005 weist der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung eine Ar­muts­ri­si­ko­quo­te1 (bezogen auf 60% des Durchschnittseinkommens) in Höhe von 13% für Rent­ne­rin­nen, Rent­ner, Pen­si­o­nä­rin­nen und Pensionäre aus (BMAS 2008). Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bun­des­re­gie­rung nen­nen als zentrale Indikatoren der sozialen La­ge ne­ben der materiellen Si­tu­a­ti­on ge­sund­heit­liche Aspekte wie Mor­bi­di­tät, Krankheitsfolgen, subjektive Ge­sund­heit, Ge­sund­heits­ver­hal­ten, Ge­sund­heitsversorgung und Län­ge des Lebens.

In der europäischen Da­ten­bank EUSILC wurde das Armutsrisiko der deutschen Be­völ­ke­rung für das Jahr 2007 mit 15% und da­mit einen Pro­zent­punkt niedriger als im EU-Durchschnitt beziffert. Für Frauen (16%) war das Ri­si­ko höher als für Männer (14%). Noch höher war das Ri­si­ko für ältere Menschen ab 65 Jahre (17%) und auch in die­ser Al­ters­grup­pe war das Ri­si­ko für Frauen (20%) höher als für Männer (14%). Im Jahr 2008 lag die Armutsquote in der Gesamtbevölkerung Europas bei 17%. Nach den An­ga­ben der europäischen Uni­on hatten im selben Jahr 19% der Über-65-jährigen in der EU weniger als 60% des Nettoäquivalenzeinkommens zur Verfügung und lebten so­mit un­ter­halb der Armutsschwelle. In Deutsch­land lag die Armutsrate der Über-65-jährigen in diesem Jahr bei 15% und war da­mit eben­so hoch wie die Armutsquote der deutschen Gesamtbevölkerung (Eurostat PM 2010, Joint Re­port 2010).

Auch das sozioökonomische Pa­nel (SOEP), ei­ne repräsentative Längsschnittstudie zur Si­tu­a­ti­on pri­va­ter Haushalte in der Bundesrepublik Deutsch­land, ermittelt für das Jahr 2006 ei­ne in den höheren Al­ters­grup­pen abnehmende Einkommensposition. Laut Abb. 1 halten die 60- bis 64-Jährigen in diesem Zeit­raum die höchste Einkommensposition. Ab Mit­te 70 liegt die Einkommensposition der West­deu­tschen aber un­ter dem Durch­schnitt.

Hinter der durchschnittlichen Einkommenslage alter Menschen verbergen sich al­so erhebliche Un­ter­schie­de im Renteneinkommen, die sich ins­be­son­de­re im Wes­ten Deutsch­lands zei­gen (Tesch-Rö­mer/Wurm 2009).

Weitere An­ga­ben zur sozialen La­ge der Älteren in Deutsch­land las­sen sich un­ter anderem den Rentenhöhen und den Zahlen zur Grund­si­che­rung2 ent­neh­men. Die durch­schnitt­liche Ver­si­cher­ten­ren­te lag 2006 für Frauen bei 519 Eu­ro, für Männer bei 964 Eu­ro. (Destatis Da­ten­re­port 2008). Leis­tung­en in Form von Grundsicherung bezogen 2007 in Deutsch­land 2,4% (371.000) aller Über-64- Jährigen, wo­bei ins­ge­samt 2,8% aller Frauen im Ren­ten­al­ter und 1,9% aller Män­ner im Ren­ten­al­ter Grundsicherung er­hal­ten haben. Die Höhe der Grundsicherung im Al­ter lag in der Bundesrepublik Deutsch­land 2006 bei Personen im Al­ter von 65 Jahren und älter bei durch­schnitt­lich 607 Eu­ro Bruttobedarf3 (Informationsdienst für Al­tersfragen 2009).

In Nie­der­sach­sen erhielten im Jahr 2008 42.444 Über-64-Jährige Grundsicherung im Al­ter (2,6%). Dem­zu­folge lebten 12% der Rent­ne­rin­nen und Rentner4 im Jahr 2009 in Nie­der­sach­sen un­ter der Ar­muts­ri­si­ko­gren­ze von 60% des durch­schnitt­lichen Nettoeinkommens. Die niedersächsische Ar­muts­ri­si­ko­quote der Gesamtbevölkerung lag 2009 bei 14,6% (LSKN 2010a, LSKN 2010b).

Das verfügbare Einkommen pro Kopf der Ge­samt­bevölkerung lag im Jahr 2007 in Nie­der­sach­sen mo­nat­lich bei durch­schnitt­lich 1.474 Eu­ro und da­mit 3,9 Prozentpunkte un­ter dem Bun­des­durch­schnitt, wo­bei regionale Un­ter­schie­de zu be­ach­ten sind. Das niedrigste Einkommen der privaten Haushalte war mit 1.401 Eu­ro in der Re­gi­on We­ser-Ems verfügbar, das höchste Einkommen in der Re­gi­on Lü­ne­burg (vgl. Abb. 2). Ebenfalls las­sen sich die Un­ter­schie­de auf Kreisebene be­le­gen. Mit mo­nat­lich verfügbaren 1.273 Eu­ro steht der Landkreis Aurich am un­teren En­de der Ska­la; es fol­gen Wittmund mit 1.297 Eu­ro und das Ems­land mit 1.304 Eu­ro. Die höchsten Ein­kommen ste­hen im Landkreis Verden (1.653 Eu­ro) in Cel­le (1.684 Eu­ro) und in Harburg (1.825 Eu­ro) zur Ver­fü­gung (LSKN 2010b).

Ein Blick auf die Streu­ung der Einkommen in Nie­der­sach­sen nach Al­ters­grup­pen (vgl. Tab. 1/Abb. 3) bildet die Ein­kom­mens­ver­hält­nis­se bzw. -un­terschiede in Nie­der­sach­sen genauer ab. Demnach ver­fü­gen et­was mehr als ein Viertel der 60-Jährigen und Älteren über ein mo­nat­liches Net­to­ein­kom­men von mehr als 1.500 Eu­ro. Fast die Hälfte die­ser Al­ters­grup­pe hat mo­nat­lich zwischen 700 und 1.500 Eu­ro. Ein mo­nat­liches Net­to­ein­kom­men von un­ter 700 Eu­ro hat ein Viertel der über 59-jährigen Be­völ­ke­rung.

Tab. 1/Abb. 3 zei­gen ei­ne abnehmende Einkommensposition für die Al­ters­grup­pe 60+. Für die Zu­kunft ist zu vermuten, dass sich die Einkommensun­terschiede er­heb­lich verstärken wer­den und da­mit die Einkommensverteilung im Al­ter deut­lich ungleicher wird. Im Vergleich zur allgemei­nen Ein­kom­mens­ent­wick­lung in Deutsch­land haben die Älteren be­reits in den letzten Jahren relative Ein­kom­mens­ver­lus­te hinnehmen müs­sen, d. h. ih­re Einkommenszuwächse lagen un­ter den Zuwächsen im ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Durch­schnitt. Hier er­ge­ben sich An­zei­chen für ei­ne Ab­kopp­lung des Einkommens der Älteren von der durchschnittlichen Einkommensentwicklung (Tesch-Römer/Wurm 2009), wie sie auch be­reits von der Sachverständigenkommission für den 5. Be­richt zur La­ge der älteren Ge­ne­ra­ti­on in Deutsch­land im Jahr 2005 für die Zu­kunft prognostiziert wurden. Die Kom­mis­si­on sagte be­reits ei­ne allgemei­ne Veränderung der Einkommenslage älterer Menschen voraus, die al­le Bereiche um­fas­sen wird, d. h. so­wohl das Ni­veau und die Verteilung der Einkommen als auch die Zu­sam­men­set­zung der Einkommen nach Einkunftsarten (BMFSFJ 2005). In die gleiche Rich­tung ge­hen Be­rech­nung­en der OECD, die ei­ne Veränderung der künftigen Al­tersarmut we­gen der an­stei­genden Zahl der Nie­drig­ein­kom­men vorhersagen. Prognostiziert wird, dass die An­zahl notwendiger Beitragsjahre, die er­for­der­lich sein wer­den, um ei­ne Rentenhöhe auf Grundsicherungsniveau zu er­rei­chen, bis 2030 er­heb­lich an­stei­gen wird (vgl. Abb. 4).

Das Ri­si­ko heutiger und künftiger Altersarmut tra­gen vor allem Menschen, de­nen es aus ge­sund­heit­li­chen Gründen und/oder auf Grund der Ar­beits­markt­lage nicht mög­lich ist, lange ge­nug im Erwerbsleben zu blei­ben. Die seit den 1990er Jahren ansteigende Zu­nah­me von atypischen Be­schäf­ti­gung­en, wie Teilzeitbeschäftigungen, ge­ring­fü­gi­gen und befristeten Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen, die im Übrigen für 54 % der weib­li­chen Ar­beit­neh­me­rin­nen die Re­gel sind, führt be­reits heute zu prekären Le­bens­si­tua­tio­nen bei den Be­trof­fe­nen und wird künftig die Al­ters­ein­künf­te min­dern, da kaum finanzieller Spielraum für private Vorsorge ge­ge­ben ist. Daher besteht künftig ein erhöhtes Armutsrisiko für Personen, die

  • über längere Phasen teilzeiterwerbstätig waren,
  • ein Niedrigeinkommen bezogen haben,
  • erwerbslos waren oder
  • Phasen der Selbständigkeit mit Einkünften im unteren Bereich aufweisen (vgl. Abb. 2.16).

Frauen könnten zu­künf­tig we­gen die­ser Teilzeiterwerbstätigkeit so­wie der noch im­mer geringeren Lohn­zah­lungen im Vergleich zu Männern und we­gen Kindererziehungs- und Pflegezeiten zu den be­son­ders Be­trof­fe­nen ge­hö­ren (AVID 2007, Bogedan/Rasner 2008).

Vertiefende Literatur zum Thema:

  • BOGEDAN, C./RASNER, A. 2008: Arbeitsmarkt x Rentenreformen = Altersarmut? In: WSI-Mit­tei­lun­gen, Monatszeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung, 3.
  • MENNING, S./HOFFMANN, E./ENGSTLER, H. 2009: Sozialleistungen für ältere Menschen - die Situation nach der Reform des Sozialhilferechts. In: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hg.): GeroStat-Beitrag im „Informationsdienst Altersfragen“, Heft 02.
  • RICHTER-KORNWEITZ, A. 2009: „Das Problem ist der graue Alltag…“ Armut, Alter und Gesundheit heute. In: ProAlter. Fachmagazin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe 4, 7-16.

1 Im Rahmen der For­schung wurden unterschiedliche Konzepte entwickelt, die zur Ar­mutsmessung herangezogen wer­den kön­nen. Besonders weit verbreitet sind der Ressourcenansatz und der Un­ter­ver­sor­gungs­an­satz (Lebenslagenansatz). Nach dem Ressourcenansatz wird Ar­mut als ei­ne Un­ter­aus­stat­tung mit monetären Ressourcen aufgefasst, zu deren Mes­sung in der Re­gel das verfügbare Ein­kom­men herangezogen wird. Dazu wer­den verschiedene Ein­kom­mens­gren­zen als Ar­mutsschwellen dis­ku­tiert. Im Rahmen der „Offenen Me­tho­de der Ko­or­di­nie­rung“ (OMK) entschied man sich dann EU-weit für die 60%-Grenze. Nach die­ser Defi nition gilt heute als arm, wer die 60%-Grenze des durch­schnitt­lichen Ein­kom­mens (60%-Me­dian­ein­kom­men) der jeweiligen Be­völ­ke­rung unterschreitet.
2 Die Grundsicherung im Al­ter umfasst den Re­gel­satz so­wie die Kosten für Un­ter­kunft und Heizung, evtl. anfallende Beiträge für Kranken- und Pflegekasse und Mehr­be­darf.
3 Davon wird das anzurechnende Einkommen von durch­schnitt­lich 274 ab­ge­zo­gen. Der Nettoanspruch lag 2006 in die­ser Al­ters­grup­pe bei 433 Eu­ro.
4 Hierzu zäh­len Personen mit ei­ner eigenen (Versicherten-)Ren­te, Pen­si­on und Personen im Al­ter von 65 Jahren und älter mit Be­zug ei­ner Hinterbliebenenrente, -pension.

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