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27.09.2023

Veranstaltungsbericht: „Brücken bauen für gesundes Altern" – Pflegeeinrichtungen im Quartier

Lernwerkstatt auf Basis der Good Practice-Kriterien des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit – ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung

Daniel Franz, Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung

Schlagwörter:Ältere, Bericht, Gesundheitliche Chancengleichheit, Gesundheitsförderung, Good Practice, Pflege, Qualitätsentwicklung, Quartier, Setting, Werkstatt

Die diesjährige Lernwerkstatt der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg am 5. Juli 2023 im Forum Ohlsdorf konzentrierte sich auf das Good Practice-Kriterium „Setting-Ansatz“. Im Fokus stand das Zusammenspiel von Pflegeeinrichtungen und den Quartieren, in denen sie liegen.

Insbesondere für hochaltrige Menschen sind Pflegeeinrichtungen ein typischer Lebensort. 35% der über 90-jährigen leben in vollstationären Einrichtungen der Pflege (Statistisches Bundesamt 2023). Aufgrund ihrer Lebenssituation, aber auch der bestehenden gesundheitlichen Einschränkung sind sie besonders vulnerabel. Pflegeeinrichtungen wirken häufig wie „Settings für sich“, selbst wenn sie räumlich gut in den Stadtteil integriert sind. Nach wie vor gibt es Einrichtungen, die durch eine Binnenzentrierung – also eine Konzentration auf die Abläufe und Geschehnisse in der Einrichtung – gekennzeichnet sind. Umgekehrt gibt es auf Seiten der Quartiere den Effekt, dass die Bewohner:innen der Einrichtungen kaum als dem Stadtteil zugehörig wahrgenommen werden. Daher bietet eine Öffnung ins Quartier (und umgekehrt auch eine Öffnung des Quartiers für die Pflegeeinrichtung) großes Potenzial für Angebote der Gesundheitsförderung mit dem Fokus auf eine verbesserte Teilhabe der Bewohner:innen.

An dieser Thematik setzte die diesjährige Lernwerkstatt an. Wir wollten uns mit der Frage befassen, wie es gelingen kann, Pflegeeinrichtungen und ihre Quartiere besser miteinander zu verbinden. Zentrale Fragen waren:

  • Wie lassen sich Angebote so gestalten, dass sie die Menschen dort erreichen, wo sie leben?
  • Welche Besonderheiten gibt es beim Zugang zu Pflegeeinrichtungen? Wie lassen sich diese überbrücken?
  • Wie können wir die Kooperation zwischen Quartier und Pflegeeinrichtung besser gestalten, damit konkrete Angebote zur Gesundheitsförderung etabliert werden können und mehr Teilhabe möglich wird?

Am 7. Juli 2023 kamen 15 Teilnehmende in der KapelleEINS im Forum Ohlsdorf zusammen, um sich diesen Fragen zu widmen. Neben Mulitplikator:innen aus den Bereichen Senior:innen-Arbeit, Bewegung, Hospiz-Arbeit, Stadtentwicklung, Bürger-Engagement im Quartier, pflegende Angehörige und der Selbsthilfe nahmen auch Vertreter:innen der Sozialbehörde und der Krankenkassen an der Veranstaltung teil.

Die Zeichen für die Veranstaltung standen bereits am Morgen „auf Sturm“ – und zwar buchstäblich: Eine Unwetterwarnung zwang den Veranstaltungsort zur Mittagszeit zu schließen. Gemeinsam mit den Teilnehmenden verständigten wir auf eine Fortführung der Werkstatt unter veränderten Bedingungen. Der Vormittag war gefüllt mit zwei Inputs:

  • Henrieke Franzen von der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Hamburg stellte das Good Practice-Kriterium „Setting-Ansatz“ und dessen Einbettung in die Good-Practice Kriterienkatalog vor. Sie betonte dabei das Zusammenspiel von Verhaltens- und Verhältnisebene sowie die Notwendigkeit der Beteiligung der jeweiligen Adressat:innen vor Ort. Strukturell ergänzt werden müssen diese inhaltlichen Anforderungen durch eine professionelle (und auch entsprechend finanziell und personell ausgestattete) Koordination.
  • Nina Bastian von der contec GmbH stellte ihre Arbeit im Projekt Mit.Menschen vor, in dem Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen mit engagierten Menschen aus dem Quartier zusammengebracht werden. Ihre Präsentation konzentrierte sich dabei auf das konkrete Vorgehen an den Standorten in Bochum und Hamburg-Harburg. Sie teilte Ihre Erfahrungen von der Kontaktaufnahme über die Etablierung eines Kernnetzwerkes und eines erweiterten Kreises von Unterstützer:innen bis hin zur Ergebnissicherung und Übertragbarkeit auf andere Projekte.

Ein dritter geplanter (Online-)Input der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleicht Thüringen zu ihrem Projekt Öffnung von stationären Altenpflegeeinrichtungen in den Sozialraum Quartier konnte aufgrund der stürmischen Bedingungen vor Ort nicht stattfinden.

Dank des schnellen Einsatzes des Veranstalters vor Ort (Ohlsdorf – Der Park) konnte der zweite Teil der Lernwerkstatt nach einer gemeinsamen Mittagspause dann in einem nahegelegenen Café weitergeführt werden. Ausgerüstet mit einer Minimalausstattung von Flipchart und Moderationskoffer erfolgte zuerst eine nachgeholte und ausführlichere Vorstellungsrunde. Bereits diese eröffnete eine Vielzahl an Schnittstellen und sich überschneidenden Anliegen der Teilnehmenden. Abschließend wurde gemeinsam nach Brücken zwischen Pflegeeinrichtungen und Quartieren, aber – um im Bild einer „Brücke über einen Fluss“ zu bleiben – auch nach „Untiefen“ und „Stromschnellen“ gesucht. Klar identifizieren ließen sich als Brücken:

  1. Als ersten Schritt eine Pflegeeinrichtung zu finden, die Interesse an einem solchen Vorhaben hat. Dies erweist sich als Schlüssel für das weitere Vorgehen, um andere Akteur:innen zu gewinnen.
  2. In der Folge spezifische Ansprechpartner:innen in den Einrichtungen zu haben, um einen verlässlichen Austausch zu gewährleisten. Im besten Fall gehört das Thema „Quartier“ explizit zum Aufgabenbereich dieser Fachkräfte.
  3. Ein Kern-Netzwerk von wenigen Akteur:innen zu haben, die das Projekt begleiten. Darüber hinaus gibt es ein breiteres Netz von Akteur:innen oder Unterstützer:innen, die nur punktuell aktiv werden und auch nicht an jedem Treffen teilnehmen müssen (gerade auch, um deren Ressourcen und Bereitschaft zur Mitarbeit nicht über das Maß zu strapazieren).
  4. Die Ressourcen der Pflegeeinrichtungen (z. B. Räume) zu nutzen. In der Folge können Aktivitäten aus dem Quartier (Bewegungsangebote, aber auch Chrorproben, Vereinssitzungen etc.) in der Einrichtung stattfinden. Das fördert Alltagskontakte zwischen Akteur:innen aus dem Quartier und der Einrichtung und bietet einen echten Mehrwert: Räume zum gemeinsamen Austausch ohne Konsumzwang für die Teilnehmenden sind an vielen Stellen Mangelware.
  5. Angebote der Pflegeeinrichtungen für das Quartier zu öffnen (Café, Mittagstisch, Quartiersflohmarkt, haushaltsnahe Dienstleistungen über einen angeschlossenen Verein). Das baut Berührungsängste auf Seiten des Quartiers ab und bietet insbesondere für Senior:innen eine Möglichkeit der ersten Annäherung.

Neben den Brücken identifizierten die Teilnehmenden auch Untiefen oder Stromschnellen auf diesem Weg:

  1. Die zurzeit im Bereich der Gesundheitsförderung und Pflege häufig vorzufindende Form der Projektfinanzierung erweist sich als hinderlich. Sie bindet Ressourcen bei den Beteiligten und erweist sich oft als nicht nachhaltig.
  2. Das Auffinden engagierter und interessierter Pflegeeinrichtungen ist oft eine Hürde für Akteur:innen, die selber nicht aus der Pflege kommen.
  3. Das Auffinden von Schlüsselpersonen ist keine triviale Aufgabe – sowohl in den Pflegeeinrichtungen als auch in den Quartieren.

Etwas früher als geplant machten sich die verbleibenden Teilnehmer:innen auf den Heimweg durch stürmisches Hamburger Wetter. Alles in allem: Eine ungewöhnliche, aber sehr lohnenswerte Veranstaltung!

Die komplette Veranstaltungsdokumentation finden Sie auf der Veranstaltungsseite der HAG.

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