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21.02.2013

Segregation, Konzentration, Polarisierung - sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten 2007-2009

Rezension des Difu-Impulspapiers

Maren Janella, Gesundheit Berlin-Brandenburg

Schlagwörter:Armut, Erwerbslosigkeit, Migration, Sozialraum, Studie

In Städten dif­fe­ren­zie­ren sich Stadtteile im­mer wei­ter aus und ent­mi­schen sich in zunehmendem Maße, und es wird vielerorts ei­ne Tendenz zur Po­la­ri­sie­rung zwi­schen den wohlhabenden und ärmeren Stadt­tei­len beschrieben. Diese Trends konnten je­doch bislang nicht flä­chen­de­ckend für ein gesamtes Stadt­ge­biet oder im Vergleich zwi­schen unterschiedlichen Städten quantifiziert wer­den. Um die Fra­ge zu be­ant­wor­ten, ob es ei­ne ungleiche Verteilung einzelner Be­völ­ke­rungs­grup­pen im Städ­te­ver­gleich gibt, hat das Deut­sche In­sti­tut für Ur­ba­nis­tik (DIFU) in Ko­o­pe­ra­ti­on mit res Urban Ber­lin und finanziert über das Mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft,  Ener­gie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen das Pro­jekt „kleinräumiger Städ­te­ver­gleich“ um­ge­setzt. Ziel war es hierbei, an­hand der Indikatoren „Ar­beits­lo­sig­keit“, „Kin­der­ar­mut“ und „Be­völ­ke­rung mit Mi­gra­tions­hin­ter­grund“ kleinräumige Ent­wick­lungs­ten­den­zen städte­über­grei­fend zu be­trach­ten. Am Pro­jekt haben 19 Städte teilgenommen. Diese wurden auf Ba­sis klein­räu­miger Gebiets(neu)zuschnitte (1.717 Teil­ge­bie­te) verglichen.

Dies erfolgte an­hand der Fra­ge­stel­lung, wie sich die Teilgebiete der Städte im Verhältnis zu­ei­nan­der ent­wi­ckeln und ob ei­ne Po­la­ri­sie­rung zwi­schen den Teilräumen stattfindet.

Methodisch wurde hierfür ei­ner­seits ei­ne Sy­nop­se über die be­steh­en­den Monitoringsysteme zur so­zia­len Stadtentwicklung in den am Pro­jekt teilnehmenden Städte erstellt. Andererseits wurde die Ver­füg­bar­keit und Verwendbarkeit bestehender kleinräumiger Datensammlungen geprüft so­wie ein For­schungs­de­sign für stadt­ver­gleichende Ana­ly­sen der Po­la­ri­sie­rung von Le­bens­la­gen und Se­gre­ga­ti­on entworfen.

Um Aspekte der Se­gre­ga­ti­on, der Kon­zen­tra­ti­on und der Po­la­ri­sie­rung herausarbeiten zu kön­nen, wur­den die genannten Indikatoren „Ar­beits­lo­sig­keit“, „Kinderarmut“ und „Be­völ­ke­rung mit Mi­gra­tions­hin­ter­grund“ diesbezüglich und fol­gen­der­ma­ßen untersucht:

  • Segregation - De­fi­ni­ti­on und Er­he­bung: Berechnet nach dem Segregationsindex (SI), die­ser misst die ungleiche räumliche Verteilung von Bevölkerungsmerkmalen und drückt diese in einer Zahl für die Gesamtstadt aus. Der Segregationsindex betrachtet die Verteilung einer nach einem beliebigen Merkmal definierten Personengruppe in einem Gesamtgebiet, hier der Stadt. Er nimmt Werte von 0 bis 100 an, wo­bei 0 einer völlig gleichmäßigen Verteilung der Teilgruppen über al­le Teilräume entspricht.
  • Konzentration - De­fi­ni­ti­on und Er­he­bung: Berechnet nach dem Lokalisationsquotienten (LQ), die­ser wird für jeden Teilraum ei­ner Stadt berechnet und zeigt an, wie stark sich bestimmte Be­völ­ke­rungsgruppen in einzelnen Teilräumen kon­zen­trie­ren. Dazu wird der An­teil der untersuchten Be­völ­ke­rung an der Be­völ­ke­rung im Teilraum ins Verhältnis zu ihrem An­teil an der Be­völ­ke­rung in der Gesamtstadt ge­setzt. Liegt der LQ bei­spiels­wei­se bei > 1,0 so besteht ei­ne starke Kon­zen­tra­ti­on (d.h., die Be­völ­ke­rungsgruppe ist im Teilraum stärker repräsentiert, als sie es bei Gleich­ver­tei­lung in der Gesamtstadt wä­re).
  • Polarisierung - De­fi­ni­ti­on und Er­he­bung: Berechnet durch das Distanzmaß (DM) über die Dif­fe­renz zwi­schen dem lokalen und dem städtischen Ni­veau (städtischer Durch­schnitt). Auf diese Wei­se lässt sich er­mit­teln, wie sich die Po­si­ti­on einzelner Teilräume in­ner­halb des jeweiligen städtischen Kontextes darstellt und evtl. verändert.

Zusammenfassung der Ergebnisse

  • Geringe Werte der Segregation und Polarisierung nach Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und Mi­gra­tions­hin­ter­grund weisen die Städte Frankfurt/Main, München, Stuttgart, Karlsruhe auf. Düs­sel­dorf, Hei­del­berg, Koblenz, Mannheim, Nürnberg und Saarbrücken weisen mittlere Werte bei den bereits ge­nann­ten Indikatoren und Tendenzen auf. Vergleichsweise hohe Werte finden sich hingegen in Ber­lin, Bremen, Dortmund, Hamburg, Halle, Köln und Leipzig.
  • Die Arbeitslosenziffern sind, mit Ausnahme von Bremen, Hamburg, Mannheim und München, in allen beteiligten Städten rückläufig. In 16 der 19 untersuchten Städte gehen Segregation und Polarisierung zurück (kein statistischer Zusammenhang zwischen Quote und Indizes), Ausnahmen bilden: Düsseldorf, Oberhausen und Karlsruhe.
  • Bei der Kinderarmut gibt es in allen Städten ein vergleichsweise hohes Ausgangsniveau (15 Prozent in Karlsruhe und  37 Prozent in Berlin) und die Segregation steigt, mit Aus­nah­me von Halle, Karls­ruhe und Oberhausen, in allen untersuchten Städten an. Das Ausmaß der Polarisierung geht hin­ge­gen in der Hälfte der Städte zurück und steigt in der anderen Hälfte weiter an. In Gebieten mit bereits niedriger Kinderarmut sinken die Werte im Un­ter­su­chungs­zeit­raum weiter ab, während in Stadt­tei­len mit einem bereits hohen Niveau an Kinderarmut diese hingegen weiter ansteigt. Dif­fe­ren­ziert nach Lagetypen zeigt sich da­rü­ber hin­aus ein deutliches „Innenstadt-Stadt­rand-Ge­fälle“ hinsichtlich der Entwicklung der Kinderarmut. Während auffällig positive Entwicklungen vor allem in der Innenstadt verortet sind, finden negative Entwicklungen überwiegend am Stadtrand statt. Aufwertungsprozesse vollziehen sich demnach überwiegend in zentraler Lage, und soziale Probleme verlagern sich suk­zes­sive an den Stadtrand.   
  • Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund hat in fast allen Städten zugenommen, gleiches gilt für die Segregation und Polarisierung. Stadträume mit einem hohen Anteil an einer Bevölkerung mit Migrationshintergrund sind in den meisten Städten zur Normalität geworden. Viertel, in denen ein spezifischer Migrationshintergrund eine größere Bedeutung (Anteil von mehr als 20 Prozent) hat sind jedoch sehr selten.
  • Bei der Segregation und Polarisierung von Arbeitslosen ist insgesamt eher ein Rückgang fest­zu­stellen.
  • Bei der Kinderarmut hingegen steigen Segregation und Polarisierung oder stagnieren auf hohem Niveau.

Handlungsempfehlungen

Die Projektergebnisse haben gezeigt, dass die soziale Spaltung der Städte Re­a­li­tät ist und wei­ter zunimmt. Daraus er­ge­ben sich folgende Hand­lungs­empfeh­lun­gen:

1. Sozialräumliche Entwicklungen müssen dauerhaft beobachtet werden

Eine sinnvolle Mög­lich­keit hierfür wä­re die Ein­rich­tung ei­nes sozialräumigen Sozialmonitorings, als besondere Form der Be­richt­er­stat­tung, die ei­ne flächendeckende und kontinuierliche Er­he­bung von Strukturdaten zur sozialen Zu­sam­men­set­zung der Be­völ­ke­rung und Le­bens­be­din­gung­en in Stadtteilen umfasst.

2. Gebiete mit mehrfacher sozialer Belastung müssen unterstützt werden

Dies gilt ins­be­son­de­re für Gebiete, in de­nen der An­teil sozio-ökonomisch benachteiligter Bevölkerungsgruppen dau­er­haft hoch bleibt bzw. steigt. Umgesetzt wer­den sollte dies z.B. durch komplementäre Programme auch anderer Ressorts (Bil­dung, Ar­beit, Ge­sund­heit, Ju­gend), über die Städtebauförderung hinaus.

3. Das Leben und Wohnen muss in der gesamten Stadt ermöglicht werden

Soziale, demographische und wirtschaftliche Ent­wick­lung­en sind gesamtstädtisch im Sinne einer solidarischen Politik für die Gesamtstadt zu steu­ern. Be­nach­tei­lig­te Quartiere sind zu stär­ken, oh­ne dass da­durch Probleme an anderer Stel­le neu ent­ste­hen, et­was in­dem Aufwertungsprozesse in Quartieren mit problematischer So­zi­al­struk­tur zu Verdrängung und zu einer neuerlichen Kon­zen­tra­ti­on von sozialen Problemen an anderer Stel­le füh­ren.

Sozialräumliche Se­gre­ga­ti­on und Po­la­ri­sie­rung kön­nen an­hand kleinräumiger Da­ten in­ner­halb einer Stadt und städteübergreifend erfasst wer­den. Die Pu­bli­ka­ti­on des Projektes „kleinräumiger Städ­te­ver­gleich“ ist beim DIFU er­hält­lich.

Dohnke, J.; Seidel-Schulze, A.; Häußermann, H. (2012): Segregation, Kon­zen­tration, Polarisierung - sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten 2007 - 2009. Difu-Impulspapier. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik (DIFU). 135 Seiten. ISBN 978-3-88118-507-3, Preis: 18 Euro.

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