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29.06.2016

Den eigenen Körper kennen, schätzen und schützen lernen!

Die Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. unterstützt junge Menschen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden.

Heike Kramer, Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V.

Schlagwörter:Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsbildung, Gesundheitskompetenz, Kinder

Ärztinnen der Ärztlichen Ge­sell­schaft zur Ge­sund­heits­för­de­rung e. V. (ÄGGF) en­ga­gie­ren sich seit mehr als 60 Jahren an Schulen für die Ge­sund­heit von Heranwachsenden und deren Um­feld. Aktuell in­for­mie­ren 75 Ärztinnen u.a. bei Fra­gen und Unsicherheiten zur sexuellen und reproduktiven Ge­sund­heit, zu Imp­fung­en und Krebs­früh­er­ken­nung.

Fehlendes Ge­sund­heitsbewusstsein bei Jugendlichen

Jedes Jahr kom­men über 600.000 Ju­gend­li­che in die Pu­ber­tät. Leider wis­sen viele von ih­nen nicht, wie kost­bar die eigene Ge­sund­heit ist und welchen Risiken sie diese oft­mals aus­set­zen. Ungeschützter Ge­schlechts­ver­kehr, riskanter Um­gang mit Al­ko­hol, Ni­ko­tin oder anderen Drogen so­wie feh­lende Imp­fung­en sind nur Beispiele einer Rei­he möglicher Ge­fah­ren. Gleichzeitig gehört es zur Ent­wick­lung, dass Ju­gend­li­che sich in der Pu­ber­tät häufig von den guten Ratschlägen sei­tens Eltern und Lehrkräften zu­rück­zie­hen. Da auch ein Arztbesuch oft als un­nö­tig erachtet wird, feh­len kompetente An­sprech­part­ner für ih­re Fra­gen.

Kom­pe­tenz und Vertrauen als Lösungsweg

Mädchen und Jun­gen brau­chen kompetente, empathische und neutrale Ge­sprächs­part­ner. Die Ärztinnen der ÄGGF sind hierzu be­son­ders ge­eig­net, weil sie die komplexen Zusammenhänge von Ge­sund­heit und Krankheitsrisiken in besonderer Wei­se über­bli­cken. Sie kön­nen sich fle­xi­bel und mit aus­rei­chend Zeit unterschiedlichster Fra­ge­stel­lung­en an­neh­men. Dabei wer­den sie meist als glaubhafter, neutraler und verschwiegener wahrgenommen als z. B. Eltern oder Lehrende. Als berufs- und familienerfahrene Ärztinnen ge­nie­ßen sie - über al­le Al­ters­grup­pen hinweg - ein besonderes Maß an Vertrauen.

Wirkungsort der ÄGGF: Die Schule

Bundesweit wer­den durch die ÄGGF jähr­lich in über 4500 Ver­an­stal­tung­en à 90 Mi­nu­ten mehr als 85.000 Teilnehmende vorwiegend in Haupt-, Real- und Ge­samt­schu­len, aber auch in Grund- und Förderschulen, so­wie Gymnasien und Be­rufs­schu­len erreicht. Die aufsuchende, sozialkompensatorische Vorgehensweise bietet ei­nen direkten und be­son­ders effektiven Zu­gang zu Schü­le­rin­nen und Schülern aller Al­ters­grup­pen. Darüber hinaus kommt der ärztlichen Auf­klä­rung im Klassenverband zu­gu­te, dass Ju­gend­li­che ei­ne positive Ein­stel­lung zur Grup­pe haben und des­halb gruppenspezifische Lernprozesse genutzt wer­den kön­nen.

Hilfe zur Selbsthilfe

ÄGGF-Informationsstunden die­nen als Brücke zu den Angeboten des Gesundheitssystems. Die Ziel­grup­pen ler­nen „diversityorientiert“ über ih­re Bedürfnisse, Unsicherheiten und Sor­gen zu sprechen. Zur Stär­kung der eigenen Handlungskompetenz wird ge­mein­sam mit den Ju­gend­li­chen erarbeitet, wo und wie sie sich bei welchen Fra­gen und Problemen weiterführende Hilfe holen kön­nen und sollten. Die direkte An­spra­che so­wie die Mög­lich­keit zu persönlichen Fra­gen sind hierbei von zentraler Be­deu­tung. Ein weiteres wichtiges Ele­ment der ÄGGF-Arbeit ist in diesem Zu­sam­men­hang, das Um­feld der jun­gen Menschen miteinzubeziehen und eben­falls zu schu­len. Angesprochen wer­den Eltern, Lehrkräfte, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, so­wie an­de­re Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. So kön­nen Heranwachsende auch über die ÄGGF-Stunden hinaus unterstützt wer­den.

Nachhaltigkeit durch Kontinuität und Qualität

Nach Mög­lich­keit wer­den die Ju­gend­li­chen durch Pu­ber­tät und Ado­les­zenz begleitet, in­dem sie mehr­fach in ih­rer Schullaufbahn besucht wer­den. Dabei wer­den Inhalte und Themen dem Al­ter, so­wie Entwicklungs- und Wis­sens­stand an­ge­passt. Zusätzlich wird auf ei­ne kultursensible Vermittlung geachtet. Die ÄGGF stellt hohe An­for­de­rung­en an ih­re Qualitätssicherung. Die Informationsstunden sind auf dem aktuellen Stand der Wis­sen­schaft und die didaktischen Materialien pro­fes­si­o­nell aufbereitet. Die Ärztinnen wer­den geschult, er­hal­ten lau­fend wissenschaftliche Wei­ter­bil­dung­en und wer­den supervidiert. Sämtliche ÄGGF-Veranstaltungen wer­den für weitere Aus­wer­tung­en in ei­ner eigenen Da­ten­bank protokolliert.

Anhaltend große Nachfrage

Über 90 Pro­zent der besuchten Schulen la­den die Ärztinnen re­gel­mä­ßig wie­der ein. Die ÄGGF hat im Laufe ihres Bestehens über zwei Millionen Ju­gend­li­che erreicht. Vertrauen, In­te­res­se und Be­geis­te­rung der Schü­le­rin­nen und Schü­ler so­wie der Lehrkräfte und Eltern ma­chen den Er­folg in der täglichen Ar­beit spür­bar.

Starke Projektpartner

Da sich Ziele ge­mein­sam bes­ser er­rei­chen las­sen, kooperiert die ÄGGF so­wohl in ihren regionalen als auch bun­des­wei­ten Projekten re­gel­mä­ßig mit kompetenten Partnern: Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ge­sund­heit (BMG), Bun­des­zen­tra­le für ge­sund­heit­liche Auf­klä­rung (BZgA), Bayerisches Ge­sund­heitsministerium, Kran­ken­kas­sen, regionale Krebsgesellschaften etc. Hierbei gibt es unterschiedliche Projekte so­wohl für spezielle Ziel­grup­pen (Mäd­chen und junge Frauen, Jun­gen und junge Männer, Migrantinnen) als auch zu gezielten Themen (Krebs- und Krebs­früh­er­ken­nung, Imp­fung­en, Fetales Alkoholsyndrom, ungeplante Schwan­ger­schaft, STI, Kontrazeption).

Neu: ÄGGF-Jungenarbeit

Jun­gen ab der Pu­ber­tät gel­ten heute oft als Verlierer der Ge­sell­schaft. Nicht nur, weil Mäd­chen ih­nen meist in Be­zug auf Kommunikations- und Anpassungsfähigkeit bzw. Leistungsbereitschaft über­le­gen sind, son­dern auch, weil sie bei der Be­wäl­ti­gung der pubertären Entwicklungsaufgaben (z.B. Erlangung einer männlichen Körperidentität/Ge­stal­tung sexueller Beziehungen) weit­ge­hend sich selbst über­las­sen sind und sich größeren Gesundheitsrisiken aus­set­zen. Oft wis­sen Jun­gen im Ge­gen­satz zu Mäd­chen nicht, wie und an wel­chen Arzt/wel­che Ärz­tin sie sich bei Fra­gen wen­den kön­nen. Bestehende gesundheitsrelevante An­ge­bo­te nut­zen sie ent­spre­chend seltener. Aus Angst, „un­männ­lich“ zu wir­ken, scheu­en sie sich, den eigenen Körper betreffende Fra­gen und Unsicherheiten zu äu­ßern.
Da es bis­her in Deutsch­land kein Pro­jekt der ärztlich-begleitenden Jun­gengesundheitsförderung in Schulen gab, erweiterte die ÄGGF in den letzten Jahren ih­re Ärztinneninformationsstunden für Mäd­chen durch neue Unterrichtseinheiten und didaktische Materialien für Jun­gen der Klassen 4-13. In diesem Rahmen wurden zum Bei­spiel 2014-2016 mit dem wis­sen­schaft­lich begleiteten und evaluierten bayerischen ÄGGF-Pro­jekt „Vom Jun­gen zum Mann - Gesund er­wach­sen wer­den“ 8221 Jun­gen aller Schultypen inkl. Be­rufs­schu­le in den genannten Klassenstufen erreicht.

Ziel der ÄGGF- Jungenarbeit

Ziel des Projektes war ei­ne genderorientierte Gesundheitsbildung, -förderung und Prä­ven­ti­on mit ei­nem Fo­kus auf Jun­gen aus bildungsfernen Milieus und/oder mit Migrationshintergrund. Der Schwer­punkt lag auf vertraulichen Gesprächen und wertschätzenden, altersgerechten Antworten auf drängende, oft schambesetzte Fra­gen: z. B. Pu­ber­tät, zeitgerechte körperliche Ent­wick­lung, Se­xu­a­li­tät, Verhütung, sexuell übertragbare Infektionen, Frucht­bar­keit, Schwan­ger­schaft, sexuelle Ori­en­tie­rung, genderbedingte Unterschiede oder Mög­lich­keit­en der Prä­ven­ti­on von Krank­heit­en. Dabei wurde auch im­mer der verantwortungsvolle und gesundheitsförderliche Um­gang mit sich und anderen in diesen Zusammenhängen thematisiert.
Gefördert wurde die­ses Pro­jekt der entwicklungsbegleitenden und kultursensiblen ärztlichen Informationsgespräche für Jun­gen zur Ge­sund­heits­för­de­rung und -bildung so­wie För­de­rung der partnerschaftlichen und sexuellen So­zi­al­kom­pe­tenz vom Bayerischen Staatsministerium für Ge­sund­heit und Pflege-Gesund.Leben.Bay­ern. Wie schon 2002 in einer Eva­lu­a­ti­on des Ro­bert Koch-Instituts, bescheinigt auch die aktuelle Eva­lu­a­ti­on der TU Chem­nitz für die Jun­genstudie den Ärztinnen-Informationsstunden einen "signifikanten Er­folg" hinsichtlich Wissenszugewinn (32 Pro­zent) und För­de­rung positiver Ein­stel­lung­en, so­wie Ak­zep­tanz der Ärztinnen als Ansprechpartnerinnen (No­te 1,6) (Tab. 1).
 

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