Im Projektzeitraum September 2003 bis August 2006 und die Aktivitäten darüber hinaus, die sich regelhaft entwickelt haben.
Der Verein erarbeitete ein settingorientiertes Konzept mit folgenden sieben Modulen:
Ernährung, Bewegung, Entspannung versus Gewalt, Umwelt, Impfungen, Gesundheitsinformation und Gesundheitserziehung.
Diese Module sind aufeinander bezogen und die Inhalte im Sinne eines ganzheitlichen Vorgehens miteinander verknüpft. Bei der Initiierung, Planung und Umsetzung der einzelnen Aktivitäten sind die Bewohnerinnen und Bewohner aktiv einbezogen, sie bestimmen was letztendlich angeboten wird, bringen ihre Wünsche und Anregungen ein, und wirken in der Planung und Umsetzung mit. Ziel ist es mit den Bewohnerinnen und Bewohnern die Kommunikation untereinander zu fördern um gemeinsame Zielvorstellungen zu entwickeln und umzusetzen. Die Grundhaltung einer bedingungslosen Wertschätzung und Parteilichkeit zeigte sich u. a. auch in der konkreten Arbeit mit dem Lebensumfeld der Kinder. Einbezogen werden für die Siedlung relevanten Akteure, wie die Kita, der Hort, die Schule, die Mütter und Väter, Kinderärztinnen und -ärzte, Sportvereine, gesellschaftliche Gruppen, Stadtteilbüro etc.. Die Planung und Umsetzung der einzelnen Aktivitäten erfolgt mit den jeweiligen Kooperationspartner. Der Verein steht mit seinem Projekt vor der Herausforderung, dass der Perspektivenwechsel und einzelne Schritte nicht unumschränkt und von allen „Netzwerkerinnen und Netzwerkern“ so vertreten wird.
Die Familien in der Siedlung wurden zu Beginn einzeln aufgesucht, um die Arbeit des Vereins vorzustellen. Es gab erste Bewohnerinnen/ Bewohnerversammlungen, bei denen das Konzept des Vereins vorgestellt wurde und bei der die Menschen ihre Wünsche zu den Angeboten des Vereins äußerten.
Als zweite Maßnahme wurde ein Snoezelenraum eingerichtet. Ein Snoezelenraum ist ein Entspannungsraum, in dem die verschiedenen Sinne durch unterschiedliche Reize angesprochen werden: Dieser ist vor allem aus der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen bekannt. Gerade für die Zielgruppe Kinder, die sehr beengt leben müssen, die keine Rückzugsmöglichkeiten haben, sich kaum auf sich selbst besinnen können, ist dieser Raum eine Insel der „Schönheit“ gegenüber dem wenig anregendem Umfeld in der Siedlung.
Parallel zur Einrichtung des Snoezelraums wurde eine ungenutzte Holzbaracke in der Siedlung zu einer Art geselligem Gesundheitshaus umgebaut. Schwerpunktmäßig soll das Gesundheitshaus von den Kindern und Jugendlichen genutzt werden. Unter der Leitung eines Architekten erbauten sechs Männer aus der Siedlung mit hohem Engagement das Gesundheitshaus.
In diesem Gesundheitshaus bietet der Verein unter Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner weitere gesundheitsfördernde Aktivitäten an.
Der Einstieg in die Ernährungsberatung wurde durch attraktive, Angebote wie die seit Beginn des Projekts im September 2003 monatlich stattfindenden Frauenfrühstücke mit integrierter Gesundheitsinformation gestaltet. Seit Beginn 2005 gibt es auf ausdrücklichen Wunsch der Männer in der Siedlung ebenfalls einmal im Monat ein Männerfrühstück. Dieses wird von einem Familientherapeuten der „Evangelischen Familienbildung“ mit Erfahrung in der Gesundheitsarbeit mit Männern begeleitet.
Bei diesem „geschlechtergetrennten“ Frühstück werden neben dem Thema „Gesunde Ernährung“, auch andere gesundheitsrelevante Bereiche diskutiert, wie z. B: Alkohol, Rauchen, Verhütung, Arbeitslosigkeit und Gewalt. Die Gespräche tragen dazu bei, dass Väter und Männer ihre Rolle als Vorbild für die Kinder reflektieren, sich mit ihren vielfältigen eigenen Erkrankungen auseinandersetzen und sich mit der eigenen Lebenssituation und ihren Zukunftswünschen beschäftigen. An den Rückmeldungen ist festzustellen, dass die angesprochenen Probleme in den Familien ankommen und zu ersten Verhaltensänderungen beitragen.
Weitere Angebote zu den einzelnen Projektmodulen:
1. Ernährung
Ernährungsergänzung:
Von einer Vollkornbäckerei wird seit Beginn des Projektes der wöchentliche Bedarf an Vollkornbrot gespendet, der in der Kita beim Frühstück verspeist wird. Schon nach einem Jahr konnte festgestellt werden, dass sich die Nachfrage nach Vollkornbrot durch die Kinder erhöht hat.
Ein Müslihersteller spendet der Kita seit Beginn des Projektes verschiedene Müslisorten aus Dinkelweizen. Auch hier ist festzuhalten, dass sich die Ernährungsgewohnheiten der Kinder verändern. „Die Mainzer Tafel“ hat für die Familien eine spezielle Ausgabestelle in der Siedlung eingerichtet. Besonders berücksichtigt wird hier der Gesundheitsaspekt der Nahrungsmittel. Das Angebot stößt bei vielen Bewohner/innen in der Siedlung auf hohes Interesse.
Weitere Veranstaltungen im Rahmen des Themenfeldes „Ernährung“ waren zwei mehrtägige Ferienfahrten mit den Kindern auf einen Bauernhof und ein Besuch der Kinder auf einem Biobauernhof, der eine kindgerechte Führung beinhaltete und der in Kooperation mit der AG“ Soziales und Umwelt“ der Mainzer Wirtschaftsjuniorinnen und –junioren statt fand. Die Pflanzung, Beobachtung und Ernte von Kürbissen auf einem Feld in Mainz mit anschließendem Halloween-Fest war eine Aktion für die jüngeren Kinder im Rahmen des Nachmittags Angebots. Weitere Aktionen für die Männer waren Angelausflüge.
Osterbacken mit Müttern und Kindern, sowie ein regelmäßiges gemeinsames Einkaufen, Kochen und Essen mit den männlichen Jugendlichen und jungen Männern gehörten auch zum Programm. Das Herstellen alkoholfreier Mixgetränke mit der Mädchengruppe für die Feste in der Siedlung (in Kooperation mit dem ASD) wurde zum festen Bestandteil.
2. Bewegung
Mit Hilfe von Sponsoren wurden verschiedene Sportartikel, wie z.B. Fußbälle, Freizeitspiele, Turnschuhe und Regenkleidung für die Kitakinder, 2 Tischtennisplatten und ein Tischfußballspiel angeschafft. In der Kita wurde eine Bewegungsbaustelle eingerichtet. Mit dieser Ausstattung wurde es möglich, über einen Sozialpädagogen für die Jungenarbeit zahlreiche Sport- und Freizeitangebote zu initiieren: Fußball, Teilnahme an Fußballwettbewerben, Wildnistage.
Für alle Kinder und Jugendlichen von ALG II- Empfängerinnen und Empfänger wurde es ermöglicht, das Sport- u. Bewegungsangebot im örtlichen Turnverein kostenlos wahrzunehmen. Seit 2006 gibt es ein besonderes Turnangebot im nahe gelegenen Kinderneurologischen Zentrum. In der Kindertagesstätte wurde gemeinsam mit der Sportjugend Rheinland-Pfalz wöchentlich ein eineinhalbstündiges Bewegungsangebot für die Kinder in der Kita angeboten. Einmal pro Woche trainierte eine feste Cheerleadermädchentanzgruppe. Ein Herbstfest im Oktober 2004 mit ca. 200 Besucherinnen und Besuchern fand unter dem Motto „Wir bewegen uns“ mit attraktiven Angeboten wie Kletterwand und Sportparcours statt. Die Wirtschaftsjunioren sponserten einen Besuch im Sinnespark Schloss Freudenberg in Wiesbaden.
3. Entspannung:
Unter Anleitung einer speziell ausgebildeten Sozialpädagogin wird insbesondere mit den Kindern der Kindertagesstätte an 3 Tagen in der Woche von 9-12 Uhr und an einem Nachmittag von 15-18 Uhr im Snoezelenraum gearbeitet.
Für Frauen findet in Kooperation mit der evangelischen Familienbildung Mainz einmal wöchentlich Yoga statt.
Es wurde eine Schifffahrt auf dem Rhein von Mainz nach Boppard mit Frauen und Kleinstkindern organisiert.
Ausblick / Bewertung / Perspektive
Mit den Aktivitäten setzt das Projekt sowohl positive Signale für die Bewohnerinnen und Bewohner in der Siedlung als auch in die umliegenden Stadtteile und das Umland. Veranstaltungen und auch positive Presseartikel sind Bestandteile einer Öffentlichkeitsarbeit gegen Vorurteile gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern der Obdachlosensiedlung.
Die Ergebnisse der Selbstevaluation zeigen, dass es zum Teil gelungen ist, den Ansatz der Pathogenese „Was macht krank?“ zu durchbrechen und den Ansatz der Salutogenese „was macht gesund, was macht stark?“ in den Vordergrund des Umgangs mit den Menschen als auch in der öffentlichen Darstellung zu rücken.“
Besucherinnen und Besucher vor Ort von Gremien, wie z. B. der Stadtrat oder der Sozialhilfeausschuss zeigten sich positiv überrascht über die Aktivierungsmöglichkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner, die begonnen haben, sich aktiv um eine Verbesserung ihrer Lebenssituationen zu bemühen. Insbesondere das Aufsuchen des Snoezelenraums, verdeutlichte Politikerinnen/Politikern und Verantwortlichen vor Ort die Bedeutung des Stärkens von Gesundheitsbewusstsein durch Schaffung von einem anregenden Umfeld.
Das Projekt ist in der Arbeit mit den benachteiligten Kindern und Jugendlichen und deren Eltern vor Ort erfolgreich.
Auf politischer Ebene wurde in der Folge unter Mitarbeit der Projektverantwortlichen vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen in Rheinland-Pfalz und den Krankenkassen ein Modellprojekt „Gesundheitsteams vor Ort“ entwickelt. Dieses Modellprojekt wurde in den Städten Mainz und in Trier installiert und hat das Ziel, die Prävention und Gesundheitsförderung bei benachteiligten Bevölkerungsgruppen voranzubringen und dazu Strategien zu erproben und bestehende Strukturen in der vernetzten Zusammenarbeit zu unterstützen.
Das Projekt wurde ausgewählt für eine durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) geförderte Modell-Evaluationsstudie. Im Rahmen dieses Projektes erfolgt eine wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse der Präventions- und Gesundheitsförderungsaktivitäten des Vereins Armut und Gesundheit e.V. in der Obdachlosensiedlung Zwerchallee durch das Bremer Institut für Präventionsforschung (BIPS) und das Institut für sozialökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt (9/2006 bis 8/2009). Dies beinhaltet die rekonstruktive Evaluation des ersten Projektes \"Gesundheit jetzt - in sozialen Brennpunkten\" und auch die Begleitung der nachfolgenden Aktivitäten. Die Ergebnisse dieser modellhaften Evaluation bilden die Grundlage für ein praxisorientiertes allgemeines Werkzeug für die Qualitätssicherung und Evidenzbasierung von Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Parallel beteiligt sich das Projekt an einer partizipativen Evaluation des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), ebenfalls eine durch das BMBF finanzierte Modell-Evaluationsstudie.