Der Baby-Führerschein-Kurs läuft über zwölf Wochen mit je zweistündigen Terminen. Jede Veranstaltung behandelt ein in sich abgeschlossenes Thema. Die durchschnittlich acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer pro Kursdurchlauf werden überwiegend von der Familienhebamme aus der Lenzsiedlung zu dem Kurs vermittelt. Diese hat Kontakt zu fast allen jungen Müttern und kann ihnen bei Bedarf den Baby-Führerschein vorschlagen. Außerdem informieren Flyer und die Stadtteilzeitung über das Projekt. Seit 2006 haben in der Lenzsiedlung nahezu 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Baby-Führerschein absolviert.
Eine Kurseinheit im Rahmen des Baby-Führerscheins ist in einen theoretischen und in einen praktischen Teil gegliedert. Eltern können sich dabei ein grundlegendes Wissen über die Entwicklung ihrer Kinder aneignen und erhalten viele Tipps und Anleitungen für den sicheren Umgang mit ihren Kindern. Dies kann dazu beitragen, dass Familien ihren Alltag besser organisieren und sich zugleich entlasten.
Veranstaltungsorte für den Kurs sind bisher Stadtteilzentren, Eltern-Kind-Zentren, Bürgerhäuser und Elternschulen. Zu Beginn jedes Treffens können die Eltern nochmals über das Thema der Vorwoche sprechen oder Fragen etwa im Zusammenhang mit persönlichen Krisen oder mit Ereignissen rund um ihr Baby einbringen. Es schließt sich ein theoretischer Teil von etwa 45 Minuten an, der ein Referat der Leiterinnen und einen Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfasst. Pro Treffen wird eines der folgenden Themen behandelt:
1. Ankommen in der Welt: Hier geht es um das Erinnern an die ersten „Lebenszeichen“ des Babys, an Schwangerschaftstest, Ultraschallaufnahmen, Kindsbewegungen bis hin zur Geburt. Es wird gezeigt, welche Anpassungsleistung ein Baby nach der Geburt leisten muss. Zudem wird das gegenseitige Kennenlernen von Eltern und Kind beschrieben und das Angewiesensein des Säuglings auf die nächsten Bezugspersonen hervorgehoben.
2. Bindung: Die Wichtigkeit einer sicheren emotionalen Bindung für die Entwicklung einer gesunden psychischen Entwicklung wird verständlich und anhand von Beispielen dargestellt. Dazu gehören auch Hinweise auf die große Bedeutung bindungsfördernder Schritte wie Körperkontakt und promptes Eingehen auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes.
3. Gefühle –„Manchmal könnte ich…“: Das Zusammenleben mit einem Baby löst nicht nur positive Gefühle aus. In dieser Kursstunde wird der Umgang mit ambivalenten Gefühlen bearbeitet. Die Eltern erhalten Techniken zur Aggressionsableitung beispielsweise mithilfe der „Wuttreppe“ aufgezeigt. Wie sich die entscheidende Bezugsperson eines Babys entlasten kann, wird ebenfalls thematisiert.
4. „Was will mir mein Kind sagen, obwohl es noch nicht sprechen kann?“: Das Baby kommuniziert vom ersten Tag an mit Gesten, Lauten und Blicken. In dieser Kurseinheit lernen Eltern, die Signale ihres Kindes richtig zu deuten.
5. Gesundheit I: Zu den Schwerpunkten dieses Themenblocks gehören die Definition von Gesundheit und Krankheit, eine Einführung in Alternative Heilmethoden und Überlegungen zum Zusammenwirken mit der Schulmedizin. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten nützliche Tipps, wie sie kleine Beschwerden mit einfachen Hausmitteln versorgen können, aber auch wann sie dringend einen Arzt aufsuchen müssen. Zudem werden anhand der mitgebrachten Impfpässe, des Impfkalenders und der U-Hefte die notwendigen Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen erklärt.
6. Gesundheit II: Im zweiten Teil des Themas geht es um Kinderkrankheiten, besonders im ersten Lebensjahr wie Neurodermitis, Fieberkrämpfe, Koliken, Durchfall, Pseudokrupp, Allergien und Asthma. Zudem wird veranschaulicht, wie schädlich das Rauchen für Kinder und Erwachsene ist und wie Kinder davor zu schützen sind. Zum Schluss gibt es eine Checkliste für die (homöopathische) Haus- und Reiseapotheke. Hier ist auch Raum für Fragen zu den Themen „guter“ Kinderarzt, Immunsystem, Hygiene, Psyche, Behinderungen, Vorsorge, Unfälle und Eltern-Kind-Kuren. Die Module Gesundheit I und II wurden bisher immer von einer Sozialpädagogin angeboten, die zugleich Kinderkrankenschwester ist.
7. Schlafen: In dieser Kurseinheit wird über Schlafrhythmen und das sog. Durchschlafen gesprochen. Ein Einschlafritual ist von Anfang an sinnvoll. Hierbei wird die Bedeutung einer gesunden und sicheren Schlafumgebung betont. Zur Vermeidung des plötzlichen Kindstods sollten Kinder im elterlichen Schlafzimmer möglichst in einem Schlafsack auf dem Rücken schlafen.
8. Ernährung: Hier werden die Vorteile des ausschließlichen Stillens in den ersten Monaten erläutert, aber auch worauf bei Flaschennahrung geachtet werden sollte und ab wann und wie Beikost verabreicht werden kann. Beim Thema Ernährung kommt es meist zum regen Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
9. Erziehung/Förderung: Die Erziehung beginnt am ersten Lebenstag und ist durch den Kontakt zu den nächsten Bezugspersonen geprägt. Babys benötigen vor allem Hinwendung, promptes Reagieren auf Signale, Ansprache und Körperkontakt. Zudem erhalten die Eltern konkrete Anregungen am Beispiel ihrer anwesenden Babys, wie sie sie durch richtiges Handling fördern können.
10. Entwicklung des Kindes: In diesem Modul wird anhand von Tabellen über die Stufen der Entwicklung gesprochen. Dabei zeigt sich, dass jedes Kind sein eigenes Entwicklungstempo hat. Zur Orientierung gibt es sogenannte Meilensteine. Wann Förderung notwendig ist, kann ein Kinderarzt bei Vorsorgeuntersuchungen feststellen.
11. Rituale und Regeln: Regeln und Rituale strukturieren den Alltag und geben Kindern und Eltern Sicherheit durch verlässliches Wiederkehren von Handlungsweisen. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer können von Regeln und Ritualen aus ihrer Kindheit berichten.
12. Loslassen, Ablösung: Die erste Ablösung vom Kind findet mit der Entbindung statt. Zunächst sind Babys komplett von ihren Bezugspersonen abhängig. In diesem frühen Stadium fällt es einigen Müttern auch schwer, ihr Kind abzugeben. Der Kurs ermutigt die Mütter, bei zu starker Anspannung Entlastung anzunehmen, um einem Aggressionskreislauf vorzubeugen. Bereits mit einem Dreivierteljahr bewegen sich die meisten Kinder eigenständig fort, um die „Welt zu entdecken“. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer kann von seinen eigenen Ablösungsprozessen berichten.
Nach einer Kaffee- und Fütter-Pause, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist für Einzelgespräche und Ad-hoc-Beratungen durch die Kursleitung nutzen, wird in dem nun folgenden praktischen Teil gemeinsam mit den Babys gearbeitet. Unter anderem vermittelt die Familienhebamme Techniken einer beruhigenden Babymassage und gibt nützliche Tipps zum alltäglichen „Handling“ des Babys. In diesem Teil werden auch verschiedene Spiele ausprobiert und Lieder gesungen, um die Bindung zwischen Elternteil und Kind zu stärken. Im Mittelpunkt stehen dabei der Spaß und die Freude am Umgang mit dem eigenen Kind.
In einer Abschlussrunde haben alle die Möglichkeit, zu reflektieren und ein Feedback zu geben, was sie an Eindrücken und Inhalten mitnehmen und welche Erwartungen sie an das Team des Baby-Führerscheins für den nächsten Termin haben. Nach der letzten Veranstaltung des Kurses werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer um eine Beurteilung des Angebotes auf Fragebögen gebeten. Diese Rückmeldungen fließen in projekteigene Berichte ein. Zudem erhalten die Eltern ein Zertifikat für die erfolgreiche Teilnahme. Das Programm zum Baby-Führerschein leiten zwei Sozialpädagoginnen und möglichst eine (Familien-)Hebamme. Dabei steht auch eine Kinderbetreuung für die Babys und bei Bedarf auch für Geschwisterkinder zur Verfügung. Zusätzlich werden zu bestimmten Themen Expertinnen und Experten von außen eingeladen. Themen rund um die Pflege des Babys bringt die Familienhebamme aus der Lenzsiedlung den Eltern nahe.
Das Team des Baby-Führerscheins unterstützt die jungen Familien auch über den Kurs hinaus und bietet verbindliche Einzelfallhilfe an. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über andere kind- und familienspezifisch unterstützende Angebote, wie Elternschulen, Mehrgenerationenhaus, Eltern-Kind-Zentren, informiert und bei Bedarf an kompetente Ansprechpartner vermittelt und ggf. dorthin begleitet (z.B. Arzt, Jugendamt). So lernen die Eltern die umfassenden Beratungs- und Hilfsangebote im Stadtteil und Sozialraum kennen. Der Baby-Führerschein trägt damit zur Integration in bestehende Nachbarschaften im Quartier bei.
Der Baby-Führerschein wird mittlerweile auch in anderen Stadtgebieten Hamburgs angeboten, so in Eimsbüttel (Niendorf, Lenzsiedlung/Lokstedt, Eidelstedt/Stellingen), Altona, Hamburg-Mitte (Horn, Billstedt) und Hamburg-Nord (Dulsberg). Einige Kooperationen (z.B. in Niendorf: Elter Kind-Zentrum; in der Lenzsiedlung: Verein Lenzsiedlung, Bürgerhaus, Hebamme) sind, je nach finanzieller Förderung, regelhaft und fester Programmpunkt im Angebotssortiment. Das Team des Baby-Führerscheins kontaktiert insbesondere Kitas, Eltern-Kind-Zentrum und Elternschulen in Quartieren, die einen großen Bedarf an Aufklärung zu Themen wie Erziehung, Bindung, Ernährung, Gesundheit und Zahngesundheit zeigen. Durch die Kooperationen ergaben sich weitere Kontakte zu interessierten Einrichtungen oder Institutionen (z.B. Mutter-Kind-Einrichtungen, Kitas, Abenteuerspielplätze).