Das Projekt „Eigenwillig“ setzt sich aus den Bausteinen Konzeptentwicklung, Planung und Durchführung von regionalen Fachberatungen, Aufbau eines regionalen Kooperationsnetzwerkes und Entwicklung von Arbeitshilfen zusammen. Die Weiterbildung aller Mitarbeiterinnen des Familienplanungszentrum (FPZ) war zudem ein zentraler Schwerpunkt des Projektes zur Implementierung des Angebotes.
Das multiprofessionelle Team des FPZ bietet Einzel-, Paar- oder Gruppenberatungen, Fortbildungen und gynäkologische Untersuchungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten und für deren Eltern an. Fortbildungen und Fachberatungen werden zudem für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unter anderem aus der Behindertenhilfe und den Schulen durchgeführt.
Das Projektteam setzt sich aus einer Sexualpädagogin, einem Diplom- und Sexualpädagogen und einer Frauenärztin zusammen; zusätzlich war von Anfang an das gesamte Team des Familienplanungszentrums einbezogen, darunter Ärztinnen, Psychologinnen, Diplom- und Sozialpädagoginnen, Krankenschwestern und Mitarbeiterinnen für Organisation und Verwaltung. Finanziert wurde das Projekt aus verschiedenen Quellen, zum größten Teil über die Aktion Mensch. Der Eigenmittelanteil wurde über das Hamburger Spendenparlament und die Andrea-Brudermüller-Stiftung gesichert.
Häufig meldeten Fachkräfte der Behindertenhilfe die Betroffenen im FPZ an. Im Laufe des Projektes wandten sich diese aber auch zunehmend selbst mit ihren Fragen zu Sexualität und Familienplanung an das FPZ.
Bereits beim telefonischen und persönlichen Erstkontakt vereinfacht die Wahl der Leichten Sprache die Kommunikation. Der flexible Einsatz anschaulicher Arbeitshilfen in den Beratungen ermöglicht es beispielsweise, Körpervorgänge vorstellbarer zu machen.
Durch den geschlechtsspezifischen Ansatz werden besondere Bedarfe von weiblichen oder männlichen Personen in der Arbeit des FPZ sichergestellt. So können Ratsuchende entscheiden, ob sie durch eine Frau oder einen Mann beraten werden wollen. Das ist besonders für die Kommunikation über intime Themen wichtig. Seminare und Fortbildungen leiten immer ausschließlich weibliche oder männliche Mitarbeiter. Bei der Zusammenstellung von Materialien werden geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt.
Die Menschen mit Lernschwierigkeiten wurden und werden auch weiterhin direkter durch neu entwickelte Flyer in leicht verständlicher Sprache angesprochen, die zielgruppengerecht gestaltet sind (mehr Informationen zu Leichter Sprache unter www.people1.de). Ferner kommen Klienten, die die Beratung schon einmal in Anspruch genommen haben, aus eigener Initiative wiederholt ins FPZ. Die Beratung soll Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer Entwicklung zu einer verantwortungsvollen und selbstbestimmten Sexualität begleiten und in die Lage versetzen, Entscheidungen selbst zu treffen. Themen sind sexualpädagogische, medizinische und psychologische Beratungen, soziale Hilfen und Schwangerschaftskonflikte.
Im Projektzeitraum von Oktober 2008 bis September 2010 wurden 115 Einzel-, Paar- und Gruppenberatungen geführt. In 65 Prozent der Fälle kamen Menschen mit Lernschwierigkeiten, in 21 Prozent Unterstützerinnen und Unterstützer, in 17 Prozent Angehörige und in vier Prozent Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. In einzelnen Beratungen wurden sowohl Menschen mit Lernschwierigkeiten als auch Angehörige oder Unterstützerinnen bzw. Unterstützer mit eigenen Anliegen erreicht. Diese wurden innerhalb einer Beratung statistisch als zwei verschiedene Zielgruppen getrennt erfasst. Die Addition ergibt daher 107 Prozent.
Begleitet wurde das Projekt von 73 Fortbildungen, Vorträgen, Teamfachberatungen, einer Fachtagung sowie diversen Kurzveranstaltungen, an denen insgesamt 1009 Personen teilnahmen.
Die Dauer der Fachberatungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten lag meistens zwischen 30 und 60 Minuten. Bei jeweils circa 20 Prozent dauerte die Beratung weniger als 30 oder mehr als 60 Minuten. Diese Zeiten weichen im Vergleich zu den restlichen Beratungsgesprächen im FPZ nur gering nach oben hin ab.
Die personenbezogenen Dokumentationen der Beratungsstelle sind streng vertraulich, Ergebnisdokumentationen der Beratungsgespräche existieren nicht. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten geben zum Ende der Beratungen zu verstehen, dass sie wichtige, anschauliche Informationen zu Körpervorgängen und Fragen der Familienplanung erhalten und verstanden haben, nicht wenige zum ersten Mal. Viele fühlen sich erstmalig mit ihren Fragen zu gesundheitsbezogenen Themen wie Kinderwunsch, Elternschaft und Empfängnisverhütung, aber auch zu Fragen der sexuellen Orientierung und Partnerschaft gesehen und ernst genommen.