Verdeckte Armut in Deutschland
Studie geht von 2,6 Millionen Menschen aus, die von weniger als dem Existenzminimum leben und keine staatliche Unterstützung geltend machen.
Im Oktober 2006 hat die Sozialwissenschaftlerin Irene Becker die Ergebnisse eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projektes zur verdeckten Armut vorgelegt: „Armut in Deutschland: Bevölkerungsgruppen unterhalb der ALG-II-Grenze“.
In der Studie wird eine hohe Anzahl von verdeckt Armen festgestellt. Gemeint sind damit Menschen, die unterhalb des politisch festgelegten und als Rechtsanspruch garantierten Existenzminimums leben und ihren Anspruch auf staatliche Unterstützung nicht geltend machen.
Konkret kommt die Studie zu folgenden Ergebnissen: Statt der ca. 10 Millionen potenziell Berechtigten für Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen im Juli 2005 ca. 6,8 Millionen und im Mai 2006 ca. 7,4 Millionen Berechtigte die ihnen zustehenden Leistungen.
Die Studie stellt fest, dass das Problem der verdeckten Armut insbesondere Erwerbstätige betrifft. Denn von den etwa 2,8 Millionen Erwerbstätigen mit Rechtsanspruch auf eine zusätzliche Unterstützung durch „aufstockendes“ ALG II nehmen nur 0,9 Millionen diesen Anspruch wahr (Becker, S. 36 ff.). Von den rund 2,6 Millionen verdeckt Armen sind damit über 70 Prozent erwerbstätig.
Die Bundesregierung nahm auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu diesen Zahlen Stellung (Drucksache 16/3274).
Aus Sicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind die Zahlen zwar nur eingeschränkt für Fragen dieser Art verwendbar, da sie auf einer Sonderauswertung des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) für das Jahr 2004 beruhen. Dennoch wird in der Stellungnahme anerkannt, dass die in der Studie aufgezeigten Tendenzen grundsätzlich zutreffen und es auch nach der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende verdeckte Armut - allerdings in geringerem Umfang als zuvor - gibt.
Literaturhinweis: Irene Becker: Armut in Deutschland: Bevölkerungsgruppen unterhalb der ALG-II-Grenze, Arbeitspapier des Projekts „Soziale Gerechtigkeit“ Nr. 3, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M.. Die Studie steht als PDF zum Download zur Verfügung unter:
http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2006-863-4-3
Die Stellungnahme der Bundesregierung kann nachgelesen werden unter: