Strukturschwach? Sozial stark!
Gemeindenahe Ansätze zur Förderung der psychosozialen Gesundheit arbeitsloser Menschen in Brandenburg
Gesundheitliche und psychosoziale Belastungen arbeitsloser Menschen können deren Chancen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschweren. Umgekehrt kann Arbeitslosigkeit das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Lebenslage deutlich beeinträchtigen - ein Umstand, der insbesondere langzeitarbeitslose Menschen (be-)trifft. Zum Wohlbefinden von Menschen trägt wesentlich das Gefühl bei, gesellschaftlich etwas „wert“ zu sein, d. h. gebraucht zu werden oder eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Gesundheitsfördernde Aspekte können somit durchaus Bestandteil von Maßnahmen sein, die nicht explizit Gesundheit zum Thema haben. Gerade für strukturschwache Regionen sind neben der wirtschaftlichen Entwicklung demografische Probleme wie die zunehmende Entsiedlung und damit Entkräftung der Regionen von Belang. Sie setzen viel daran, alle Menschen in den Kommunen und Gemeinden zu halten und ihnen dort eine Perspektive zu geben.
Fachforum am 8. November 2013 in Potsdam thematisiert den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Gesundheit
Unter dem Motto Strukturschwach? Sozial Stark! veranstaltete die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Brandenburg am Freitag, dem 8. November 2013 ein Fachforum zu gemeindenahen Ansätzen zur Förderung der psychosozialen Gesundheit arbeitsloser Menschen in Brandenburg. Akteurinnen und Akteure aus den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Jugend und Soziales sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Regionalentwicklung, aus Gemeinden, Vereinen und anderen gemeinnützigen Einrichtungen sowie Ehrenamtliche waren zum Fachaustausch in Ludwigsfelde eingeladen.
Susanne Köhler vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg begrüßte die Gäste im Sitzungssaal des Rathauses Ludwigsfelde und betonte, dass es sinnvoller und auf die Bedarfe arbeitsloser Menschen abgestimmter Angebote sowie einer tragfähigen Vernetzung bedürfe, um einen Beitrag zu einem gesunden Lebensstandard und gesellschaftlicher Integration leisten zu können.
Elena Zavlaris vom Deutschen Gewerkschaftsbund stellte in ihrem Einführungsvortrag den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und psychosozialer Gesundheit heraus. Was müssen Arbeitslose psychisch bewältigen und was sind mögliche Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit? Aktuelle Forschungsergebnisse belegen die Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Verschlechterung der psychischen Gesundheit mit Begleiterscheinungen wie Ängstlichkeit, Hoffnungslosigkeit, gesenktem Aktivitätsniveau, Einsamkeit sowie einem verringerten Selbstwertgefühl und Depressionsmerkmalen als Hauptsymptome. Vor welchen Herausforderungen steht nun die Gesellschaft bei der Gesundheitsförderung arbeitsloser Menschen und was sind mögliche Lösungsansätze? Frau Zavlaris betonte, dass der Zugang zu Präventionsangeboten sowie allgemein die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt und Arbeitsförderung verbessert werden müssen. Sozialpolitische Aufgabe sei es, den Teufelskreis der sozialen Vererbbarkeit von Armut und Arbeitslosigkeit durch verbesserte Bildungs- und Beschäftigungschancen zu unterbrechen.
Die darauffolgenden Impulse waren Darstellungen Guter Praxis aus den verschiedenen Regionen Brandenburgs mit den Zielgruppen Jugendliche, Menschen mittleren Lebensalters und ältere Menschen.
Helga Pies-Lümmen von der Agentur für bürgerschaftliches Engagement - Kompetenzzentrum Havelland berichtete über das Projekt „Paten für junge Erwachsene“. Es wurde vom Jobcenter unter der Zielsetzung der Integration in den Arbeitsmarkt gefördert. Geschulte Ehrenamtliche fungieren hier als Pat/innen, um junge Erwachsene in ihrem alltäglichen Leben zu unterstützen. Die begleiteten Jugendlichen sind in sozial benachteiligten Familien aufgewachsen, verfügen häufig über einen geringen oder keinen Schulabschluss und haben nur wenige Chancen, in eine Erwerbstätigkeit zu gelangen. Basis des Pat/innenmodells ist die Vertrauensbildung. Sie ermöglicht es den jungen Erwachsenen, die ihnen offerierte Unterstützung anzunehmen und schrittweise eine eigenständige Lebensweise zu entwickeln.
„Weg mit dem Druck auf langzeitarbeitslose Menschen“
Anschließend stellte Uwe Behnke, ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Schönfeld in der Uckermark, die Situation in seiner Gemeinde dar. Hier herrscht eine Arbeitslosenquote von ca. 40 Prozent; die Sozialstruktur ist als sehr schwach zu bezeichnen. Dies betrifft neben arbeitlosen Menschen insbesondere auch deren Familienangehörigen - ihre Kinder - sowie ältere Alleinstehende. Uwe Behnke schilderte das Engagement seiner Gemeinde, über ehrenamtliche Strukturen sowie öffentlich geförderte Maßnahmen arbeitslose Menschen in die Gemeinschaft zu integrieren, ihnen auf diesem Wege eine Beschäftigung und Anerkennung zu geben und sie letztlich auch in der Gemeinde zu halten.
Dr. Ingrid Witzsche vom landesweit tätigen Förderverein Akademie 2. Lebenshälfte berichtete zum Thema Lernen-Engagieren-Wandel gestalten. Der Verein ist mit zehn Kontaktstellen in Brandenburg aufgestellt und blickt auf 16.000 Teilnehmende und Aktive pro Jahr. Frau Dr. Witzsche wies darauf hin, dass ein Drittel aller Arbeitslosen in Brandenburg 50 Jahre und älter sei, und dass diese Zielgruppe zunehmende Gesundheitsprobleme aufweise. Das Engagement des Vereins verdeutlichte sie anhand eines Projektes namens „Bewegung und Prävention“ mit 122 langzeitarbeitslosen Teilnehmenden. Es wurde vom bundesweit tätigen Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit als Good Practice-Projekt ausgezeichnet: Von den Teilnehmenden sind 81 als aktive Mitglieder im Sportverein geblieben und dadurch auch sozial integriert. Frau Dr. Witzsche forderte: „Weg mit dem Druck auf langzeitarbeitslose Menschen, Schaffung von Möglichkeiten für Freiwillige und langfristige sinnvolle Tätigkeiten bis zur Rente.“
Das am Nachmittag veranstaltete World-Café widmete sich der Frage, wie psychosoziale Gesundheitsförderung gemeindenah und ressortübergreifend gestaltet werden kann. Die Teilnehmenden tauschten sich in kleinen Gruppen zu folgenden Fragestellungen aus:
- Wie geht es jungen Menschen, Menschen mittleren Alters und älteren Menschen in benachteiligter Lebenslage?
- Was brauchen sie, um an ihrem Wohnort ein gesundes und stabiles Leben führen zu können?
- Was kann die Gemeinde anbieten? Und wie profitiert die Gemeinde von ihrem eigenen Engagement?
Maike Rühl von Gesundheit Berlin-Brandenburg stellte abschließend die Werkstatt „Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen - Ein Angebot für kommunale Akteurinnen und Akteure“ der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Brandenburg vor und lud die Anwesenden ein, die Impulse des Tages in die jeweiligen Kommunen und Gemeinden des Landes zu tragen. Das Werkstattangebot unterstützt Fachkräfte bei der ressortübergreifenden, bedarfsgerechten Gestaltung gesunder Lebenswelten vor Ort.
Die Ergebnisse des Fachforums werden im kommenden Jahr (2014) in einer Dokumentation veröffentlicht werden.
Für das Catering sorgte die Jugendtischlerei des Evangelischen Jugendwerkes Teltow-Fläming.