Low Depression Zones
Luftverschmutzung, Umweltfaktoren und psychische Gesundheit
Luftverschmutzung und unsere psychische Gesundheit
Die ersten Hinweise darauf, dass Luftverschmutzung nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belasten kann, tauchten in den 1990er-Jahren auf – damals im Zusammenhang mit schweren Smog-Episoden in London und Los Angeles. Heute weiß man: Umweltfaktoren wie Lärm oder künstliches Licht beeinflussen unsere seelische Gesundheit - zunehmend zeigt sich aber auch, dass Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide eine Rolle spielen! Sie wirken nicht nur auf Lunge, Herz und Blutgefäße, sondern können auch unser Denken, unsere Stimmung und unsere seelische Widerstandskraft beeinträchtigen [Roche et al. 2024; Schmitz et al. 2024].
Was steckt eigentlich in der Luft?
Unsere Atemluft besteht größtenteils aus harmlosen Gasen wie Stickstoff, Sauerstoff und etwas Argon. Doch ein kleiner Teil sind Stoffe, die wir als Luftschadstoffe bezeichnen. Je nach Größe, Menge und Zusammensetzung wirken sie unterschiedlich stark auf den Körper.
Zu den bekanntesten Schadstoffen gehören:
- Feinstaub (PM): kleine Partikel, die über die Luft in die Lunge eindringen,
- Stickoxide (NO₂): schädliche Gase, die vor allem durch den Straßenverkehr entstehen.
Daneben gibt es noch weitere Schadstoffe, die in kleinerer Konzentration vorkommen, aber in der Summe ebenfalls eine Belastung darstellen.
Besonders gefährdet: Kinder und Jugendliche
Studien zeigen, dass junge Menschen besonders sensibel auf Luftverschmutzung reagieren. Da sich ihr Gehirn und Körper noch in der Entwicklung befinden, können Feinstaub und Stickoxide bei ihnen größere Auswirkungen haben – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.
Feinstaub und Stickoxide lösen entzündliche Prozesse im Gehirn aus, die kurzfristig zu kognitiven Beeinträchtigungen und langfristig zu strukturellen Hirnveränderungen führen können. Bildgebende Verfahren zeigen Veränderungen in Hippocampus, Corpus Callosum und Cortexdicke bei Kindern [Guxens et al. 2022].
Eine im November 2024 vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte Studie (Schmitz et al. 2024) zu den Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Psyche konnte einen signifikanten positiven Effekt von Umweltzonen auf die mentale Gesundheit und den Bildungserfolg von Grundschüler*innen herleiten. Diese und andere Studien führten zu folgenden Ergebnissen:
Feinstaub (PM10, PM2.5, PM1):
Feinstaub ist einer der wichtigster Luftschadstoffe, welcher im Zusammenhang mit Schäden am zentralen Nervensystem steht. Die nach Größe der Partikel sortierten Feinstäube PM10, PM2,5 und PM1 führen zu folgenden Auswirkungen:
- erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen und ADHS, insbesondere bei Jungen
- Aufmerksamkeitseinbußen bei Kindern, insbesondere bei 6- bis 11-jährigen Mädchen
- allergische Rhinitis und Asthma
- Langfristige Exposition von Feinstaub erhöht den Blutdruck und damit das Bluthochdruck-Risiko bei Kindern und steht mit Adipositas in Verbindung [Roche et al. 2024].
Stickoxide (NO₂, NOx):
Stickoxide stehen im Zusammenhang mit einer verschlechterten neurologischen Entwicklung sowie Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere bei Heranwachsenden.
- Bereits ein Anstieg der NO₂-Konzentration um 10 µg/m³ erhöht das Risiko für kindliches Asthma um 5 %.
- NO₂-Exposition fördert Bluthochdruck und Adipositas [Roche et al. 2024].
Weitere Schadstoffe:
Ozon, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Black Carbon (BC), Elemental Carbon (EC), Metalle sowie Hitze- und Lärmbelastung verstärken die negativen Effekte anderer Schadstoffe und Belastungen [Roche et al. 2024].
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders vulnerabel. Luftschadstoffe beeinträchtigen nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten:
- schlechtere schulische Leistungen, geringere Problemlösungsfähigkeiten und Verhaltenssteuerung [Roche et al. 2024],
- Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Gruppen sind stärker betroffen, obwohl sie oft selbst weniger zur Emission beitragen [Moreno et al. 2022].
Schüler*innen verbringen zwar nur 4-5 % ihrer Zeit auf dem Schulweg, doch dieser macht bis zu 20 % ihrer täglichen Belastung durch ultrafeine Partikel aus [Roche et al. 2024].
Umweltzonen als Gegenmaßnahme
Umwelt- und Emissionszonen (Low Emission Zones) gelten als wirksame Instrumente, um die Belastung durch NO₂ und Feinstaub zu senken.
Dabei zeigt eine Studie von 2022 aus Paris die Einflüsse von Low Emission Zones auf die körperliche Gesundheit von Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen. Paris verzeichnete im Jahr 2019 insgesamt 6.600 Todesfälle, welche auf die Luftverschmutzung der Millionenmetropole zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang versucht die Studie den Einfluss der Umweltzonen auf die Gesundheit der Einwohner*innen von Paris zu ermitteln. Sie kommt zu folgenden Ergebnissen:
- Strenge Umweltzonen könnten jährlich bis zu 730 Todesfälle und 3.200 neue Asthmafälle bei Kindern in Paris verhindern.
- Besonders sozial benachteiligte Gruppen profitieren von der Einführung von Umweltzonen, denn sie sind überproportional stark belastet [Moreno et al. 2022].
Eine weitere Studie versuchte die Auswirkungen auf Deutschland zu ermitteln (Schmitz et al. 2024). Sie kam zu folgenden Ergebnissen:
- Die in Deutschland markierten Umweltzonen reduzierten Feinstaub im Schnitt um 10,4 % und Stickoxide um 15,3 %.
- Die Übergangsrate aufs Gymnasium der Kinder, die in diesen Gebieten wohnen, stieg von 38,9 % auf 39,9 %.
- Verschreibungen von Antidepressiva sanken um 4 %, Depressionen um 3,5 % und Angststörungen um 4,2 %.
- Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren profitierten gesundheitlich am stärksten von der Einführung von Umweltzonen [Schmitz et al. 2024].
Internationale Evidenz:
- Umweltzonen senken die Diagnoseraten von Depressionen und Angststörungen.
- Positive Effekte zeigen sich vor allem langfristig.
- Neben Vorteilen für die gesundheitliche Entwicklung ergeben sich auch wirtschaftliche Vorteile durch Kostensenkungen im Gesundheitssystem [Brehm et al. 2024].
Fazit
Die Evidenz ist eindeutig: Luftverschmutzung schädigt nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit. Feinstaub und Stickoxide beeinflussen Lernfähigkeit, Aufmerksamkeit und langfristig sogar die Hirnstruktur. Umwelt- und Emissionszonen zeigen positive Effekte auf die Luftqualität und wirken sich so positiv auf Bildung und psychische Gesundheit aus. Kinder, Jugendliche und sozial schlechter gestellte Gruppen profitieren überproportional.
Eine konsequentere Einführung und Ausweitung von Umweltzonen – auch in Deutschland – könnte einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit leisten.
Quellen
- Brehm, J. et al. (2024): Low depression zones? The effect of driving restrictions on air pollution and mental health, Ruhr Economic Papers, No. 1093, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen. https://doi.org/10.4419/96973270
- Guxens, M. et al. (2022): Associations of Air Pollution on the Brain in Children: A Brain Imaging Study. Res Rep Health Eff Inst. 2022 Feb 1;2022:209. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9476146/#art001
- Moreno, E. et al. (2022). The environmental justice implications of the Paris low emission zone: a health and economic impact assessment. Air Quality, Atmosphere & Health, 15(1), https://doi.org/10.1007/s11869-022-01243-7
- Roche, I.V. et al. (2024): The Health-Related and Learning Performance Effects of Air Pollution and Other Urban-Related Environmental Factors on School-Age Children and Adolescents—A Scoping Review of Systematic Reviews. Curr Envir Health Rpt 11, 300–316 (2024). https://doi.org/10.1007/s40572-024-00431-0
- Schmitz, L. et al. (2024): Umweltzonen in Deutschland: Emissionsbegrenzungen verbessern Bildung und psychische Gesundheit. DIW Wochenbericht 47 / 2024, S. 733-741. www.diw.de/de/diw_01.c.927097.de/publikationen/wochenberichte/2024_47_2/umweltzonen_in_deutschland__emissionsbegrenzungen_verbessern_bildung_und_psychische_gesundheit.html