Kann das Stigma "Psychische Krankheit" überwunden werden?
In Deutschland leiden vier Millionen Menschen an Depressionen. Viele der jährlich 10 000 Selbstmorde werden von Depressiven begangen. Trotz dieser Zahlen verschweigen viele Betroffene ihre Krankheit aus Angst, stigmatisiert zu werden. Deshalb gibt es seit Jahren Anti-Stigma-Kampagnen, die darauf abzielen, Vorurteile gegenüber depressiven oder schizophrenen Menschen abzubauen - offenbar mit wenig Erfolg, wie eine jüngst veröffentlichte Evaluation zeigt.
Für die Studie „Evaluation zielgruppenorientierter Interventionen zur Reduzierung des Stigmas psychischer Krankheiten“, die soeben in der Fachzeitschrift „Psychiatrische Praxis“ erschienen ist, wurden 51 zielgruppenspezifische Programme ausgewertet. Die Programme wollten entweder Wissen vermitteln, falsche Vorstellungen über psychische Krankheiten korrigieren oder gesunde Menschen mit psychisch Leidenden in Kontakt bringen. Dabei zeigte sich, dass solche Anti-Stigma-Programme das Wissen über die einzelnen Störungen zwar vergrößern, sich die Einstellung gegenüber psychisch Kranken aber kaum ändert. Aufklärung ist nach dieser Studie möglich, führt aber nicht zwingend zu mehr Toleranz.
„Die Ergebnisse“, schreibt Anita Holzinger, „lassen einen eher skeptisch sein hinsichtlich der Nachhaltigkeit des erzielten Effekts.“ Holzinger ist eine der Autor/innen der Studie und Professorin an der Medizinischen Universität Wien.
Nur in 13 der 51 ausgewerteten Anti-Stigma-Programme wurden Langzeiteffekte erfasst. Solche Follow-up-Erhebungen sind aber notwendig, um zu dokumentieren, dass Aufklärungsarbeit nicht nur heute etwas im Denken verändert, sondern auch morgen. „In der Hälfte der Follow-Up-Studien finden sich Hinweise darauf, dass der positive Interventionseffekt bereits innerhalb weniger Monate nachließ“, stellt Holzinger fest.
Doch nicht nur ein grundsätzlicher Wandel im Denken, auch leicht erreichbare Unterstützungsangebote im Alltag sind für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörigen wichtig. In der Praxisdatenbank www.gesundheitliche-chancengleichheit.de finden sich zahlreiche Beispiele von Angeboten, die psychisch Kranke und ihre Familien unterstützen, darunter folgende, die vom Kooperationsverbund „Gesundheitsförderng bei sozial Benachteiligten“ als „Gute Praxis“ identifiziert worden sind:
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Mut tut gut!" - Stärkung der psychischen Gesundheit für erwerbslose Frauen (Kiel)