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Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit

Interview mit Dr. Ute Teichert: Prävention und Gesundheitsförderung - Schwerpunkt COVID-19

15.07.2020

Die COVID-19-Pan­de­mie wirkt sich auf al­le Aspekte unseres Lebens aus und hat tiefgreifende sozioökonomische Fol­gen für die gesamte Be­völ­ke­rung - doch be­son­ders trifft sie die Schwächsten und Vulnerabelsten der Ge­sell­schaft. Welche Veränderungen er­ge­ben sich durch die Pan­de­mie im Be­reich der Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung? Welche Maß­nah­men sind not­wen­dig? Diese Fra­gen beantwortet Dr. med. Ute Teichert, Di­rek­to­rin der Aka­de­mie für Öffentliches Ge­sund­heits­we­sen in Düs­sel­dorf und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. im In­ter­view mit Dr. Be­a­te Grossmann und Ul­ri­ke Meyer-Funke.  

Welchen Bei­trag kann Ge­sund­heits­för­de­rung leis­ten, um wirk­sam mit der COVID-19-Pan­de­mie umzugehen?

Die Be­deu­tung der Ge­sund­heits­för­de­rung ist auch wäh­rend der Pan­de­mie groß und kann an verschiedenen Punkten an­set­zen: Bei gesundheitsfördernden An­ge­bo­ten ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass sich die Be­völ­ke­rung voraussichtlich noch länger in ei­ner Ausnahmesituation be­fin­den wird. Insbesondere das The­ma so­zi­ale Iso­la­ti­on und deren Fol­gen sind da­bei in den Fo­kus zu neh­men. Soziale Iso­la­ti­on trifft Menschen in sehr verschiedenen Si­tu­a­ti­onen und Settings.

Zu dem The­ma so­zi­ale Iso­la­ti­on sind von dem Kompetenznetz Public Health zu COVID-19 be­reits verschiedene Policy Briefs und Fact Sheets veröffentlicht worden. Sie verweisen u.a. da­rauf, dass die so­zi­ale Iso­la­ti­on nicht nur durch die mitt­ler­wei­le gelockerten Kontaktbeschränkungen zu­stan­de kommt, son­dern bei­spiels­wei­se auch für Personen im Homeoffice ein Ri­si­ko darstellt.  

Durch die Pan­de­mie ist der­zeit die Durch­füh­rung der gesundheitsfördernden An­ge­bo­te oft nicht mög­lich.

Genau - viele gesundheitsfördernde An­ge­bo­te kön­nen auf­grund von Hygiene- und Abstandsregelungen nicht in gewohnter Art und Wei­se durchgeführt wer­den, bei­spiels­wei­se sind gruppenbezogene Bewegungsangebote nur in eingeschränktem Maß mög­lich.

Ge­sund­heits­för­de­rung muss sich auf die veränderten Be­din­gung­en ein­stel­len und hierbei zu neuen Kon­zepten kom­men, die digitale Angebotsformen mit­be­rück­sich­ti­gen. Neben Beratungsangeboten sind auch Online-Schulungen zum Selbstmanagement in der Kri­se, zur gesundheitsförderlichen Ge­stal­tung des Homeoffice etc. mit zu be­rück­sich­ti­gen. Zen­tra­le Aspekte der Ge­sund­heits­för­de­rung wie Teil­ha­be/Par­ti­zi­pa­ti­on, Capacity Building und Empowerment spie­len auch bei digitalen Angebotsformen ei­ne wichtige Rol­le.

Über COVID-19 wird viel berichtet. Jeden Tag gibt es neue Informationen. Welche Be­deu­tung hat die Stär­kung der Ge­sund­heitskompetenz?

Die Ge­sund­heits­för­de­rung kann bei der Stär­kung der Ge­sund­heitskompetenz ei­nen wichtigen Bei­trag leis­ten. Die Be­völ­ke­rung ist in hohem Maße verunsichert. Dazu tra­gen zwei Aspekte bei. Menschen wer­den erst­mals mit empirischer For­schung live konfrontiert. Die Prinzipien des empirischen For­schungsprozesses, al­so Hypothese, An­ti­the­se, Syn­the­se, und des wissenschaftlichen Ar­beitens sind in der Be­völ­ke­rung verständlicherweise kaum be­kannt. Dass Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen bei ei­ner unbe­kannten Si­tu­a­ti­on im Um­gang mit ei­nem neuartigen Virus zu unterschiedlichen Aus­sa­gen und For­schungsergebnissen kom­men kön­nen, ist für die Be­völ­ke­rung nur schwer verständlich. Hier kann die Ge­sund­heits­för­de­rung ei­nen Bei­trag zur Stei­ge­rung der Ge­sund­heitskompetenz der Be­völ­ke­rung leis­ten.

Zusätzlich tra­gen Falschnachrichten in hohem Maße zur Verunsicherung bei. Zum Um­gang mit Falschnachrichten in den Me­di­en ist eben­falls ein Fact Sheet des Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 veröffentlicht worden. Einen wesentlichen Bei­trag könnte hier bei­spiels­wei­se die BZgA leis­ten, in­dem sie allgemeinverständliche und Informationen in leichter Spra­che zu COVID-19 und zum Sars-CoV-2 be­reitstellt.

Sozioökonomische Faktoren haben Ein­fluss da­rauf, ob man an COVID-19 erkrankt und wie die Krank­heit verläuft. Was heißt das für die Ge­sund­heits­för­de­rung?

Ge­sund­heitsfördernde An­ge­bo­te müs­sen ins­be­son­de­re Personen in den Blick neh­men, die auf­grund ih­res sozioökonomischen Sta­tus in stärkerem Maße be­trof­fen sind. Ana­ly­sen aus USA und UK zei­gen, dass es ei­nen starken so­zi­alen Gra­di­en­ten in der Aus­brei­tung des Sars-CoV-2 gibt und die Mor­ta­li­tät um ein Vielfaches höher ist als bei nicht deprivierten Personen. Eine weitere Stu­die aus Schott­land kommt zu ei­nem ähnlichen Er­geb­nis.

Für Deutsch­land lie­gen hierzu noch kei­ne gesicherten Erkenntnisse vor. In ei­nem Hintergrundpapier des Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 über „Indi­rekte Ge­sund­heitsfolgen der aktuellen Maß­nah­men zum Infektionsschutz in Deutsch­land“ kom­men die Au­to­rin­nen und Autoren zu dem Schluss, dass auch in Deutsch­land diese Menschen den „höchsten Preis“ zah­len wer­den. Ein kaum beachteter Per­so­nen­kreis sind Wohnungs- und Ob­dach­lo­se. Nicht nur, dass sie kein Zuhause haben, in­dem sie blei­ben kön­nen, auch der größ­te Teil der Unterstützungsstrukturen wie Tafeln, Unterkünfte und Bahnhofsmissionen ist bzw. war weggebrochen.

Ge­sund­heits­för­de­rung für so­zi­al Deprivierte muss auf ei­ner anderen Ebe­ne an­set­zen. Hier ste­hen strukturelle und existenzsichernde Maß­nah­men in wahrsten Sinne des Wortes im Vordergrund. Das heißt, Maß­nah­men müs­sen hier di­rekt auf das Überleben der Personen ab­zie­len. (…)

Wichtig ist auch der Fo­kus auf Fa­mi­lien und deren Lebensalltag. Durch den Weg­fall der Be­treu­ung der Kinder in Kindertagestätten und Schulen kon­zen­triert sich das Zusammenleben im Setting „Fa­mi­lie“. Hier müs­sen ad hoc viele verschiedene An­for­de­rung­en erfüllt wer­den. Neben der Or­ga­ni­sa­ti­on des Alltags müs­sen auch die Auf­ga­ben der Schule (…) gestemmt wer­den. Hier könnte die Ge­sund­heits­för­de­rung an­set­zen, um Fa­mi­lien in der Kri­se zu stär­ken. Zu prü­fen ist et­wa, in welchem Rahmen er­folg­reich aufgebaute Prä­ven­ti­onsketten ih­re Ar­beit wie­der auf­neh­men kön­nen.

Das Kon­zept der Ge­sund­heits­för­de­rung baut auf Prinzipien wie Au­to­no­mie, Empowerment, Ge­rech­tig­keit, Nach­hal­tig­keit und Intersektoralität auf. Müssen wir diese Prinzipien im Lich­te von COVID-19 über­den­ken oder neu aus­rich­ten?

Nein, mei­nes Erachtens müs­sen diese Prinzipien nicht neu ausgerichtet wer­den. Sie sollten nur ih­re konsequente An­wen­dung fin­den. Das bedeutet zum Bei­spiel auch, dass Ak­teu­rin­nen und Akteure der Ge­sund­heits­för­de­rung in ei­ner Pan­de­mie Berührungspunkte mit der Infektionsepidemiologie haben und sich diese wie­de­rum mit den Aus­wir­kung­en so­zi­aler De­ter­mi­nan­ten auf Ge­sund­heit und Krank­heit auseinandersetzen muss. In diesen Be­reichen müs­sen dann Berührungsängste abgebaut wer­den. Das birgt die Chan­ce neuer Netzwerke und Konstellationen, die wir un­be­dingt nut­zen sollten.

Ge­sund­heit muss in al­len Politikbereichen ei­ne Rol­le spie­len. Der Health in All Policies-An­satz impliziert die Verankerung bzw. Be­rück­sich­ti­gung gesundheitlicher Belange in al­len Politikbereichen. Hierbei geht es um ein sich ge­gen­sei­tig ergänzendes und nicht widerstreitendes Miteinander.

Anmerkung:  
Dieser Bei­trag ist ei­ne gekürzte Version des Originalinterviews, wel­ches mit freundlicher Ge­neh­mi­gung der Bundesvereinigung Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung e.V. veröffentlicht wer­den durfte.
Das vollständige In­ter­view mit weiteren Fra­gen und Informationen fin­den Sie hier.

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  • Berlin

    Engagiert. Inklusiv. Ankommen.

    Kulturelle Teilhabe und freiwilliges Engagement als Schlüssel zur Integration für Menschen mit Fluchtgeschichte und Behinderung

    Der Verein KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V. richtet im Rahmen der Veranstaltungen zum 15-jährigen Vereinsjubiläum den Fachtag "Engagiert. Inklusiv. Ankommen: Kulturelle Teilhabe und freiwilliges Engagement als Schlüssel zur Integration für Menschen mit Fluchtgeschichte und Behinderung" aus. Die Veranstaltung bringt internationale Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Zivilgesellschaft zusammen, ebenso wie Akteur*innen aus Initiativen, Selbstorganisationen und migrantischen Communities. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Praxiserfahrungen zu verknüpfen und tragfähige Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Ein zentrales Thema des Fachtags ist die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte und Behinderung.

    Neben Fachvorträgen und Impulsen im Plenum werden auch fünf parallel stattfindende Workshops für kleinere Diskussionsrunden angeboten. Das Programm des Fachtages, weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.

    Kategorie: Fachtagung
    Veranstalter: KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V.
  • Berlin

    Gesundheitsziele Konferenz 2025: Health in All Policies - Kooperation als Erfolgsfaktor

    Am 8. Dezember 2025 laden wir Sie herzlich in die Landesvertretung Brandenburg in Berlin ein, um gemeinsam die Zukunft der Präventionslandschaft in Deutschland zu gestalten. Die Konferenz bringt wichtige Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis zusammen, um neue Impulse für eine stärkere Verankerung von Gesundheit in allen Politikbereichen zu setzen. Dazu hält Ilka Wölfle (DSV Europa) einen Impuls zum Health in All Policies Ansatz im internationalen Vergleich. Außerdem wird der "Public Health Index - Gesundheitsschutz im internationalen Vergleich" des AOK-Bundesverbandes vorgestellt. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildet die Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Gäst*innen zur Zukunft der Präventionslandschaft in Deutschland. 

    Zudem erhalten Sie Einblicke in die aktuellen Arbeitsschwerpunkte des Forums Gesundheitsziele zu den Themen Einsamkeit, Gesundheit rund um die Geburt und die Aktualisierung der bisherigen Gesundheitsziele. Die Veranstaltung klingt bei einem Get-Together mit leichtem Catering aus und bietet Raum für Vernetzung und vertiefende Gespräche.

    Den Link zur Anmeldung finden Sie hier .

    Veranstalter: GVG e.V.
  • Hannover

    Wohl.Fühlen in herausfordernden Zeiten

    Präventionsimpulse für die teil- und vollstationäre Pflege

    Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und neuer gesundheitlicher Herausforderungen gewinnen Gesundheitsförderung und Prävention in Pflegeeinrichtungen mehr denn je an Bedeutung. Sie tragen dazu bei, die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu erhalten, den Pflegebedarf zu reduzieren und können das Gesundheitssystem entlasten.

    Im Mittelpunkt der Fachtagung stehen innovative Ansätze für Prävention und Gesundheitsförderung in der teil- und vollstationären Pflege. Freuen Sie sich auf praxisnahe Impulse und interaktive Workshops zu aktuellen Themen wie Selbstfürsorge und Stressmanagement im Pflegealltag sowie den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und Nachhaltigkeit. Weitere Schwerpunkte sind Ernährung, Gewaltprävention, Bewegung und die Stärkung des psychosozialen Wohlbefindens.

    Eingeladen sind Pflege- und Betreuungskräfte, Leitungs- und Führungskräfte, Praxisanleitende, Auszubildende, Studierende, Träger und alle weiteren Interessierten.

    Die Veranstaltung bildet den Abschluss des Projekts Wohl.Fühlen – Klima und Gesundheit, einer Kooperation der LVG & AFS, der BARMER und der Hochschule Hannover.

    Kategorie: Veranstaltung
    Veranstalter: Landesvereinigung für Gesundheit und Alademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V.

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