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Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit

Benachteiligung im Gesundheitssystem

Gerhard Trabert , Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.
13.05.2012

Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen belasten zunehmend auch den Mittelstand

Be­las­tung­en durch Zu­zah­lung­en und Eigenbeteiligungen, wel­che vermehrt auch den Mit­tel­stand be­tref­fen, die „Entsolidarisierung“ des Ge­sund­heitssystems und Absätze der Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung bei Menschen in Wohnungslosigkeit waren Themen auf dem 17. Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit. Im Folgenden wer­den zentrale Inhalte und For­de­rung­en der Diskussionen vorgestellt.

Work­shop „Systematische Be­nach­tei­li­gung von Ar­mut
bet­rof­fener im Ge­sund­heits­sys­tem“

Dr. Uwe Den­ker stellte das Pro­jekt „Pra­xis oh­ne Gren­zen“ - Re­gi­on Bad Segeberg e.V. vor. Seit An­fang 2010 wer­den in die­ser me­di­zi­ni­schen Pra­xis all diejenigen untersucht, be­ra­ten und be­han­delt die „mit­tel­los“ sind und sich Krank­heit nicht leis­ten kön­nen, be­rich­te­te Den­ker. Mitt­ler­wei­le be­tei­li­gen sich ver­schie­de­ne Be­rufs­grup­pen ehrenamtlich an diesem Pro­jekt. So­ge­nan­nte „Ba­sis­är­zte“, Fachärzte, Phy­sio­the­ra­peu­ten, Apo­the­ker und „Be­hör­den­lot­sen“ (Belos). Zu­zah­lung­en, Ausweispapiere oder ei­ne Kran­ken­ver­si­cher­ten­kar­te wer­den nicht eingefordert bzw. erhoben. Den­ker be­rich­te­te auch über das sich ändernde Pa­tien­ten­spek­t­rum: So su­chen zahlreiche ehe­mals selbstständige und da­mit pri­vat ver­si­cher­te Menschen, die nach der Be­en­di­gung ihrer beruflichen Tä­tig­keit kei­nen Kran­ken­ver­si­che­rungs­schutz mehr be­sit­zen, gehäuft die „Pra­xis oh­ne Gren­zen“ auf.

Verena Lührs und Paul Wenzlaff vom Zen­trum für Qua­li­tät und Ma­nage­ment im Ge­sund­heits­we­sen, einer Ein­rich­tung der Ärz­te­kam­mer Nie­der­sach­sen (Hannover), stellten die 10 Jahre Eva­lu­a­ti­on der „Aufsuchenden medizinischen Versorgung für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover“ und deren Re­le­vanz für die „Armutsbevölkerung“ dar. In dem Pro­jekt „Auf­su­chen­de Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover“ wer­den Menschen versorgt, die durch individuelle oder gesellschaftliche Zugangsbarrieren die medizinischen Leis­tung­en des Re­gel­ver­sor­gungs­sys­tems nicht in An­spruch neh­men. Die Eva­lu­a­ti­on des Pro­jektes zeigt, dass der Ver­sor­gungs­be­darf steigt und ne­ben den Wohnungslosen auch vermehrt Pa­ti­ent/in­nen aus anderen Be­völ­ke­rungs­grup­pen, zum Bei­spiel aus fi­nan­zi­ell und so­zi­al be­nach­tei­lig­ten Grup­pen, die An­ge­bo­te des Pro­jekts in An­spruch neh­men. Diese sogenannte „Armutsbevölkerung“ kann den Zu­zah­lung­en im Rahmen der me­di­zi­nischen Regelversorgung of­fen­sicht­lich nicht nach­kom­men und sucht als Al­ter­na­ti­ve die Woh­nungs­lo­sen­ver­sorgung auf.

Werena Rosenke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (Bie­le­feld) referierte über die „Aus­wir­kung­en zunehmender Kostenbeteiligung und Eigenverantwortung auf die Ge­sund­heits­ver­sor­gung wohnungsloser und armer Pa­ti­ent/in­nen“. Um die medizinische Versorgung wohnungsloser Männer und Frauen auf­recht zu er­hal­ten, be­mü­hen sich die medizinischen Projekte der Woh­nungs­lo­sen­hil­fe seit An­fang 2004, die finanziellen Be­las­tung­en der Pa­ti­ent/in­nen (Praxisgebühr, Zu­zah­lung­en, Kauf von OTC-Präparaten etc.) mög­lichst ge­ring zu halten. Die steigende Zahl armer Mit­bür­ger/in­nen führt auch vermehrt Menschen oh­ne Er­fah­rung der Wohnungslosigkeit in diese Projekte - aus­schließ­lich auf­grund ihrer wirtschaftlichen Be­dürf­tig­keit. ALG II-Emp­fän­ger/in­nen und Emp­fän­ger/in­nen von Grund­si­cherung sind eben­so be­trof­fen wie auch ältere Menschen mit klei­neren Ren­ten und auf­zah­len­der Grund­si­cherung. Rosenke betonte, dass mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) die Ent­so­li­da­ri­sierung im Ge­sund­heits­we­sen vorangetrieben werde. Aufgrund ei­ner Vielzahl pri­vat zu fi­nan­zie­ren­der Zusatzleistungen, Eigenbeteiligungen und Zusatzbeiträge werde ei­ne Par­ti­zi­pa­ti­on am be­steh­en­den Ge­sund­heits­versorgungssystem mas­siv erschwert, teil­wei­se un­mög­lich gemacht.

In­ge Döring vom Ge­sund­heits­amt Kreis Heinsberg und Dr. Udo Puteanus vom Landesinstitut für Ge­sund­heit und Ar­beit Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW), Düs­sel­dorf, stellten ei­ne Stu­die zum The­ma „Medikamententafeln - ei­ne sinnvolle und notwendige ergänzende Versorgungsinitiative!?“ dar. Im Fo­kus des Referats standen die nicht rezeptpflichtigen Arz­nei­mit­tel, die bis auf wenige Aus­nah­men von den ge­setz­lich Versicherten selbst be­zahlt wer­den müs­sen. Döring machte deut­lich, dass so­zi­al be­nach­teiligte Menschen sich Arz­nei­mit­tel im Rahmen der Selbstmedikation häufig nicht leis­ten könnten, auf Un­ter­stüt­zung an­ge­wie­sen sind oder auf die Selbstmedikation verzichten.

Inzwischen haben sich in Deutsch­land ei­ni­ge Medikamenten-Tafeln etabliert, die den bedürftigen Men­schen Arz­nei­mit­tel zu ei­nem ermäßigten Preis an­bie­ten. Als Sponsoren tre­ten unterschiedliche Per­so­nen oder Institutionen auf. Döring und Puteanus stellten verschiedene Arz­nei­mit­telgruppen, Mög­lich­keit­en des vergünstigten Erwerbs und ei­ne entsprechende Bedarfsanalyse für so­zi­al benachteiligte Men­schen vor. Ob Medikamenten-Tafeln tat­säch­lich ei­ne sinnvolle Mög­lich­keit dar­stel­len, diesen Ver­sor­gungs­mangel zu schlie­ßen, wurde von den Workshop-Teilnehmer/in­nen kri­tisch diskutiert.

Ausblick: Menschen in Armut entlasten

Unser der­zeitiges Gesundheitsversorgungssystem ist so­zi­al un­ge­recht. Zahlreiche Bevölkerungsgruppen kön­nen die bestehenden medizinischen An­ge­bo­te nicht in An­spruch neh­men, da ih­nen die finanziellen Res­sour­cen feh­len. Alle Re­fe­rent/in­nen forderten dem­ent­spre­chend auch ei­ne Ent­las­tung von Ar­mut betroffener Men­schen durch ei­ne Strei­chung der Praxisgebühr, Be­frei­ung von Zu­zah­lung­en bei Medikamenten, Heil- und Hilfsmittel und kei­ner­lei neue Zuzahlungsmodelle und Er­he­bung von Sonderbeiträgen. Zu­dem muss das medizinische Versorgungskonzept in Deutsch­land so gestaltet sein, dass ei­ne Par­ti­zi­pa­ti­on durch jede/n Bür­ger/in mög­lich ist. Subversorgungseinrichtungen müs­sen sich im­mer wie­der kri­tisch reflektierend im Sinne ei­ner zusätzlichen Ausgrenzungsproblematik in Fra­ge stel­len. Auch wenn dies zum Überleben vieler Menschen in Deutsch­land der­zeit sinn­voll und not­wen­dig ist, muss ei­ne systemimmanente Regelversorgung angestrebt wer­den und letzt­end­lich mög­lich sein.

Work­shop „Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung im
Be­reich der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung wohnungsloser Menschen“

Dr. Cars­ten Kö­nig und Dr. Viola Lenz von der Medizinische Hilfe für Wohnungslose Düs­sel­dorf e.V. stell­ten ih­re „In­iti­a­ti­ve Präventionsarbeit in der Obdachlosenmedizin - Imp­fung­en - DMP - Di­a­be­tes - COPD - KHK - Asth­ma - Vorsorgemaßnahmen“ vor. So wird ge­zielt ei­ne Primärprävention (Imp­fung­en), Sekundärprävention (Gesundheitschecks: Blut­druck, Di­a­be­tes usw.) und Tertiärprävention (u. a. Durch­füh­rung von Disease-Management-Programmen für die Krankheitsbilder KHK, COPD, Di­a­be­tes mellitus usw.) angeboten und durchgeführt.

Dr. Ma­ria Goetzens von der Elisabeth-Straßenambulanz, Zen­trum für Wohnungslose des Ca­ri­tas­ver­ban­des in Frankfurt, stellte Versorgungsstrategien zur Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung bei Men­schen in Woh­nungs­not so­wie Stra­te­gien ge­gen ei­ne Fehl- und Un­ter­ver­sor­gung von Migrant/in­nen vor.

Schließlich präsentierte Li­via Mutsch, In­iti­a­ti­ve neunerHaus - Hilfe für obdachlose Menschen in Wien (Ös­ter­reich), das Pilotprojekt „Gesundheitsstraße“: Niederschwellige Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on im Setting der Wohnungslosenhilfe. Die Be­woh­ner/in­nen be­kom­men da­bei an einem Tag die Mög­lich­keit, bei verschiedenen Stationen des Gesundheitsversorgungsangebotes des neuerHauses ihren Ge­sund­heits­zu­stand von Fachpersonal tes­ten zu las­sen und individuelle Be­ra­tung zu er­hal­ten. Die Er­fah­rung­en zei­gen, dass niedrigschwellige Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on positiv wir­ken, wenn Maß­nah­men im Setting der Wohnungslosenhilfe aufsuchend durchgeführt wer­den und aus­rei­chend Zeit für Gespräche so­wie Mo­ti­va­ti­on der Ziel­grup­pe zur Verfügung steht.

Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung müs­sen ei­nen höheren Stel­len­wert in­ner­halb der Ge­sund­heits­ver­sor­gung von wohnungslosen Menschen ein­neh­men. Hier sind kreative und phan­ta­sie­vol­le An­ge­bots­kon­zep­te be­deut­sam, die ei­nen betroffenenzentrierten Motivationsanreiz be­in­hal­ten. Wenn dies erreicht wird, sind die Ak­zep­tanz, die konkrete Teil­nah­me und ei­ne nachhaltige Wir­kung mög­lich.

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  • Hannover

    Wohl.Fühlen in herausfordernden Zeiten

    Präventionsimpulse für die teil- und vollstationäre Pflege

    Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und neuer gesundheitlicher Herausforderungen gewinnen Gesundheitsförderung und Prävention in Pflegeeinrichtungen mehr denn je an Bedeutung. Sie tragen dazu bei, die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu erhalten, den Pflegebedarf zu reduzieren und können das Gesundheitssystem entlasten.

    Im Mittelpunkt der Fachtagung stehen innovative Ansätze für Prävention und Gesundheitsförderung in der teil- und vollstationären Pflege. Freuen Sie sich auf praxisnahe Impulse und interaktive Workshops zu aktuellen Themen wie Selbstfürsorge und Stressmanagement im Pflegealltag sowie den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und Nachhaltigkeit. Weitere Schwerpunkte sind Ernährung, Gewaltprävention, Bewegung und die Stärkung des psychosozialen Wohlbefindens.

    Eingeladen sind Pflege- und Betreuungskräfte, Leitungs- und Führungskräfte, Praxisanleitende, Auszubildende, Studierende, Träger und alle weiteren Interessierten.

    Die Veranstaltung bildet den Abschluss des Projekts Wohl.Fühlen – Klima und Gesundheit, einer Kooperation der LVG & AFS, der BARMER und der Hochschule Hannover.

    Kategorie: Veranstaltung
    Veranstalter: Landesvereinigung für Gesundheit und Alademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V.
  • Berlin

    Public Health in Krisen und Katastrophen

    Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Public Health e.V.

    Krisen und Katastrophen nehmen immer mehr Einfluss auf unseren Alltag, egal ob Pandemien, Hitzewellen, Überschwemmungen, geopolitische Konflikte oder Angriffe auf kritische Infrastrukturen. Diese und vergleichbare Ereignisse stellen eine Bedrohung für das Leben und die Gesundheit breiter Bevölkerungsgruppen dar. Angesichts dessen steht Public Health - als Wissenschaft und Praxis - vor der gewaltigen Aufgabe, unsere gemeinsame Lebensgrundlage und die Gesundheit der Bevölkerung auch unter zunehmend unsicheren Bedingungen zu schützen und zu erhalten. Gemeinsam wollen wir überlegen, welche Strukturen, Strategien und Kompetenzen erforderlich sind, um aktuellen und zukünftigen Krisenlagen im Gesundheitswesen qualifiziert begegnen zu können. 

    Das ausführliche Programm und Informationen zur Anmeldung finden Sie hier.

    Kategorie: Jahrestagung
    Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Public Health e.V.
  • 18.03.2026

    online

    Difu-Dialog

    Kommunale Hitzevorsorge – Strategien, Partner, Praxisbeispiele

    Mit fortschreitendem Klimawandel steigen auch die gesundheitlichen Risiken von Hitzewellen in Deutschland. Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, chronisch Kranke und sozial Benachteiligte. Hitzevorsorge und Hitzeschutz beschäftigen viele Kommunen, denn städtische Hitzeinseln verschärfen die Belastung. Maßnahmen auf individueller, kommunaler und gesamtgesellschaftlicher Ebene sind zwingend notwendig, um Städte langfristig lebenswert zu erhalten. Doch wo stehen die Kommunen in Deutschland bei diesem Thema und wie können sie sich auf Hitzewellen vorbereiten? Welche Akteur:innen sind bei der Umsetzung von Maßnahmen wichtige Partner:innen? Und welche guten Beispiele und Learnings gibt es aus Deutschland und Europa?

    Weitere Informationen und den Link zur Anmeldung finden Sie hier.

    Kategorie: Veranstaltung
    Veranstalter: Deutsches Institut für Urbanistik

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Leitfaden zur Erstellung von Artikeln

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