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Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit

Alle Jahre wieder: der Kongress Armut und Gesundheit

Joseph Kuhn , Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
16.01.2012

Ein Kommentar

Zum 17. Mal findet jetzt der Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit statt. Reicht das nicht lang­sam? Weiß man nicht in­zwi­schen zur Ge­nü­ge, dass so­zi­al Be­nach­tei­lig­te kränker sind, seltener zum Arzt ge­hen und frü­her ster­ben? Ja, man weiß es zur Ge­nü­ge - und will es doch nicht wis­sen, wenn es um die großen und klei­nen Weichenstellungen der gesellschaftlichen Ent­wick­lung geht. Da wer­den dann die Hürden beim Be­zug von So­zi­al­leis­tun­gen wie­der et­was höher gezogen, weil die Finanzen so knapp sind oder ei­ne neue Va­ri­an­te von prekärer Ar­beit etabliert, weil der Wett­be­werb mehr Fle­xi­bi­li­tät auf dem Ar­beits­markt erfordert. Die Ar­men als Mobilisierungsreserve der Ge­sell­schaft - die­ses neoliberale Denken ist nach wie vor weit verbreitet und es hat ge­sund­heit­liche Fol­gen.

Dass arm und krank zu­sam­men­hän­gen, weiß man in der Tat seit langem, man könnte bis zu Jo­hann Pe­ter Franks berühmter „Akademischen Re­de vom Volkselend als der Mut­ter aller Krank­heit­en“ in Pa­via 1790 zu­rück­ge­hen, oder zu dem fast vergessenen, aber wegweisenden Buch „Krank­heit und soziale La­ge“ von Max Mosse und Gus­tav Tugendreich, das - 1913 erschienen - mit seiner brei­ten Be­trach­tung gesundheitlicher Un­gleich­heit in den verschiede­nen Lebensbereichen schon vor 100 Jahren den Lebenslagenansatz vorweggenommen hat. Soziale Un­gleich­heit und ih­re gesundheitlichen Fol­gen haben in unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Be­deu­tung, aber sie sind für Public Health nie be­deu­tungs­los und ge­gen­wär­tig ist ih­re Be­deu­tung trotz einer vergleichsweise guten sozialstaatlichen Absicherung groß. Soziale Un­gleich­heit nimmt in Deutsch­land zu. Die Re­al­ein­kom­men der Geringverdiener sind in den let­zen 10 Jahren nicht gestiegen. 10 Jahre Un­ter­schied in der Le­bens­er­war­tung tren­nen das un­te­re und das obere Einkommensfünftel. Das ist an­ge­sichts des gesellschaftlichen Reichtums und der Mög­lich­keit­en, die diese Ge­sell­schaft hätte, um mehr Chan­cen­gleich­heit zu schaffen, ei­gent­lich ein sozialpolitischer Skan­dal.

„Eigentlich“ - weil ein Skan­dal nur dann ein Skan­dal ist, wenn es da­rü­ber auch öffentliche Em­pö­rung gibt. Dass die 10 Jahre kürzere Le­bens­zeit für Geringverdiener je zu öffentlicher Em­pö­rung geführt hätte, ist nicht be­kannt. Man empört sich - zu Recht oder zu Unrecht - über den Bau des Stutt­gar­ter Tiefbahnhofs, über Di­o­xin in Eiern, über Guttenbergs Plagiat oder über Wulffs verbale Umrundungen der ganzen Wahr­heit bei einem Hauskredit. Die gesundheitlichen Fol­gen der sozialen Un­gleich­heit sind da­ge­gen kein Medienthema. Da stel­len Journalisten keine 500 Fra­gen an das Bundespräsidialamt, da cam­pen keine Demonstranten vor dem Ge­sund­heitsministerium. Weil das so ist, braucht es Foren, in de­nen über Ar­mut und Ge­sund­heit gesprochen wird, in de­nen große Visionen einer gerechteren Ge­sell­schaft und kleine Projekte der Suchthilfe für Ar­beits­lo­se oder der HIV-Aufklärung für Migrantinnen und Migranten vorgestellt, diskutiert und gewürdigt wer­den. Der Aus­tausch dient der Selbstverständigung und Selbstvergewisserung einer So­zi­al­kri­tik, die weiß, dass sie die Welt nicht von heute auf morgen verändern wird, die aber auch die 10 Jahre Un­ter­schied der Le­bens­er­war­tung zwi­schen arm und reich nicht kommentar- und ta­ten­los hinnehmen will.

Der Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit ist ein solches Fo­rum. Er bringt Jahr für Jahr Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler, Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter aus der Ge­sund­heitsverwaltung, aus Kran­ken­kas­sen, Gewerkschaften, Projektbeteiligte, Stu­die­ren­de und Neugierige zu­sam­men, ei­nen gesellschaftlichen Quer­schnitt Interessierter und Engagierter, und leistet so ei­nen Bei­trag da­zu, die gesundheitlichen Fol­gen so­zi­aler Unterschiede im­mer wie­der be­wusst zu ma­chen und be­wusst zu halten.

Wirk­sam­keit und Qualitätsentwicklung als Schwerpunkte des diesjährigen Kon­gresses: Es gibt kei­ne nachhaltige Wirk­sam­keit, wenn Ge­sund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on auf dem gesellschaftlichen Treib­sand so­zi­aler Un­gleich­heit aufgebaut sind. Die berühmte „working upstream“-Metapher, die so oft bemüht wurde, um den Vorteil der Prä­ven­ti­on vor der reparierenden Kuration zu veranschaulichen, gilt auch für die Prä­ven­ti­on selbst. Es genügt nicht, den so­zi­al produzierten Ge­sund­heitsrisiken auf der individuellen Ebe­ne mit Ge­sund­heitskursen hinterherzulaufen. Prä­ven­ti­on, die lang­fris­tig et­was be­wir­ken will, muss versuchen, den Pro­zess der so­zi­alen Risikoproduktion selbst zu be­ein­flus­sen. Gemeinsam, mit allen, die da­zu et­was bei­tra­gen kön­nen und wol­len. Der Rück­blick auf das Mosse-Tugendreich-Buch zeigt, dass das ein Sisyphos-Projekt ist, oder positiver formuliert: ei­ne Daueraufgabe nachhaltiger gesellschaftlicher Re­pro­duk­ti­on. So gesehen, spricht vieles für die Not­wen­dig­keit, im Jahr 2095 den 100. Kon­gress Ar­mut und Ge­sund­heit durchzuführen.

Sie können sich zum 17. Kongress Armut und Gesundheit am 9. und 10. März 2012 in Berlin online anmelden! Das Kongressprogramm finden Sie hier.

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  • Berlin

    Engagiert. Inklusiv. Ankommen.

    Kulturelle Teilhabe und freiwilliges Engagement als Schlüssel zur Integration für Menschen mit Fluchtgeschichte und Behinderung

    Der Verein KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V. richtet im Rahmen der Veranstaltungen zum 15-jährigen Vereinsjubiläum den Fachtag "Engagiert. Inklusiv. Ankommen: Kulturelle Teilhabe und freiwilliges Engagement als Schlüssel zur Integration für Menschen mit Fluchtgeschichte und Behinderung" aus. Die Veranstaltung bringt internationale Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Zivilgesellschaft zusammen, ebenso wie Akteur*innen aus Initiativen, Selbstorganisationen und migrantischen Communities. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Praxiserfahrungen zu verknüpfen und tragfähige Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Ein zentrales Thema des Fachtags ist die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte und Behinderung.

    Neben Fachvorträgen und Impulsen im Plenum werden auch fünf parallel stattfindende Workshops für kleinere Diskussionsrunden angeboten. Das Programm des Fachtages, weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.

    Kategorie: Fachtagung
    Veranstalter: KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur e.V.
  • Berlin

    Gesundheitsziele Konferenz 2025: Health in All Policies - Kooperation als Erfolgsfaktor

    Am 8. Dezember 2025 laden wir Sie herzlich in die Landesvertretung Brandenburg in Berlin ein, um gemeinsam die Zukunft der Präventionslandschaft in Deutschland zu gestalten. Die Konferenz bringt wichtige Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis zusammen, um neue Impulse für eine stärkere Verankerung von Gesundheit in allen Politikbereichen zu setzen. Dazu hält Ilka Wölfle (DSV Europa) einen Impuls zum Health in All Policies Ansatz im internationalen Vergleich. Außerdem wird der "Public Health Index - Gesundheitsschutz im internationalen Vergleich" des AOK-Bundesverbandes vorgestellt. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildet die Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Gäst*innen zur Zukunft der Präventionslandschaft in Deutschland. 

    Zudem erhalten Sie Einblicke in die aktuellen Arbeitsschwerpunkte des Forums Gesundheitsziele zu den Themen Einsamkeit, Gesundheit rund um die Geburt und die Aktualisierung der bisherigen Gesundheitsziele. Die Veranstaltung klingt bei einem Get-Together mit leichtem Catering aus und bietet Raum für Vernetzung und vertiefende Gespräche.

    Den Link zur Anmeldung finden Sie hier .

    Veranstalter: GVG e.V.
  • Hannover

    Wohl.Fühlen in herausfordernden Zeiten

    Präventionsimpulse für die teil- und vollstationäre Pflege

    Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und neuer gesundheitlicher Herausforderungen gewinnen Gesundheitsförderung und Prävention in Pflegeeinrichtungen mehr denn je an Bedeutung. Sie tragen dazu bei, die Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu erhalten, den Pflegebedarf zu reduzieren und können das Gesundheitssystem entlasten.

    Im Mittelpunkt der Fachtagung stehen innovative Ansätze für Prävention und Gesundheitsförderung in der teil- und vollstationären Pflege. Freuen Sie sich auf praxisnahe Impulse und interaktive Workshops zu aktuellen Themen wie Selbstfürsorge und Stressmanagement im Pflegealltag sowie den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und Nachhaltigkeit. Weitere Schwerpunkte sind Ernährung, Gewaltprävention, Bewegung und die Stärkung des psychosozialen Wohlbefindens.

    Eingeladen sind Pflege- und Betreuungskräfte, Leitungs- und Führungskräfte, Praxisanleitende, Auszubildende, Studierende, Träger und alle weiteren Interessierten.

    Die Veranstaltung bildet den Abschluss des Projekts Wohl.Fühlen – Klima und Gesundheit, einer Kooperation der LVG & AFS, der BARMER und der Hochschule Hannover.

    Kategorie: Veranstaltung
    Veranstalter: Landesvereinigung für Gesundheit und Alademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V.

… weitere Termine

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Reichen Sie gern Ihren Artikel zur soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung bei der Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes ein! Für die Erstellung eines Artikels finden Sie hier einen Leitfaden mit unseren formalen und inhaltlichen Anforderungen.  

Ansprechpersonen

Die Geschäftsstelle des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit erreichen Sie jederzeit hier.

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