Die Modellregion Chemnitz Plus hat zum Ziel, mit einem integrierten Gesundheits- und Versorgungsnetzwerk in der Region Chemnitz die Lebensbedingungen älterer Menschen in ihrem Wohnumfeld zu verbessern. Die konkrete Umsetzung findet im unmittelbaren Lebensumfeld der älteren Menschen statt und wird dort von den einzelnen Wohnungsgenossenschaften mit den dazugehörigen Netzwerkbeteiligten gestaltet (siehe Abbildung). Der Wohnraum als Setting der Gesundheitsförderung schließt dabei die Teilsettings Wohnung, Wohnhaus und Wohngebiet (Quartier) mit ein.
Durch die Vernetzung und Weiterbildung der Beteiligten, die Stärkung der Ressourcen der älteren Menschen und die Schaffung konkreter Angebote und Hilfestrukturen in der Wohnung (baulicher Art) sowie im Wohnumfeld (sozialer Art und städtebaulicher Art) nimmt Chemnitz Plus Einfluss auf die Gesundheit älterer Menschen.
Beispiele für gesundheitsrelevante Maßnahmen in den verschiedenen Teilsettings sind:
Wohnung:
- barrierearmer Umbau von Wohnungen
- Integrierung technischer Unterstützungsmöglichkeiten
- Farbgestaltung
- Erstellung verschiedener Hilfsmittel für Mieterinnen und Mieter wie z. B. ?Katalog Kleiner Anpassungsmaßnahmen?, der dafür sensibilisiert, dass auch kleinere Veränderungen in der Wohnung hilfreich sein können
Wohnhaus:
- Digitale Haustafel: Monitor mit aktuellen Informationen, z. B. Wettervorhersage und Busfahrplan
- Rollator-Garagen
- Beleuchtung und Farbgestaltung
Wohngebiet:
- niedrigschwellige Vertrauensperson im Quartier (Soziale Kümmerer)
- Schaffung von Begegnungspunkten und -räumen
- Mehrgenerationsspielplätze
- Sitzbänke und Kommunikationsräume im Freien
- Qualifizierung der Mieterinnen und Mieter durch den Seniorencampus und weitere gezielte Angebote wie Mobilitätstrainings mit Rollator.
- Sensibilisierung und Förderung von Gemeinschaftssinn durch Veranstaltungen und Feste.
Selbstbestimmtes Wohnen und Leben im Alter setzen eine entsprechende Gestaltung der physisch-technischen Umwelt voraus.
Schwerpunkte bilden für Chemnitz Plus dabei das barrierefreie bzw. barrierearme Bauen und barrierefreie Mobilitäts- und Kommunikationsangebote.
In der Projektsäule "Unterstützung" untersucht ein Forschungsprojekt, wie die Wohnungen gestaltet und ausgestattet sein müssen, damit sie für ältere Menschen und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen lange sicher und komfortabel bewohnbar bleiben.
Die Bewohnerschaft wird motiviert und befähigt, sich an diesen Prozessen zu beteiligen. Eine Schlüsselrolle nehmen hierbei die Sozialen Kümmerer als niedrigschwellige Ansprechpersonen in den Quartieren ein (siehe ausführliche Beschreibung des Ansatzes beim Kriterium Multiplikatoren-Konzept). Im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit und durch verschiedene Angebote und Veranstaltungen sollen ältere Menschen frühzeitig erreicht, zu gesundheitsrelevanten Themen sensibilisiert und informiert sowie in ihren Handlungskompetenzen gestärkt werden.
Die Aktivitäten im Rahmen von Chemnitz Plus zielen zudem drauf ab, Strukturen zu stärken und neue Strukturen zu etablieren, die zu Teilhabe und Mitwirkung anregen. Schwerpunkte stellen dabei die drei Bedarfsfelder "Soziale Vorsorge", "Miteinander im Quartier" sowie "Nahversorgung und Mobilität" dar. Genossenschaften sind von Grund auf beteiligungsorientiert strukturiert. In den jährlichen Mitgliederversammlungen wird die Mieterschaft über die Projektaktivitäten informiert. Parallel dazu gibt es in den Gemeinschaftsräumen vor Ort Veranstaltungen, in denen Bedarfe, Wünsche und Fragen im direkten Kontakt mit den Mieterinnen und Mietern aufgenommen werden.
Die Koordinierung der gesundheitsfördernden Aktivitäten für ältere Menschen ist ein fester Bestandteil in den Quartieren. Die Koordination übernehmen Personen aus den einzelnen Wohnungsgenossenschaften: Es variiert von Quartier zu Quartier, ob es sich hierbei um Soziale Kümmerer, Nachbarschaftshelfende, Alltagsbegleitende oder Mitarbeitende der Wohnungsgenossenschaften handelt.
Beispiel: Wohnungsgenossenschaft "Fortschritt" Döbeln eG
Die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt Döbeln eG (WGF) arbeitet seit 2006 kontinuierlich am Aufbau von Strategien und Lösungen, um die Lebensbedingungen von Menschen in den Wohngebieten bis ins hohe Alter zu verbessern. Die WGF hat in den letzten Jahren ein umfassendes Netzwerk mit einer Vielzahl von Akteuren im regionalen Versorgungsbereich aufgebaut. Maßgeblich dafür sind die AG Sozialmanagement mit verschiedenen Unterarbeitsgruppen, koordiniert durch die Mitarbeitende der WGF für Soziales und Projekte. Ziel ist es, die Akteure in den Wohngebieten optimal zu vernetzen, um im Bedarfsfall kompetente Ansprechpersonen vermitteln und Unterstützung bieten zu können.
Zur Koordination aller Aktivitäten in den Wohngebieten in Döbeln wurde 2016 eine Soziale Kümmerin etabliert, die eng an die Mitarbeiterin für Soziales angebunden ist. Sie koordiniert die Unterstützungs- und Betreuungsangebote und kennt die lokalen Beteiligten und Ansprechpersonen. Zugang zu den älteren Menschen hat die in Vollzeit tätige Soziale Kümmerin durch ihre Präsenz in den Wohngebieten, durch die Beteiligung an den vielfältigen Veranstaltungen der Wohnungsbaugenossenschaft sowie durch den Kontakt zu den Ehrenamtsgruppen.
Einer sehr breiten ehrenamtlichen Mitarbeit ist es gelungen, ca. 500 Teilnehmende zur aktiven Freizeitgestaltung und zur Mitarbeit zu begeistern. So wurden 25 Freizeitgruppen gegründet, die sich eigenständig organisieren und die sich auch in die zentralen Aktivitäten der Genossenschaft unter anderem mit Radfahrgruppen, einer Nordic-Walking Gruppe und einer Heimwerkergruppe einbringen. Die Soziale Kümmerin unterstützt die Ehrenamtlichen bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen sowie bei Fragen zur Zusammenstellung und Neugründung von Gruppen.
Als Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes entstand im Wohngebiet Döbeln Ost II ein Mehrgenerationen-Sportplatz. Dieser wurde über die Sportförderung des Freistaates Sachsen, des Landkreises Mittelsachsen und der Stadt Döbeln durch den Sportverein Döbelner SC 02/90 e V (DSC) gemeinsam mit regionalen Partnern eingerichtet, u.a. der Wohnungsgenossenschaft ?Fortschritt? Döbeln eG (WGF). Damit wurde eine Sportstätte im nahen Wohnumfeld geschaffen, um auch diejenigen aus der Bewohnerschaft zu Bewegung zu animieren, die noch keinen Sport treiben. Ergänzend zu den Geräten wurden ein Bocciaplatz und ein großformatiges Schachspiel angelegt, die Raum und Anlässe für gemeinsame Aktivität schaffen. Unter dem Motto "Neues Wohnen für alte Mieter" wurden Ideen entwickelt und umgesetzt, die dem Wohngebiet einen eigenen Charakter geben. Nach einer großflächigen Entkernung der alten Außenanlage wurde zunächst eine umfassende Grünfläche angelegt. Eine erste Aktion in der neu geschaffenen Begegnungsstätte war das 1. WGF-Parkfest. Neben der Mehrgenerationssportanlage wurde im Wohnpark ein Kneippbecken installiert.
Im Rahmen des Veranstaltungskonzepts "WGF-Spezial" stellen Kooperierende und regionale Dienstleistende aus dem Netzwerk unterschiedliche Themen vor, z. B. Demenz oder Umgang mit Schulden. Diese Veranstaltungen sind häufig "Türöffner" zu weiteren Unterstützungsangeboten. Die Öffentlichkeitsarbeit der WGF informiert über diese Veranstaltungen, die Soziale Kümmerin sorgt für niedrigschwellige Zugänge. Sie spricht gezielt Personen mit einem möglichen Bedarf an, begleitet zu Veranstaltungen und ist als Gesprächspartnerin vor Ort präsent.