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23.02.2015

"Wir brauchen professionelle Netzwerktechniker…"

Interview mit Prof. Dr. Oliver Fehren zu nahraumorientierter Gesundheitsförderung

Oliver Fehren, Alice Salomon Hochschule Berlin

Schlagwörter:Kommunen, Pakt für Prävention, Sozialraum, Stadtentwicklung, Vernetzung

Der Stadt­teil, die Wohn­um­gebung der Menschen kann einen wesent­lichen Ein­fluss auf die Ge­sund­heit ihrer Be­woh­ne­rin­nen und Be­woh­ner haben. Ge­sund­heits­för­de­rung sollte sich des­halb auch stärker auf den lokalen Nah­raum beziehen, bzw. hier ein­ge­bet­tet sein, da­von zu­min­dest ge­hen An­sätze der stadt­teil­bezogenen Ge­sund­heits­för­de­rung aus.

Was sind die rele­vanten Raum­konzepte in die­sem Zu­sam­men­hang und wie las­sen sie sich ziel­führend mit Ge­sund­heits­för­de­rung verknüpfen? Wo lie­gen Poten­tiale und Her­aus­for­de­rung­en einer nah­raum­bezogenen Ge­sund­heits­för­de­rung?

Mit diesen Fra­gen setzten sich Prof. Dr. Oli­ver Fehren und Dr. Gesine Bär im Rahmen des Kon­gress „Sozial­räumliche Ge­sund­heits­för­de­rung“ des Ham­burger Pakt für Prä­ven­ti­on Fra­gen aus­ei­nan­der. Sie plädierten da­bei un­ter anderem für die Ein­rich­tung bzw. Stär­kung von Vermittlungs­instanzen auf kom­munaler, Landes- und Bun­des­ebe­ne.

Ihren gesam­ten Vortrag „Sozial­raum­orien­tierung, inte­grierte Stadt­teil­ent­wick­lung und Ge­sund­heits­för­de­rung: Von Schnitt­men­gen zu Sy­ner­gien!?“ kön­nen Sie hier herun­terladen.

Im In­ter­view mit Prof. Dr. Oli­ver Fehren werden ei­ni­ge Aspekte des Vortrages nä­her beleuchtet.

Inwiefern ist ei­ne verstärkte Raumorientierung in der Ge­sund­heits­för­de­rung aus Ihrer Sicht über­haupt sinn­voll? Welchen Herausforderungen müs­sen sich Ak­teu­rin­nen und Akteure der kommunalen Ge­sund­heits­för­de­rung in diesem Be­reich stel­len?

Erstens: Gesundheitsfördernde Maß­nah­men er­zie­len dann die besten Wir­kung­en, wenn sie sich stark an die In­te­res­sen und Themen der Menschen an­leh­nen. Das erfordert Handlungsansätze, die sich kon­se­quent an den Ad­res­sa­tin­nen bzw. Adressaten und ihrem All­tag ori­en­tie­ren. Die Ge­sund­heits­för­de­rung an lokalen Nahräumen auszurichten, ist da­für ei­ne notwendige, al­ler­dings kei­nes­falls hinreichende Voraussetzung. Erst durch die Verbindung ei­ner nahräumlichen Ori­en­tie­rung mit zugehender, aufsuchender Ar­beit kann der partizipative An­spruch von New Public Health eingelöst wer­den.

Zweitens: In der Vergangenheit wurden die Potenziale von sozialräumlichen Umwelten für die Ge­sund­heits­för­de­rung nicht sys­te­ma­tisch genutzt. Diese wer­den durch sozialraumorientierte Ansätze nun stärker in den Fo­kus gerückt. Gleichzeitig, und das ist mir wich­tig zu mar­kie­ren, wird da­mit auch der professionelle An­spruch an die Ge­sund­heits­för­de­rung hervorgehoben.  Sie muss ei­ne of­fen­siv gestaltende Funk­ti­on ein­neh­men. Die herausfordernde Auf­ga­be lautet dann, die Lebensräume von Menschen so mitzugestalten und anzureichern, dass sie für gesundes Aufwachsen und „well being“ ermöglichende Umwelten bil­den. Das erfordert auch kritische Hinweise der Fachkräfte auf fehlende oder mangelnde Res­sour­cen im So­zi­al­raum.

In Ihrem Vortrag stel­len Sie die beiden Konzepte Sozialraumorientierung und integrierte Stadtteilentwicklung ge­gen­über. Was sind da­bei wesentliche Schnitt­men­gen und wel­che Sy­ner­gien gilt es ins­be­son­de­re im Be­reich der kommunalen Ge­sund­heits­för­de­rung zu nut­zen?

Die alltäglichen Er­fah­rung­en der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in ihren Lebenswelten ei­ner­seits und das Handeln von Institutionen und Organisationen in Staat und Markt an­de­rer­seits driften zunehmend aus­ei­nan­der. Aufgrund der Ausdifferenzierung der Zu­stän­dig­keit­en, Ak­teu­rin­nen und Akteure auch im Gesundheitsbereich wird zu­dem kooperatives Handeln im­mer unwahrscheinlicher. Hier bildet die gemeinsame Be­zug­nah­me auf lokale Nahräume ei­ne der wenigen Mög­lich­keit­en, wie­der integrierter zu agie­ren. Das bedeutet die Vernetzung und Bündelung der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, aber auch der professionellen Fachkräfte, ihrer fach­lichen Ex­per­ti­se, ihrer Budgets und ihrer Ideen voranzutreiben, oh­ne da­bei die jeweiligen Per­spek­ti­ven und die fach­lich notwendige Spezialisierung der einzelnen Dienste und Ressorts einzuebnen.

Als wesentliches Potential ei­ner erfolgreichen Ge­sund­heits­för­de­rung im Quar­tier nen­nen Sie die Stär­kung von „Vermittlern“. Auf welchen Ebe­nen spie­len sie bei nahraumorientierter Ge­sund­heits­för­de­rung ei­ne Rol­le und wie kann diese gestärkt wer­den?

Die notwendigen Res­sour­cen für die Ge­stal­tung gesundheitsförderlicher Stadt­teile  lie­gen häufig auch au­ßer­halb des lokalen Ge­mein­we­sens und müs­sen dort aktiviert wer­den. Ein lokales Ge­mein­we­sen, sei­ne Be­woh­ne­rin­nen, Be­woh­ner und Institutionen sind im­mer Teil ei­nes größeren Ge­mein­we­sens. Die gesamtstädtische Ad­mi­nis­tra­ti­on hat ei­nen nicht unbedeutenden Ein­fluss auf die Le­bens­be­din­gung­en im Stadt­teil. Auch ei­ne sozialraumorientierte Ge­sund­heits­för­de­rung muss die gesamtstädtische Ebe­ne er­rei­chen, sonst besteht die Ge­fahr, im Lo­ka­len ste­cken zu blei­ben. Daher benötigen wir ne­ben der horizontalen Vernetzung im Stadt­teil auch professionelle Netzwerktechniker, die gleich­sam vertikal die im lokalen So­zi­al­raum entstehenden Themen und In­te­res­sen zur Ge­sund­heits­för­de­rung mit den relevanten überlokalen Institutionen und Entscheidungsebenen, et­wa mit kommunaler Politik und Verwaltung, verknüpfen.

Die Fragen stellte Lea Winnig

Der Kongress „Sozialräumliche Gesundheitsförderung fand 10.September 2014 statt.
Mehr zum Kongress erfahren Sie hier.  

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