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06.07.2015

Gesundheitsbezogene Beratung durch Soziale Arbeit für benachteiligte ältere Menschen

Vernetzung über die Sektorengrenzen hinweg muss das Ziel sein

Holger Adolph, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen e.V.
Heike Ulrich, Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG)

Schlagwörter:Soziallage, Vernetzung, Ältere

Gesundheits- und pflegebezogene psychosoziale Be­ra­tung gehört zu den häufig genutzten Angeboten für ältere Menschen mit gesundheitlichen Ein­schrän­kung­en und deren An­ge­hö­ri­ge. Allerdings weist die Nut­zung vieler Be­ra­tungsangebote ei­ne soziale Se­lek­ti­vi­tät auf. Be­nach­tei­lig­te Grup­pen, die ei­nen hohen Informations- und Be­ra­tungsbedarf haben und be­son­ders von Be­ra­tung profitieren würden, fin­den nur in unterdurchschnittlichem Maß Zu­gang zu den Angeboten.

Die Langfassung die­ses Artikels stellt spezifische Be­ra­tungsbedarfe und Brüche in den „Be­ra­tungsketten“ benachteiligter älterer Patientengruppen so­wie den Bei­trag und die Per­spek­ti­ve der Sozialen Ar­beit  in der gesundheitsbezogenen psychosozialen Be­ra­tung für diese Grup­pen dar.

Im Fa­zit wer­den An­re­gung­en für die strukturelle Wei­ter­ent­wick­lung der Be­ra­tungslandschaft ge­ge­ben.

Strukturelle Defizite der Beratungslandschaft

Damit ältere Menschen in schwieriger sozialer La­ge Beratungsangebote bes­ser nut­zen kön­nen, müs­sen aus Sicht der Deut­schen Vereinigung für Soziale Ar­beit im Gesund­heits­wesen (DVSG) zwei Defizite in der Beratungslandschaft für ältere Menschen ausgeräumt wer­den:

Nicht-flächendeckender Er­reich­bar­keit von Beratungsangeboten: Die Si­tu­a­ti­on der flächendeckenden Be­reit­stel­lung von gesundheitsbezogenen Beratungsangeboten in den Sozialdiensten der Kliniken und in ambulanten Beratungsstellen unterscheidet sich zwi­schen einzelnen Klinikträgern und zu­dem in ländlichen Gebieten deut­lich von der in Großstädten. In vielen ländlichen Regionen besteht ei­ne Un­ter­ver­sor­gung mit unabhängigen Beratungsangeboten, die von den Ratsuchenden per­sön­lich aufgesucht wer­den kön­nen oder die zugehende Be­ra­tung­en an­bie­ten und spezifische Kenntnisse der Versorgungssituation vor Ort haben.

Unkoordiniertes ne­ben­ei­nan­der von Beratungsangeboten: Für ältere Pa­ti­en­tin­nen und Patienten und ihren An­ge­hö­ri­gen stellt sich die Beratungslandschaft als sehr un­über­sicht­lich dar. Bisher gibt es kein klares politisches Kon­zept, wie ein flächendeckendes abgestuftes Beratungsnetz aus­se­hen kann, das den Herausforderungen der sich wandelnden Beratungsbedarfe ge­recht wird und räumliche Ungleichheiten zwi­schen Stadt und Land minimiert. Weiter braucht es klare Re­ge­lung­en zur Fi­nan­zie­rungsverantwortung zwi­schen Bundes-, Länder- und kommunaler Ebe­ne so­wie den Kostenträgern.

Ferner muss die Fi­nan­zie­rung von Beratungsleistungen be­rück­sich­ti­gen, dass zielgruppenspezifische An­ge­bo­te für benachteiligte Grup­pen, bei­spiels­wei­se durch aufsuchende Beratungsangebote, mit ei­nem erhöhten Auf­wand verbunden sind.

Vernetzung als zentrale Anforderungen für die Verbesserung der Beratungslandschaft für benachteiligte ältere Menschen

Auch dort wo struk­tu­rell be­ra­ten­de und lei­stungs­er­schlie­ßen­de An­ge­bo­te vor­han­den sind, fehlt es häu­fig an ei­ner sys­tem­at­isch­en Ko­o­pe­ra­ti­on zwi­schen so­zi­alen Be­ra­tungs- und Un­ter­stütz­ungs­an­ge­bo­ten in A­kut­kli­nik­en und Re­ha­kli­nik­en auf der ei­nen Sei­te und ge­sund­heits­be­zo­gen­en am­bu­lan­ten Be­ra­tungs­stel­len - wie Pfle­ge­stütz­punkt­en, De­menz­be­ra­tung, Se­nio­ren­be­ra­tung u.a. - auf der anderen Sei­te. Die mangelnde Vernetzung trifft für An­ge­bo­te der kommunalen Al­ten­hil­fe mit de­nen des Gesundheits­wesens in noch stärkerem Maß zu. Von gelingenden Ko­o­pe­ra­ti­onen würden ins­be­son­de­re benachteiligte Grup­pen älterer Menschen profitieren, da diese zwar im Krankenhaus re­la­tiv gut von der Be­ra­tung durch Sozialdienste erreicht wer­den, es nach der Ent­las­sung aber häufig zu ei­nem Bruch in der Be­ra­tungskette kommt, wenn ambulante Be­ra­tungsstellen trotz vorhande­nen Be­ra­tungsbedarfs nicht aufgesucht wer­den.

Die Zu­stän­dig­keit der Sozialen Ar­beit in Krankenhäuser und Rehakliniken endet heute an der Krankenhaustür. Um die Nachversorgung der Pa­ti­en­tin­nen und Patienten nach­hal­tig zu si­chern, sollten zum ei­nen die Kompetenzen des Ent­las­sungsmanagements in den ambulanten Be­reich hinein ausgeweitet und Verordnungen von Nach­sor­ge­maß­nah­men aus dem Kran­ken­haus ver­ein­facht wer­den. Zum anderen braucht es ein „ambulantes Gegenüber“ für die Be­ra­tungsarbeit der Sozialdienste um die Pa­ti­en­tin­nen und Patienten auch im ambulanten Be­reich durch Case-Management, so­zi­ale Be­ra­tung und gesundheitsedukative Maß­nah­men un­ter­stüt­zen zu kön­nen. Dazu sollte die Vernetzung der Sozialdienste mit Institutionen der ambulanten Be­ra­tungs- und Case-Management-Infrastruktur (Pfle­ge­stütz­punk­te, Kre­bs­be­ra­tungs­stel­len, Ge­sund­heits­äm­ter, In­te­gra­tions­fach­dien­ste, Re­ha­bi­li­ta­tions­dien­ste, am­bu­lan­te ge­sund­heit­liche und so­zi­ale Be­ra­tungsstellen usw.) verbessert und ge­setz­lich verbindlich ge­re­gelt wer­den. Die Zeit für  Ko­o­pe­ra­ti­on mit anderen Versorgungs- und Be­ra­tungsakteuren ist wesentlicher Be­stand­teil und Qua­li­täts­e­le­ment der so­zi­al­ar­bei­ter­isch­en Be­ra­tungstätigkeit, die bei der Fi­nan­zie­rung ad­äquat berücksichtigt wer­den muss.

Eine enge Verzahnung von Pflegestützpunkten und Sozialdiensten der Akutkrankenhäuser kann durch die systematische In­for­ma­ti­on über ambulante Versorgungsangebote ei­ne deutliche Er­hö­hung der Nutzerzahlen der ambulanten Be­ra­tung un­ter be­nach­tei­lig­ten Grup­pen er­rei­chen (Papadopoulos und Vahrenhorst 2012).

Zur Vermeidung von so­zi­al induzierten Fehlnutzungen des Gesundheitssystems und zur Schaf­fung ei­nes Zu­gangs zu Be­ra­tungsangeboten für benachteiligte Grup­pen fehlt es zur­zeit au­ßer­dem an ei­ner Fi­nan­zie­rungsmöglichkeit für die Ko­o­pe­ra­ti­on von Fachkräften der Sozialen Ar­beit und Hausärztinnen und Hausärzten. Hausärztinnen und Hausärzte sind re­gel­mä­ßig so­wohl mit krankheitsbedingten so­zi­alen und so­zi­alrechtlichen Fra­ge­stel­lung­en bei älteren Patienten konfrontiert als auch mit den Fol­gen von so­zi­alen Defiziten und fehlenden Netzwerken, die un­ab­hän­gig von Er­kran­kung­en bzw. deren Fol­gen auf­tre­ten. Sie haben au­ßer­dem ei­nen guten Zu­gang zu älteren Patientengruppen, die von ambulanten Be­ra­tungsangeboten nur schwer erreicht wer­den.

Es muss ei­ne fi­nan­zi­ell abgesicherte Mög­lich­keit der Ko­o­pe­ra­ti­on von Hausärztinnen und Hausärzten Fachkräften der Sozialen Ar­beit im Rahmen des SGB V ggf. an anderer Stel­le geschaffen wer­den, wel­che die Hinzuziehung von Be­ra­tungsleistungen durch Fachkräfte der Sozialen Ar­beit für Ärztinnen und Ärzte er­mög­licht. Damit würde auch solchen älteren Pa­ti­en­tin­nen und Patienten der Zu­gang zu ei­ner spezifischen psychoso­zi­alen Be­ra­tung eröffnet und ein Bei­trag zur Au­to­no­mie die­ser Grup­pen geleistet, die selbst oder deren An­ge­hö­ri­ge aus eigenem An­trieb kei­ne ambulante Be­ra­tungsstelle auf­su­chen.

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