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Logo vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und Site-Slogan: Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit (Link zur Startseite)

Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen - das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 75 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die zentrale Aktivität der Koordinierungsstellen in den Bundesländern ist die Begleitung kommunaler Prozesse, insbesondere über den Partnerprozess "Gesundheit für alle".

Wer durch Ar­mut oder an­de­re schwierige Lebens­um­stän­de benachteiligt ist, hat in Deutsch­land ein dop­pelt so hohes Erkrankungs­risiko und ei­ne um bis zu zehn Jahre geringere Lebens­erwartung als Men­schen aus bes­ser gestellten Bevölkerungs­schichten. Ins­be­son­de­re so­zi­al benach­teiligte Kinder und Jugend­liche sind stärkeren gesund­heitlichen Be­lastungen aus­ge­setzt, wie der Kinder- und Jugend­gesundheits­survey (KiGGS) be­legt. Die schicht­abhängigen Unter­schiede be­tref­fen nach­weislich den Gesundheits­zustand, das Ge­sund­heits­ver­hal­ten und die In­an­spruch­nah­me von Vorsorge­untersuchungen.

Hintergründe, Daten und Materialien

Der Kooperationsverbund und seine Aktivitäten. Ein Selbstdarstellungsvideo von 2012, 11:30 Minuten lang

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Artikel

02.12.2019

Gesundheit – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Bettina Walentzak, Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
Ann-Katrin Hillenbrand, Bayerisches Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)

Schlagwörter:Gesundheitspolitik, Health in all Policies, Kommunen, Qualität

Verantwortung für Ge­sund­heit

Ge­sund­heit wird auch als Men­schen­recht an­ge­se­hen, mit ei­ner da­raus resultierenden Verpflichtung, umfassende und faire Chan­cen zur Ge­sund­heit zu bie­ten. Ge­sund­heit hat viele Dimensionen und da­mit be­ste­hen auch viele Mög­lich­keit­en, sie zu schüt­zen:

  • Bi­o­lo­gie und Gen-Umwelt-Interaktionen
  • das individuelle Ge­sund­heitsverhalten, wie Rauchen, Be­we­gung, Er­näh­rung
  • das soziale und kom­mu­nale Um­feld
  • Lebens- und Arbeitsbedingungen,
  • ge­nau wie allgemei­ne gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Rah­men­be­din­gung­en.

Herausforderungen und da­mit verbundene politische Ent­schei­dung­en, bei­spiels­wei­se mit Be­zug zur Altersarmut, zur Grundsicherung, zum Wohnungsmangel, zum Städ­te­bau oder zur Bil­dung und Teil­ha­be, kön­nen die Ge­sund­heit be­ein­flus­sen: positiv wie ne­ga­tiv. Um ei­nem modernen Verständnis ge­sund­heit­licher Herausforderungen zu ent­spre­chen, set­zen Maß­nah­men zur Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung für übertragbare und nichtübertragbarer Er­kran­kung­en auch au­ßer­halb des Ge­sund­heitssystems an.

Agieren statt Reagieren

Das Helsinki Statement on Health in All Policies definiert Health in All Policies (HiAP) als „ein Kon­zept für die Politik in allen Sektoren, die sys­te­ma­tisch die Aus­wir­kung­en von Ent­schei­dung­en auf Ge­sund­heit und Ge­sund­heitssysteme berücksichtigt, Sy­ner­gien sucht und schädliche Aus­wir­kung­en auf die Ge­sund­heit vermeidet, um die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung und ge­sund­heit­liche Chan­cen­gleich­heit zu verbessern.“ Ge­sund­heits-, Sozial-, Bil­dungs-, Umwelt-, Verkehrs-, Er­näh­rungs-, Stadtentwicklungs-, Wirtschafts- oder Arbeitspolitik ste­hen da­mit in gemeinsamer Verantwortung.

HiAP stellt den An­spruch, gesundheitsfördernde Le­bens­be­din­gung­en und Lebenswelten zu schaffen: Dies setzt geeignete Entscheidungsstrukturen so­wie politischen Gestaltungs- und Durchsetzungswillen voraus. Denn Ge­sund­heit ist kein naturgegebener Zu­stand, son­dern im­mer auch Er­geb­nis menschlicher An­stren­gung­en, betonte Prof. Dr. Man­fred Wildner, Bayerisches Lan­des­amt für Ge­sund­heit und Lebensmittelsicherheit, in sei­nem Impulsvortrag zur Arbeitssitzung.

Modellprojekte ma­chen es vor

HiAP-Kon­zepte wer­den in vielfältigen Modellregionen und Netzwerken er­probt. Erfolge zeigten sich beim wegweisenden finnischen Nord-Karelien-Projekt bei­spiels­wei­se so­wohl in ei­ner sinkenden Mor­ta­li­tät als auch in der Verringerung ge­sund­heit­licher Un­gleich­heit. Da es sich in diesen Projekten in der Re­gel um Maß­nah­menbündel handelte, sind diese Erfolge auf die­ses größere Zu­sam­men­spiel, nicht auf einzelne Aktivitäten al­lei­ne zu­rück zu füh­ren.

Typischerweise wer­den zahlreiche Maß­nah­men der Verhaltens- und Verhältnisprävention auf verschiedensten Ebe­nen verwirklicht, zum Bei­spiel Sportprogramme und Er­näh­rungskurse in Kom­bi­na­ti­on mit Veränderungen der Verhältnisse, wie die Einführung von Rauchverboten, die Einflussnahme auf das Lebensmittelangebot oder die Verbesserung der ge­sund­heit­lichen Versorgung. Öffentliche und private An­ge­bo­te wer­den vernetzt, abgestimmt, auf Bedürfnisse zugeschnitten und zu Prä­ven­ti­onsketten verbunden.

Häufig geschieht dies auf kom­mu­naler Ebe­ne, wie das Bei­spiel „Prä­ven­ti­onskette Freiham“ im Münch­ner Wes­ten. Die Um­set­zung von HiAP gestaltet sich auf Landes- und Bun­des­ebe­ne vergleichsweise schwieriger. Letztlich bedarf es ei­ner förderlichen politikübergreifenden Ge­sund­heitsstrategie, die mit zivilgesellschaftlichem En­ga­ge­ment Hand in Hand geht.

Bay­ern ist auf dem Weg

Das Prä­ven­ti­onsgesetz (PrävG) hat in Deutsch­land auf Bundes- und Länderebene ei­nen Strukturaufbau ausgelöst. Mit der nationalen Prä­ven­ti­onskonferenz, der nationalen Prä­ven­ti­onsstrategie, den Bundesrahmenempfehlungen und der Prä­ven­ti­onsberichterstattung sind geeignete Instrumente und Werkzeuge eingerichtet und weiterentwickelt worden.
Auch Bay­ern macht sich auf den Weg. Dr. Ga­bri­e­le Hartl vom Bayerischen Staatsministerium für Ge­sund­heit und Pfle­ge fasste in ih­ren Grußworten die bayerischen Ent­wick­lung­en zu­sam­men und dankte den Partnern für ihr En­ga­ge­ment. Mit der Landesrahmenvereinbarung Prä­ven­ti­on Bay­ern und dem Bayerischen Prä­ven­ti­onsplan wird der HiAP-Ansatz sichtbar.

Der Bayerische Prä­ven­ti­onsplan wurde mit allen Ressorts der Bayerischen Staatsregierung abgestimmt, eben­so wurden die nichtstaatlichen Träger von Ge­sund­heits­för­de­rung vor Ort in die Ent­wick­lung einbezogen. Interministerielle Arbeitsgruppen gewährleisten ei­nen Aus­tausch. Mit dem Bünd­nis für Prä­ven­ti­on besteht ein Zu­sam­men­schluss aus mehr als 130 starken und engagierten Partnern, die sich zu den Zielen und Leitprinzipien des Bayerischen Prä­ven­ti­onsplans be­ken­nen. Und die Be­mü­hung­en zah­len sich aus.

Die Ge­sund­heitsberichterstattung und der erst­ma­lig erschienene Bayerische Prä­ven­ti­onsbericht do­ku­men­tie­ren und eva­lu­ie­ren die Erfolge: ein Rück­gang der Säug­lings­sterb­lich­keit, verbesserte Mundgesundheit im Kindes- und Jugendalter so­wie ein Rück­gang des Rauchens und Rauschtrinkens. Gleichzeitig ist aber auch ei­ne Zu­nah­me an Er­kran­kung­en zu verzeichnen, die auf das Er­näh­rungs- und Be­we­gungsverhalten zu­rückzufüh­ren sind, Personen in schwierigen Le­bens­la­gen wer­den nur teil­wei­se erreicht und psychische Be­las­tung­en spie­len ei­ne im­mer größere Rol­le im Arbeitsleben. Ein breites Spek­trum an sinnvollen, vielfältigen Ansätzen in allen Lebenswelten ist da­her auch in Zu­kunft nö­tig. Mit den Ge­sund­heitsregionenplus ste­hen bei­spiel­haft u. a. regionale Netzwerke mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunalpolitik und allen, die vor Ort bei der ge­sund­heit­lichen Versorgung und Prä­ven­ti­on ei­ne wesentliche Rol­le spie­len, be­reit.

Vom Wissen zum Handeln - Was kön­nen wir tun?

Inwiefern HiAP deutschland- und bayernweit Ein­zug ge­hal­ten hat, muss differenziert betrachtet wer­den. Das Be­wusst­sein für mehr intersektorale Kom­mu­ni­ka­ti­on, Zu­sam­men­ar­beit und En­ga­ge­ment für Ge­sund­heit ist da, erfordert aber auch ei­ne konsequente Um­set­zung. Prof. Dr. Wolf­gang Caselmann (Bayerisches Staatsministerium für Ge­sund­heit und Pfle­ge), Siegfried Dengler (Stadtplanungsamt Nürn­berg), Ger­hard Dix (Bayerischer Gemeindetag), An­drea Mager-Tschira (Lan­des­haupt­stadt Mün­chen und Ge­sun­de Städte-Netzwerk), Prof. Dr. Eva Rehfuess (Ludwig-Maximilians-Universität Mün­chen) und Fran­zis­ka Solger-Heinz (Ge­sund­heitsregionplus Pas­sau­er Land) waren Teil­neh­mer der Po­di­ums­dis­kus­si­on und schilderten ih­re Er­fah­rung­en und Ein­schät­zung­en.
Regional und kom­mu­nal ist vieles in Be­we­gung, vorausgesetzt man trifft auf offene und engagierte Verantwortliche, die dahinterste­hen und Ent­schei­dung­en mitentwickeln.

Der Öffentliche Ge­sund­heitsdienst kann hier als Ankerpunkt und Küm­me­rer fun­gie­ren. Doch an­de­re Herausforderungen wie­gen oft schwerer. 75 Pro­zent der bayerischen Ge­mein­den haben weniger als 5.000 Ein­woh­ner. Häufig mangelt es an Kapazitäten und ei­ner vorausschauenden Gesamtstrategie. So wer­den für dringliche Fra­gen, wie die Kitaverpflegung oder die Trink­was­ser­ver­sor­gung, eher punktuelle Lö­sung­en ge­sucht. Par­ti­zi­pa­ti­on, ei­ne Kom­bi­na­ti­on aus Verhaltens- und Verhältnisprävention so­wie der Setting-Ansatz stel­len erste Zugangswege zu ei­ner Um­set­zung von Health in All Policies dar.

Es bedarf starker Kon­zepte, die evidenzbasiert verstetigt und ausgeweitet wer­den kön­nen. Hier ste­hen Wis­sen­schaft und For­schung auch vor der Herausforderung, praxisnahe Emp­feh­lung­en auszusprechen. Re­gie­rung, Verwaltung, Dachverbände von privatwirtschaftlichen, öffentlich-rechtlichen oder gemeinnützigen Organisationen kön­nen den HiAP-Gedanken auf­grei­fen, un­ter­stüt­zen, tra­gen und ihn als ein Leitprinzip auf kom­mu­naler und übergeordneter Ebe­ne verankern. Die teilnehmenden Bünd­nispartner haben sich in ih­rer Sit­zung in großer Über­ein­stim­mung für ei­ne weitere Un­ter­stüt­zung die­ses hoffnungsvollen HiAP-Ansatzes aus­ge­spro­chen.

Quellen/weiterführende Literatur:

  • Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (2019): Bayerischer Präventionsbericht 2019. Hier abrufbar.
  • Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (2015): Bayerischer Präventionsplan. Hier abrufbar.
  • Beiträge im Rahmen der Arbeitssitzung der Partner im Bündnis für Prävention „Health in All Policies“ am 16.07.2019, München.
  • WHO (2013): The Helsinki Statement on Health in All Policies. Hier abrufbar.
  • Geene, R. et al. (2019): Health in All Policies - Entwicklungen, Schwerpunkte und Umsetzungsstrategien für Deutschland. Arbeitspapier Health in All Policies ausgearbeitet in einer AG des Zukunftsforums Public Health in Kooperation mit der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung und Gesundheit Berlin-Brandenburg. Hier abrufbar.

Alle Links wurden zuletzt am 12. August 2019 abgerufen.

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