Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit
Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen - das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 75 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die zentrale Aktivität der Koordinierungsstellen in den Bundesländern ist die Begleitung kommunaler Prozesse, insbesondere über den Partnerprozess "Gesundheit für alle".
Wer durch Armut oder andere schwierige Lebensumstände benachteiligt ist, hat in Deutschland ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko und eine um bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen aus besser gestellten Bevölkerungsschichten. Insbesondere sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche sind stärkeren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt, wie der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) belegt. Die schichtabhängigen Unterschiede betreffen nachweislich den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten und die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen.
Der Kooperationsverbund und seine Aktivitäten. Ein Selbstdarstellungsvideo von 2012, 11:30 Minuten lang
Artikel
31.10.2019
Ein Leben in Gesundheit und Wohlstand für alle
- Erster WHO-Bericht "Gesundheitliche Chancengleichheit" liegt vor -
Frank Lehmann, MPH, Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Schlagwörter:Bericht, Gesundheit, Gesundheitliche Chancengleichheit, WHO
Das WHO-Regionalbüro Europa hat am 10. September 2019 den ersten Sachstandsbericht über gesundheitliche Chancengleichheit in der Europäischen Region unter dem Titel "WHOs first-ever Health Equity Status Report (HESR)“ herausgegeben.
- Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung der WHO (englisch)
Der Sachstandsbericht zeigt, dass die gesundheitlichen Ungleichheiten in den letzten 10 Jahren nicht minimiert werden konnten. Sie haben in vielen Fällen sogar zugenommen: Benachteiligte Männer haben eine bis zu 15 Jahren niedrigere Lebenserwartung als die Durchschnittsbevölkerung in der europäischen Region, Frauen bis zu 7 Jahren.
Angesichts des wirtschaftlichen Wachstums der europäischen Länder in diesem Zeitraum - nach der globalen Finanzkrise - muss dies als Skandal bezeichnet werden. Die Behauptung, dass von Wirtschaftswachstum automatisch auch die Armen profitieren, wird mit diesen Ergebnissen der WHO widerlegt. Zum gleichen Zeitpunkt wird die Wunschvorstellung eines immer währenden Wirtschaftswachstums sehr eindringlich durch den Klimawandel hinterfragt.
Der Bericht legt neue Evidenz über die „Treiber“ (Determinanten) der gesundheitlichen Ungleichheit vor. Auf der Basis von sogenannten Dekompositionsanalysen (Oaxaca decomposition method), einem Zusammenhangsanalyseverfahren, wurden insbesondere aus der Europäischen Erhebung zur Lebensqualität (EQLS) die Zusammenhänge von eingeschätzter Gesundheit und sozialen Einflussfaktoren zwischen 2003 und 2016 berechnet. Dadurch können endlich umfassende Aussagen zu Trends und Einflüssen der verschiedenen Politikbereiche auf gesundheitliche Chancengleichheit (Health Equity) gemacht werden.
Fünf kritische Faktoren wurden von den Forscherinnen und Forschern identifiziert und ein Prozentsatz errechnet, der den jeweiligen Beitrag der einzelnen Faktoren zur Gesamtlast der Ungleichheit darstellt:
- Einkommenssicherheit und soziale Absicherung erklären 35 % der gesundheitlichen Ungleichheit.
- Lebensbedingungen wie Wohnen und Grünflächen erklären 29 % der gesundheitlichen Ungleichheit.
- Sozial- und Humankapital wie Vertrauen in andere, Bildung und Isolation erklären 19 % der gesundheitlichen Ungleichheit.
- Zugang zu und Qualität von Gesundheitsdienstleistungen erklären 10 % der gesundheitlichen Ungleichheit.
- Beschäftigung und Arbeitsbedingungen erklären 7 % der gesundheitlichen Ungleichheit.
Es wurden 51 Indikatoren identifiziert, die es erlauben die 53 Staaten der europäischen Region danach zu beurteilen, ob und an welcher Stelle Verbesserungen und/oder Verschlechterungen festzustellen sind. Das WHO Health Equity Policy Tool soll Staaten dabei unterstützen, mehr gesundheitliche Chancengleichheit zu bewirken. Mit dem Health Equity Dataset können alle Indikatoren für die Determinanten auf Gesundheitliche Chancengleichheit zu den Zeitpunkten ab insbesondere 2005, aber auch früher direkt recherchiert werden.