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Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen - das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 75 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die zentrale Aktivität der Koordinierungsstellen in den Bundesländern ist die Begleitung kommunaler Prozesse, insbesondere über den Partnerprozess "Gesundheit für alle".

Wer durch Ar­mut oder an­de­re schwierige Lebens­um­stän­de benachteiligt ist, hat in Deutsch­land ein dop­pelt so hohes Erkrankungs­risiko und ei­ne um bis zu zehn Jahre geringere Lebens­erwartung als Men­schen aus bes­ser gestellten Bevölkerungs­schichten. Ins­be­son­de­re so­zi­al benach­teiligte Kinder und Jugend­liche sind stärkeren gesund­heitlichen Be­lastungen aus­ge­setzt, wie der Kinder- und Jugend­gesundheits­survey (KiGGS) be­legt. Die schicht­abhängigen Unter­schiede be­tref­fen nach­weislich den Gesundheits­zustand, das Ge­sund­heits­ver­hal­ten und die In­an­spruch­nah­me von Vorsorge­untersuchungen.

Hintergründe, Daten und Materialien

Der Kooperationsverbund und seine Aktivitäten. Ein Selbstdarstellungsvideo von 2012, 11:30 Minuten lang

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Artikel

04.04.2018

Beitrag zum Thema "Gesundheit im Alter ein Menschenrecht"

Claudia Mahler, Deutsches Institut für Menschenrechte

Schlagwörter:Gesundheit, Menschenrechte, Ältere

Das Recht auf Ge­sund­heit endet nicht mit einem bestimmten Höchstalter, son­dern steht allen Menschen auf­grund ihrer Men­schen­wür­de zu. Gerade im Hinblick auf die Rech­te älterer Menschen gibt es hier al­ler­dings Verbesserungspotential zum Schutz älterer Menschen so­wie der Stär­kung des Themas in der Ge­sund­heitspolitik. Dazu bei­tra­gen würde be­son­ders der Zu­schnitt auf die gesundheitlichen Bedarfe älterer Menschen.

Recht auf Ge­sund­heit

Das Men­schen­recht auf ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Ge­sund­heit ist in Art. 12 des Sozialpakts ge­re­gelt. Darüber hinaus ist das Recht auf Ge­sund­heit in weiteren internationalen Konventionen, die bei­spiels­wei­se die Rech­te von Frauen und Menschen mit Be­hin­de­rung genauer aus­ge­stal­ten, eben­falls verankert. Der Expertenausschuss, der für die Einhaltung der Normen des Sozialpakts zu­stän­dig ist, hat für das Recht auf Ge­sund­heit vier Kernelemente in sei­ner Allgemei­nen Be­mer­kung zum Recht auf Ge­sund­heit ausgearbeitet. Ge­sund­heitseinrichtungen, Medikamente und Dienst­leis­tung­en müs­sen ent­spre­chend auch für ältere Menschen verfügbar, zu­gäng­lich und an­nehm­bar sein. Ebenso muss Qua­li­tät geboten wer­den, um die Sub­stanz des Rech­tes auf ein Höchstmaß an körperlicher und geistiger Ge­sund­heit zu er­fül­len.

Für ei­nen menschenrechtlichen An­satz müs­sen Politik und Gesetze mit den beste­henden menschenrechtlichen Verpflichtungen des Staates im Ein­klang sein. Handlungen und Stra­te­gien wer­den an Men­schen­rechten ausgerichtet und an den menschenrechtlichen Vorgaben ge­mes­sen.
Men­schen­rechte und menschenrechtliche Prinzipien müs­sen folg­lich auch Grund­la­ge für die Weiterentwicklungsprozesse in der Senioren- und Ge­sund­heitspolitik sein. Men­schen­rechte sind Ansprüche jedes einzelnen Menschen ge­gen den Staat: auf Ach­tung, Schutz und Ge­währ­leis­tung der menschenrechtlich geschützten Frei­heit­en. Der einzelne Mensch muss da­her als Rechts­trä­gerin bzw. Rechts­trä­ger im Mit­tel­punkt staatlicher Politik ste­hen. Der Men­schen­rechtsansatz verlangt, dass Menschen in verletzlichen Le­bens­la­gen nicht diskriminiert wer­den und die Mög­lich­keit ei­nes selbstbestimmten Lebens haben.

Ältere Personen haben dieselben Men­schen­rechte wie  al­le anderen Menschen, dies folgt aus ihrem Menschensein - ihrer Men­schen­wür­de. Die Men­schen­rechte gel­ten für al­le Menschen un­ab­hän­gig von ihrem Al­ter, ihrer Nationalität, ihrer „Ras­se“, ihrer Ethnizität, ihrer Spra­che, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Ori­en­tie­rung.

Ar­ti­kel 1 der Allgemei­nen Er­klä­rung der Men­schen­rechte (AEMR) von 1948 legt fest, “Alle Menschen sind frei und gleich an Wür­de und Rech­ten ge­bo­ren“.

Die AEMR ist das erste Do­ku­ment der Vereinten Nationen, das die Men­schen­rechte um­fas­send vereint. Einige Jahre spä­ter wurden diese Rech­te in bindende internationale Verträge, den In­ter­na­ti­o­na­len Pakt über bürgerliche und politische Rech­te (UN Zivilpakt)1 und den In­ter­na­ti­o­na­len Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rech­te (UN Sozialpakt)2, gegossen. Diese menschenrechtlichen Verträge wurden ste­tig weiterentwickelt und für unterschiedliche Grup­pen in verletzlichen Le­bens­la­gen eigene menschenrechtliche Verträge geschaffen. So wurden bei­spiels­wei­se für Frauen (Übereinkommen zur Beseitigung je­der Form von Diskriminierung der Frau)3 oder jüngst für Menschen mit Be­hin­de­rung (UN-Behindertenrechtskonvention)4 Konventionen mit ei­nem besonderen Zu­schnitt entwickelt, die die spezifischen Problemlagen der Grup­pe sichtbar ma­chen.

Eine eigene Konvention mit speziellem Zu­schnitt für ältere Menschen gibt es bis­her nicht. Daraus resultiert auch die geringe Sicht­bar­keit von älteren Menschen im der­zeitigen Sys­tem des Men­schen­rechtsschutzes. Dies könnte sich aber durch ein neues In­stru­ment verändern, wie es der­zeit in der Offenen Ar­beitsgruppe der Vereinten Nationen zu den Rech­ten Älterer besprochen wird.

Be­deu­tung für die Ziel­grup­pe der älteren Menschen

Ein erhöhtes Auftreten von chronischen Krank­heit­en und Be­hin­de­rung ist mit zuneh­mendem Le­bens­al­ter fest­stell­bar. Diese vermehrt auftretenden Er­kran­kung­en füh­ren zu fi­nan­zi­ell höheren Be­las­tung­en des Einzelnen und des Ge­sund­heitssektors. Rationalisierungs- und Rationierungsdiskussionen im Gesund­heits­wesen wer­den da­her in Zeiten ei­nes Demografischen Wandels oft mit­ei­nan­der verbunden. Dabei nimmt der Kosten- be­zie­hungs­wei­se Einsparungsfaktor ei­nen hohen Stel­len­wert ein.  Dennoch darf dies nicht da­zu füh­ren, dass medizinische Leis­tung­en für Ältere aus Kostengründen nicht gewährt wer­den. Solche Überlegungen sind aus menschenrechtlicher Sicht be­denk­lich. Diese Be­son­der­heit­en für Ältere wer­den, aber im beste­henden Über­prü­fungsverfahren kaum angesprochen, da we­der Staaten noch zivilgesellschaftliche Organisationen da­rü­ber be­rich­ten und da­her die Probleme Älterer nicht sichtbargemacht wer­den. Daraus resultiert auch, dass die ent­spre­chenden Ausschüsse zur Über­prü­fung der Im­ple­men­tie­rung des Rechts auf Ge­sund­heit bei­spiels­wei­se kaum Emp­feh­lung­en da­zu aus­spre­chen.

Men­schen­rechtsansatz in der Politik für ältere Menschen

Jedem Menschen wird von Sei­ten der Vertragsstaaten aus dem Sozialpakt das Recht auf Ge­sund­heit zuerkannt.  Der Zu­gang zu diesem In­di­vi­du­al­recht muss diskriminierungsfrei gewährt wer­den. Dies deckt sich mit der The­se des 6. Altenberichts5, dass der Vielfältigkeit der Älteren mit individuellen Maß­nah­men im Gesund­heits­wesen begegnet wer­den muss.  Es gilt hierbei klarer einzuschätzen, wel­che Wir­kung und Be­deu­tung vorherrschende und teil­wei­se veraltete und realitätsferne Al­tersbilder auf die medizinische Versorgung haben.

Ebenso ist noch festzustellen, dass sich ältere Menschen ihrer Rech­te nicht be­wusst sind und diese da­her auch nicht einfordern.

Der Staat hat die Verpflichtung, die Bedarfe älterer Menschen in die Aus- und Wei­ter­bil­dung  von Personen im Gesund­heits­wesen und in Pfle­geeinrichtungen zu in­te­grie­ren. Hier wä­re wün­schens­wert, wenn menschenrechtliche Ansätze in die Curricula der Pfle­geausbildung bei­spiels­wei­se in­te­griert würden, da­raus würde sich dann ein Paradigmenwechsel er­ge­ben kön­nen. Sodass der Ältere als Rechts­trä­ger und nicht mehr als Mensch der Für­sor­ge bedarf gesehen wird. So würde die gleiche diskriminierungsfreie Versorgung gewährleistet wer­den. Diese Maß­nah­men müs­sen mit klaren langfristigen Politiken zur Langzeitpflege ein­her­ge­hen. Um die An­wen­dung ei­nes menschenrechtsbasierten An­satzes für das Gesund­heits­wesen in An­spruch neh­men zu kön­nen, muss auch Personal im Ge­sund­heits- und Pfle­gewesen menschenrechtlich geschult wer­den.

Ent­wick­lung­en der UN-Ar­beitsgruppe zur Stär­kung der Rech­te Älterer

Im Jahr 2010 hat die UN-Generalversammlung auf Betreiben von Ar­gen­ti­ni­en und Bra­si­li­en mit der Re­so­lu­ti­on A/Res/65/182 ei­ne Ar­beitsgruppe zur Stär­kung der Men­schen­rechte Älterer (Open ended working group on ageing, OEWG-A) ins Leben gerufen. Das Man­dat beinhaltet die Über­prü­fung und Dis­kus­si­on des beste­henden menschenrechtlichen Rahmens, die Iden­ti­fi­zie­rung und Schließung von Lü­cken so­wie weiterfüh­rende Überlegungen be­züg­lich ei­nes zukünftigen menschenrechtlichen In­stru­mentes zum Schutz Älterer. In den bis­herigen Sit­zung­en wurden viele Lebensbereiche und menschenrechtliche Gefährdungslagen älterer Menschen aus­führ­lich und mehr­fach diskutiert, z. B. Al­tersdiskriminierung, Pfle­ge und Ge­walt ge­gen Ältere, soziale Si­cher­heit, Ge­sund­heit und Au­to­no­mie. Für die ach­te Sit­zung im Ju­li 2017 wurden Veränderungen der Sit­zungsstruktur be­schlos­sen, so dass die Dis­kus­si­on auf zwei Themen be­schränkt wer­den soll und diese im Vorfeld durch Hintergrundpapiere vorbereitet wer­den. Zu den ausgewählten Themen „Al­tersdiskriminierung und Ge­walt“ so­wie „Miss­hand­lung und Vernachlässigung Älterer“ wurden die Staaten im Vorfeld aufgefordert nationale Informationen zu den Hintergrundpapieren zuzuliefern. Die Be­gren­zung der Themen ermöglichte ei­ne Fokussierung, so dass Eckpunkte, identifizierten wer­den konnten, bei­spiels­wei­se haben sich im Be­reich Diskriminierungsschutz viele da­für aus­ge­spro­chen Mehrfachdiskriminierung ex­pli­zit zu fas­sen Anhand der besprochenen Eckpunkte wird in der neun­ten Sit­zung weitergearbeitet wer­den.6 Für die neun­te Sit­zung in 2018 wurden die Themen Langzeit- und Palliativpflege so­wie Au­to­no­mie ausgewählt. Aus Sicht ei­ner Nationalen Men­schen­rechtsinstitution ist das Ziel der Offenen Ar­beitsgruppe ei­ne neue Konvention zu den Rech­ten Älterer zu er­ar­bei­ten, da diese den besten Schutz bietet.

Zudem hat sich die Dis­kus­si­ons­grund­la­ge durch die Ent­wick­lung menschenrechtlicher In­stru­mente auf regionaler Ebe­ne wie bei­spiels­wei­se der Interamerikanischen Konvention zum Schutz der Rech­te älterer Menschen7 und die Ar­beit der Unabhängigen Ex­per­tin für die Rech­te Älterer (seit 2014 im Amt) geändert. Auch diese Ent­wick­lung­en haben zu mehr Klar­heit über den Inhalt der Men­schen­rechte für Ältere beigetragen.

Quellen:

1 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rech­te, ab­ruf­bar un­ter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICCPR/iccpr_de.pdf.
2 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rech­te, ab­ruf­bar un­ter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ICESCR/icescr_de.pdf  
3 Übereinkommen zur Beseitigung je­der Form von Diskriminierung der Frau, ab­ruf­bar un­ter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CEDAW/cedaw_de.pdf
4 Übereinkommen über die Rech­te von Menschen mit Be­hin­de­rung­en, ab­ruf­bar un­ter: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CRPD_behindertenrechtskonvention/crpd_b_de.pdf
5 https://www.bmfsfj.de/blob/93190/37cc62a3c0c978034dcdc430432c655a/6--altenbericht-eine-neue-kultur-des-alterns-data.pdf
6 Open Ended Working Group on Ageing, https://social.un.org/ageing-working-group/ninthsession.shtml
7 Interamerican Convention on Protecting the Human Rights of Older Persons, http://www.oas.org/en/sla/dil/inter_american_treaties_a-70_human_rights_older_persons.asp

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