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Logo vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit und Site-Slogan: Aktiv für Gesundheit und Chancengleichheit (Link zur Startseite)

Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit in Deutschland verbessern und die Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen unterstützen - das sind die Leitziele des bundesweiten Kooperationsverbundes. Dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) initiierten Verbund gehören 75 Organisationen an. Der Verbund fördert vorrangig die Qualitätsentwicklung in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und die ressortübergreifende Zusammenarbeit. Die zentrale Aktivität der Koordinierungsstellen in den Bundesländern ist die Begleitung kommunaler Prozesse, insbesondere über den Partnerprozess "Gesundheit für alle".

Wer durch Ar­mut oder an­de­re schwierige Lebens­um­stän­de benachteiligt ist, hat in Deutsch­land ein dop­pelt so hohes Erkrankungs­risiko und ei­ne um bis zu zehn Jahre geringere Lebens­erwartung als Men­schen aus bes­ser gestellten Bevölkerungs­schichten. Ins­be­son­de­re so­zi­al benach­teiligte Kinder und Jugend­liche sind stärkeren gesund­heitlichen Be­lastungen aus­ge­setzt, wie der Kinder- und Jugend­gesundheits­survey (KiGGS) be­legt. Die schicht­abhängigen Unter­schiede be­tref­fen nach­weislich den Gesundheits­zustand, das Ge­sund­heits­ver­hal­ten und die In­an­spruch­nah­me von Vorsorge­untersuchungen.

Hintergründe, Daten und Materialien

Der Kooperationsverbund und seine Aktivitäten. Ein Selbstdarstellungsvideo von 2012, 11:30 Minuten lang

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Artikel

08.01.2020

Aktivierung benachteiligter Gruppen für die biologische Vielfalt

Ein Interview mit Carolin Schlenther

Carolin Schlenther, Hochschule für nachhaltige Entwicklung

Schlagwörter:Gesundheitliche Chancengleichheit, Kommunen, Lebenswelten, Niedrigschwellige Arbeitsweise

Wie kön­nen so­zi­o­ö­ko­no­misch benachteiligte Grup­pen in gesellschaftliche Prozesse im Be­reich des Na­tur­schutzes eingebunden und für den Er­halt der biologischen Vielfalt sensibilisiert wer­den? Wie kann Par­ti­zi­pa­ti­on er­folg­reich umgesetzt wer­den und wel­che Herausforderungen er­ge­ben sich da­bei? Diese und weiteren Fra­gen beantwortete uns Carolin Schlenther vom Pro­jekt „Ent­wick­lung und Erprobung didaktischer Modelle zur Aktivierung benachteiligter Grup­pen für den Er­halt der biologischen Vielfalt“ („Vielfalt findet Stadt“) aus Eberswalde im In­ter­view.

Welche Ziele verfolgt das Pro­jekt im Hinblick auf ge­sund­heit­liche Chan­cen­gleich­heit/ Ge­sund­heits­för­de­rung?

"Der Schutz der biologischen Vielfalt ist ei­nes der brisantesten Themen des Na­tur- und Umweltschutzes. Um den stattfin­denden Rück­gang der biologischen Vielfalt zu stop­pen, müs­sen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sensibilisiert und für des­sen Schutz mobilisiert wer­den. Wie im Pro­jekttitel angedeutet, geht es des­halb in un­se­rem Pro­jekt da­rum, so­zi­o­ö­ko­no­misch Be­nach­tei­lig­te aus verschiedenen Altersstufen durch Umweltbildung und konkrete Praxisaktivitäten in den Na­tur­schutz einzubinden und sie so für den Schutz der biologischen Vielfalt zu ak­ti­vie­ren.
Wir ar­bei­ten mit den Teilnehmenden in ers­ter Li­nie drau­ßen an der fri­schen Luft. Gerade bei den Vorschul- und Schulkindern steht das im starken Kon­trast zum regulären Spiel bzw. Un­ter­richt, der in der kalten Jah­res­zeit über­wie­gend in den Räumen stattfindet. Draußen be­ge­ben wir uns auf Exkursionen durch den Wald oder wer­ten stadtnahe Brachflächen für die biologische Vielfalt auf, wo­durch die Teilnehmenden körperliche Be­we­gung er­fah­ren.

Die enge Grup­penarbeit von der Ideenentwicklung bis zur ge­mein­samen Um­set­zung fördert die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Vertrauen in die eigenen Fä­hig­keit­en. So wird Selbst­ver­trau­en geschaffen und die wahrgenommene so­wie reelle Selbstwirksamkeit gestärkt.
Während die Um­ge­stal­tung der Pro­jektflächen vorrangig dem Schutz der biologischen Vielfalt dient, wird auch der Mensch nicht au­ßer Acht ge­las­sen. So sollen die in Wohngebieten liegenden Flä­chen schluss­end­lich zum Verweilen und Genießen der Na­tur ein­la­den. Das Pro­jekt schafft da­mit nicht nur Lebensräume für Pflan­zen und Tiere, son­dern auch ansprechende naturnahe Aufenthaltsorte für die An­woh­ne­rin­nen und An­woh­ner."

Welche Ziel­grup­pen sollen mit dem Pro­jekt erreicht wer­den und wie fin­den Sie den Zu­gang zu den so­zi­o­ö­ko­no­misch be­nach­tei­lig­ten Grup­pen und verschiedenen Al­ters­grup­pen?

"Das Pro­jekt richtet sich vor allem an Kinder, Ju­gend­li­che und Er­wach­se­ne, die in sozialen Brennpunkten le­ben und sich bis­her kaum mit Themen des Na­tur­schutzes be­schäf­ti­gen. Angeleitet von Umweltbildnerinnen und -bildnern und vor allem durch den persönlichen Kon­takt mit der Na­tur wol­len wir die Menschen für vielfältige Na­turthemen be­geis­tern. Dafür ent­wi­ckeln wir Maß­nah­men, die zu den alters- und entwicklungsbedingten körperlichen und kognitiven Fä­hig­keit­en der unterschiedlichen Ziel­grup­pen pas­sen. In un­se­rem Vorgehen pla­nen wir nicht nur Maß­nah­men für die Ziel­grup­pen, son­dern ge­mein­sam mit ih­nen. Sie wer­den in die Ent­wick­lung und Um­set­zung der praktischen Tä­tig­keit­en einbezogen.
Den Zu­gang zu den verschiedenen Grup­pen fin­den wir über Kooperationen mit Bildungs- und Betreuungseinrichtungen so­wie dem Eberswalder Amt für Beschäftigungsförderung und Freiwilligendienste. Unsere derzeitigen Kooperationspartnerinnen und -partner ken­nen uns und un­se­re Ar­beit aus vorangegangenen Pro­jekten, wo­durch be­reits ein Vertrauensverhältnis besteht, auf das sich gut auf­bau­en lässt. Für die folgenden zwei Schuljahre kön­nen sich interessierte Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gern an uns wen­den."

Welche praktischen Aktivitäten füh­ren Sie mit den verschiedenen Al­ters­grup­pen durch und wie kön­nen die Teilnehmenden eigene Vorschläge und Ideen in das Pro­jekt mit ein­brin­gen?

"Wir bear­bei­ten Grün- und Brachflächen in der Stadt Eberswalde, die die Teilnehmenden selbst ge­stal­ten. In Vorbereitung da­rauf ge­hen wir mit ih­nen in die Na­tur und sen­si­bi­li­sie­ren sie für die biologische Vielfalt und die Herausforderungen im Be­reich Na­tur­schutz. Inwieweit wir auf die fachlichen Themen ein­ge­hen, ist ab­hän­gig von der Altersstruktur der Grup­pe. Anschließend ma­chen sich die Teilnehmenden mit der je­wei­lig zu bear­bei­tenden Flä­che vertraut und ent­wi­ckeln Ideen da­zu, wie sie die Flä­chen für die biologische Vielfalt auf­wer­ten und le­benswer­ten Raum für Pflan­zen und Tiere schaffen kön­nen. Dabei be­rück­sich­ti­gen sie bei­spiels­wei­se die örtlichen Bodengegebenheiten und pflan­zen aus­schließ­lich heimische Arten wie Holzapfel, Elsbeere, Schle­he, Weiß­dorn oder alte Obstsorten. So wer­den die teilnehmenden Kinder und Er­wach­se­nen für den Schutz der biologischen Vielfalt sensibilisiert und er­ar­bei­ten sich ge­mein­sam Fä­hig­keit­en im praktischen Na­tur- und Um­welt­schutz."

Welche Herausforderungen und Gren­zen er­le­ben Sie in der täglichen Ar­beit?

"Die Herausforderungen va­ri­ie­ren stark zwi­schen den unterschiedlichen Al­ters­grup­pen. Die Vorschulkinder zei­gen ein großes In­te­res­se an der Na­tur und sind leicht für entsprechende Themen zu be­geis­tern. Wir verbringen viel Zeit im Freien mit ih­nen und es kommt vor allem da­rauf an, dass sie witterungsgemäß gekleidet sind. Hier ist ei­ne enge Zu­sam­men­ar­beit und gute Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Betreuenden wich­tig.
Bei den jugendlichen Teilnehmenden sind die Er­fah­rung­en stark gruppenabhängig. Im besten Fall ist auch diese Ziel­grup­pe hochmotiviert und genießt es, selbst Ent­schei­dung­en tref­fen und Ideen um­set­zen zu dür­fen. Die Umweltbildnerinnen und -bildner müs­sen sehr fle­xi­bel in ihren Me­tho­den sein, um sich schnell an mögliche verändernde Stim­mung­en in den Grup­pen an­pas­sen zu kön­nen.  
Die erwachsenen Teilnehmenden wei­sen sich mit­un­ter durch ein geringes Na­turbewusstsein und ei­ne Skep­sis ge­gen­über Institutionen aus. Hier muss zu­nächst viel Ar­beit in den Vertrauensaufbau zwi­schen den Teilnehmenden und den Umweltbildnerinnen und -bildnern investiert wer­den. Außerdem ist es auch hier wich­tig, Stim­mung­en wahrzunehmen und fle­xi­bel auf die individuellen Fä­hig­keit­en so­wie die Grup­pen­dy­na­mik einzugehen."

Das Projekt

In dem Pro­jekt „Ent­wick­lung und Erprobung didaktischer Modelle zur Aktivierung benachteiligter Grup­pen für den Er­halt der biologischen Vielfalt“ wer­den so­zi­o­ö­ko­no­misch benachteiligte Grup­pen in gesellschaftliche Prozesse im Na­tur­schutz eingebunden. Praktische Aktivitäten er­öff­nen den Teilnehmenden Gestaltungsspielräume, stär­ken ihr Verantwortungsgefühl und för­dern ihr En­ga­ge­ment für den Na­tur­schutz. Das Pro­jekt wird von der Hochschule für nachhaltige Ent­wick­lung Eberswalde in Ko­o­pe­ra­ti­on mit der Stif­tung WaldWelten durchgeführt. Es wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bun­des­amt für Na­tur­schutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Um­welt, Na­tur­schutz und nukleare Si­cher­heit (BMU) gefördert.

Weitere Informationen über das Projekt finden Sie hier.

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