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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2010

Tafel- und Familiengärten

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Gemeinsam mit dem Verband der Gartenfreunde Magdeburg e.V. initiierte die Gemeinnützige Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung mbH (AQB) 2007 das Projekt Tafel- und Familiengärten. Dabei bewirtschaften arbeitslose Frauen und Männer brachliegende Gärten und Obstwiesen. Die Kosten trägt die ARGE Magdeburg. Angesichts der belastenden gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit soll das Projekt die Beteiligten gesundheitlich stabilisieren, ihr Selbstwertgefühl stärken sowie ihnen Wissenserwerb und Kompetenzentwicklung ermöglichen und sie schließlich wieder an Arbeit heranführen.

Das Projekt umfasst die Arbeit im Garten selbst, die Vermittlung spezieller Fachkenntnisse im Garten- und Landschaftsbau bis hin zur Verarbeitung von Obst und Gemüse in Back- und Kochkursen. Die Tätigkeit an der frischen Luft und die körperliche Auslastung fördern das individuelle Wohlbefinden und unterstützen eine positive Selbsterfahrung der Beteiligten.

In den Jahren 2007 bis 2009 nutzten 17719 Arbeitslose das Projekt zur Förderung ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit, wobei sich alle Teilnehmer/innen freiwillig dafür entschieden, Ablehnung wurde ausdrücklich nicht sanktioniert.


Kontakt

Frau Elvira Tschenisch
Morgenstr. 1
39104 Magdeburg (Sachsen-Anhalt)

Telefon: 0391 / 72726124

E-Mail: Kultur(at)aqb-md.de


Projektträger

AQB Gemeinnützige Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung mbH
Morgenstraße 1
39104 Magdeburg


Hintergrund

Arbeit ist für viele Menschen ein psychosozialer Stabilisierungsfaktor und regelt die Tagesstruktur und das soziale Umfeld. Verliert ein Mensch seine Arbeit, kommt es oft zu psychischen Folgen. Dazu zählen Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel und Resignation. Arbeitslosen fehlen sehr schnell die soziale Anerkennung und die Bestätigung aus dem Umfeld (Lauenroth, Swart 2004a). Längerfristige Arbeitslosigkeit hat neben der Minderung des Selbstwertgefühls auch ein erhöhtes Armutsrisiko. Neben den materiellen Einschränkungen kommt es bei den Betroffenen häufig zu verstärkten gesundheitlichen Belastungen.

Laut Bundes-Gesundheitssurvey 1998 weisen arbeitslose Männer und Frauen einen ungünstigeren Gesundheitszustand auf und leben weniger gesundheitsbewusst als berufstätige Männer und Frauen.

Im Telefonischen Gesundheitssurvey 2003 gaben 48,3 Prozent der Arbeitslosen im Alter von 20 bis 59 Jahren an, an einer Krankheit oder Gesundheitsstörung zu leiden. Kurzzeitarbeitslose klagten über Depressionen, Ängstlichkeit sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen.

Gravierende gesundheitliche Belastungen stellten sich bei Personen mit länger andauernder Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt heraus. Diese Personen klagten über Hypertonie, chronische Bronchitis, Arthrose und Rückenschmerzen und gaben an, oft in ärztlicher Behandlung zu sein. Fast 40,5 Prozent von ihnen waren zum Befragungszeitpunkt laut eigener Auskunft durch gesundheitliche Probleme in der Alltagsgestaltung beeinträchtigt.

Das verstärkte Auftreten von Krankheiten und Beschwerden sowie die höhere Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sind unter anderem auf gesundheitsriskanteres Verhalten zurückzuführen. Für Unterschiede bezüglich des Ernährungsverhaltens spricht das erhöhte Auftreten von starkem Übergewicht (Adipositas) bei Arbeitslosen:
Langzeitarbeitslose Frauen sind rund zweimal häufiger betroffen als erwerbstätige Frauen, langzeitarbeitslose Männer eineinhalbmal häufiger als erwerbstätige Männer (Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, 2003).

Die Motivation zu gesundheitsbewusstem Verhalten ist bei vielen Arbeitslosen aufgrund ihrer Lebenssituation gering und der Zusammenhang von Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit ist ihnen nur wenig bewusst. Fehlendes Wissen und unzureichendes Selbstvertrauen erschweren daher die Umsetzung einer gesundheitsfördernden Lebensweise (Lauenroth, Swart, 2004b).

Laut Statistischem Bundes- bzw. Landesamt waren 2008 rund 3,3 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos, davon in Sachsen-Anhalt 175.081. In Magdeburg waren zu diesem Zeitpunkt 14.508 Menschen ohne Arbeit.

Die Perspektiverweiterung des Arbeitslosenalltags und die Übertragung einer Aufgabe kann ein Weg sein, um arbeitslosen Menschen ihren Lebensmut wiederzugeben und sie gesund und leistungsfähig zu erhalten. Diesem Ansatz tragen die AQB und der Verband der Gartenfreunde Magdeburg e.V. mit dem Projekt „Tafel- und Familiengärten“ Rechnung. Ziel des Projektes ist zum einen die Schaffung einfacher Arbeitsmöglichkeiten im Freien, die Übernahme von Verantwortung, eine gesündere Ernährung und die Förderung sozialer Kontakte. Zum anderen soll eine Stabilisierung des Lebensrhythmus, eine Verbesserung der psychischen und physischen Gesundheit sowie eine Stärkung des Selbstwertgefühls bei den Teilnehmenden der Maßnahme erreicht werden.

Die Bewirtschaftung brachliegender Gärten und Wiesen nützt nicht nur den dort beschäftigten Menschen oder der Magdeburger Tafel, sondern auch den umliegenden Kleingartenbesitzern. Diese haben durch die Bewirtschaftung mit weniger Unkraut zu kämpfen. 39 freie Gärten stehen der AQB derzeit zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Circa 70 Prozent der ansässigen Kleingärtner konnten als Kooperationspartner gewonnen werden. Sie zeigen den Beteiligten beispielsweise, wie die Obstbäume richtig beschnitten werden, geben praktische Tipps in der Gartenbewirtschaftung und stehen für Fragen zur Verfügung.

Das Projekt richtet sich an ALG II-Empfängerinnen und -Empfänger. 2007 waren in die Maßnahme 63 Arbeitslose involviert, 33 waren in den Tafel- und Familiengärten beschäftigt und 30 in Rückbauarbeiten einbezogen. 2008 bewirtschafteten 36 Menschen ohne Arbeit die Tafel- und Familiengärten und 20 waren in die Rückbauarbeiten einbezogen. 2009 nahmen 58 Menschen ohne Arbeit an der Maßnahme teil. Laut Aussagen der Betroffenen und der betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AQB wird die Chance, aus dem Alltagstrott herauszukommen, gern genutzt. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bereits ein zweites Mal in der Maßnahme.


Ziele und Zielgruppen

Arbeitslose Frauen und Männer, welche von der ARGE Magdeburg betreut und vermittelt werden, sind die Zielgruppe des Projektansatzes. Ziel des Projektes ist zum einen die Schaffung einfacher Arbeitsmöglichkeiten im Freien, die Übernahme von Verantwortung, eine gesündere Ernährung und die Förderung sozialer Kontakte. Zum anderen soll eine Stabilisierung des Lebensrhythmus, eine Verbesserung der psychischen und physischen Gesundheit, Kenntniserwerb sowie eine Stärkung des Selbstwertgefühls bei den Teilnehmenden der Maßnahme erreicht werden (von speziellen Fachkenntnissen im Garten- und Landschaftsbau bis hin zur Verarbeitung von Obst und Gemüse in Back- und Kochkursen).

Die Maßnahme beruht fast ausschließlich auf der selbstständigen Arbeit der arbeitslosen Frauen und Männer. Die Gruppe wird zwar von Fachpersonal der ARGE betreut und erhält auch Auskünfte von der betreuenden Person, wenn Fragen auftreten, aber die eigentliche Umsetzungsarbeit liegt bei der Zielgruppe der Intervention, d.h. eine Einbeziehung der Zielgruppe findet auf allen Ebenen soweit möglich statt.


Vorgehen

In der Zeit zwischen Juni 2005 bis April 2006 wurden alle organisatorischen sowie verwaltungstechnischen Voraussetzungen für das Projekt „Tafel- und Familiengärten“ geschaffen. Verantwortlich für das Projektmanagement ist die AQB. Die Konzeption des Projektes wurde der ARGE Magdeburg eingereicht. Die Bewilligung erfolgte im März 2007. Im April 2007 starteten die „Tafel- und Familiengärten“.

Als Erstes prüfte die Projektkoordinatorin, wie viele Gärten für das Vorhaben zur Verfügung standen. Darauf ausgerichtet, beantragte sie die Anzahl der gewünschten Stellen bei der ARGE. Die ARGE wählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Projekt aus. In einem Informationsgespräch bei der AQB wurden den potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Inhalt der Maßnahme und die anfallenden Aufgaben und Qualifizierungsmöglichkeiten erläutert. 2008 und 2009 verlief die Teilnehmerakquisition für das Projekt auf die gleiche Weise. Insgesamt waren bisher 177 Frauen und Männer in die Maßnahme involviert. Jeder von der ARGE empfohlene Teilnehmer, jede Teilnehmerin entscheidet selbst, ob ihm oder ihr diese Art der Arbeit liegt und er oder sie am Projekt mitwirken möchte. Abzüge von Leistungen bei einer Nichtannahme des Maßnahmeangebotes erfolgen in diesem Fall nicht. Dieses unsanktionierte Vorgehen förderte die Akzeptanz des Angebots. 2008 und auch in 2009 war die geplante Teilnehmerzahl bereits in den ersten zwei Wochen erreicht.

Zu Beginn der Maßnahme – je nach Witterungsverhältnissen im Februar oder März des Jahres – werden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeitsschutzrechtlich belehrt, Arbeitsschutzkleidung wird ausgeteilt und die Betreuer, vier Vorarbeiter und ein Projektleiter, begleiten sie zu den entsprechenden Gartensparten. Ab dem nächsten Tag müssen die Teilnehmenden selbstständig in der ihnen zugesprochenen Gartensparte erscheinen. Die Arbeitsgeräte werden von der AQB bereitgestellt und bleiben über den gesamten Maßnahmezeitraum in einem Geräteschuppen vor Ort aufbewahrt.

Während des Maßnahmezeitraumes werden alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Umgang mit dem Freischneider und dem Rasenmäher in je einer Tageseinweisung unterrichtet. Weiterhin nehmen sie zu unterschiedlichen Zeiten gemeinsam mit den Betreuern an einem Lehrgang zum Garten- und Landschaftsbau teil. Einige ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen an einem einwöchigen Kettensägelehrgang der Firma Saale Akademie BQI Schönebeck teilnehmen.

Der Lehrgang zum Garten- und Landschaftsbau im Vereinsheim Kleingärtnerverein Volkswohl in Ottersleben setzt sich aus sieben Modulen zusammen. Das ersten beiden Module vermitteln theoretische Grundlagen. Hier erfahren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwas über die Bedeutung des Anbaus und der Ernte von Produkten der Gartenbewirtschaftung und über die Nahrungsmittelproduktion, lernen die Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Wirtschaftsweise sowie die Aufgaben und Ziele des Gesundheitsschutzes wie Arbeits-, Unfallschutz und präventive Maßnahmen. Das richtige Verhalten bei Unfällen und Bränden, Grundkenntnisse der Ersten Hilfe sowie der Umgang mit Brandschutzanlagen und -geräten sind weitere Lernziele der ersten beiden Module, die zwölf Unterrichtsstunden umfassen. Das dritte Modul mit 18 Unterrichtsstunden vermittelt theoretische Grundlagen der Bodenkunde, Pflanzenernährung und -düngung sowie Bodenbearbeitung und sieht zudem, wie auch alle vier folgenden Module, praktische Übungen vor. Das vierte Modul behandelt Pflanzenbau und landwirtschaftliche Kulturen wie beispielsweise Getreide- und Kartoffelanbau, das fünfte die Gemüsekulturen und das sechste die Obstkulturen. Im siebten und letzten Modul lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Verarbeitung von Obst und Gemüse kennen. Abschließend legen sie eine schriftliche und mündliche Prüfung ab, die bislang alle bestanden haben. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer erhält ein Zertifikat über die erworbenen Grundkenntnisse im Garten- und Landschaftsbau und kann dieses als Qualifizierungsbeleg bei Bewerbungen nutzen.

Vier Betreuer, ein Vorarbeiter und ein Projektleiter begleiten die Beteiligten, betreuen die Gruppen vor Ort und sind die ganze Zeit während der Bewirtschaftung anwesend. Die Bewirtschaftung erfolgt in der Zeit von 7.00 bis 13.30 Uhr. Die wöchentliche Arbeitzeit beträgt 30 Stunden, sechs Stunden pro Tag mit einer Pause von 30 Minuten. Die Pausenzeit kann selbstständig festgelegt werden.

Arbeiten wie Hacken und Jäten von Unkraut stehen im Vordergrund der Maßnahme. Zur Erntezeit können die Teilnehmenden einen Teil der Ernte für den Eigenverbrauch mit nach Hause nehmen. Der Rest wird in den Räumlichkeiten der Magdeburger Tafel entweder gleich zu warmen Mahlzeiten oder zu Kompott verarbeitet, konserviert oder frisch in Beuteln mit anderen Lebensmitteln an Bedürftige verteilt.

Während der ersten Projektphase 2007 stellten die Projektverantwortlichen fest, dass viele der Beteiligten Lebensmittel wie Rote Beete und Kohlrabi nicht kannten und schon gar nicht zu einer Mahlzeit zubereiten konnten. Dieser Herausforderung nehmen sich die Projektverantwortlichen seit 2008 an und bieten seitdem Kochkurse für Interessierte aus dem ALG II-Bezug sowie für Kinder und Jugendliche in der objekteigenen Küche oder in einer gepachteten Küche an. Ziel dieser Kochkurse ist es, die Ernährung der Beteiligten und ihrer Familien trotz geringer Mittel gesund zu gestalten, ihnen die Verarbeitung regionaler Produkte zu zeigen, ihre Kochaktivitäten anzuregen und sie über Lebensmittel, die in Sachsen-Anhalt angebaut werden, zu informieren. Im Juli 2008 wurde der erste Kochkurs mit zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Die Nachfrage war überwältigend. Seit August 2008 wird nun jeden Dienstag und Donnerstag je ein einwöchiger Koch- und Backkurs angeboten. Das Angebot wird auch in 2009 fortgeführt. Die Kursleiterinnen und -leiter sind ausgebildete Köche, Bäcker und Diätassistenten. Die Kosten für das Fachpersonal werden von der ARGE im Rahmen des Projektes übernommen.


Good Practice in

Empowerment

Das Projekt „Tafel- und Familiengärten“ soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein positives Selbstwertgefühl vermitteln und den Erwerb neuer Kompetenzen bei Anbau, Pflege und Zubereitung von Obst und Gemüse ermöglichen. Dabei sollen sie erfahren, dass Arbeit Spaß machen kann, Anerkennung bringt und soziale Kontakte entstehen, was letztendlich die individuelle Gesundheit fördert.

Während des Projektes lernen die Beteiligten, einen Garten zu bewirtschaften, Blumen, Gemüse und Obst anzubauen, den Garten zu gestalten und zu pflegen sowie das angebaute Obst und Gemüse zu ernten und zu verarbeiten. Dadurch werden sie befähigt, das Gelernte in Zukunft selbstständig anzuwenden, das heißt zum Beispiel, später selbst einen Garten zu bestellen und Obst und Gemüse anzubauen und zu verarbeiten. 2007 haben sechs Maßnahmeteilnehmer diesen Schritt gewagt und bewirtschaften seither ihre eigenen Gärten. In der Zusammenarbeit mit anderen werden individuelle Stärken und Schwächen sichtbar. An diesen können die Beteiligten arbeiten. Wissen wird ausgetauscht, Fähigkeiten werden erworben und geschult. Die Teilnehmenden erkennen, dass auch die anderen Gruppenmitglieder Stärken und Schwächen haben, sie lernen, sich selbst einzuschätzen, und helfen einander. Ratschläge von Gleichbetroffenen werden leichter angenommen.

Kannten vor der Maßnahme einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmte Obst- und Gemüsesorten sowie deren Zubereitung nicht, erwarben sie in den Kochkursen entsprechendes Wissen und wurden befähigt, diese richtig zuzubereiten (z.B. Rote Beete). Erläuterungen zu in unserem Klima anbaufähigem Obst und Gemüse sowie die gemeinsame Zubereitung von Mahlzeiten förderten den Spaß am Kochen und tragen dazu bei, dass Fastfood und Fertiggerichte in der persönlichen Versorgung eingeschränkt werden.

Die gemeinsam erprobten Rezepte wurden schriftlich und leicht verständlich aufbereitet und den Beteiligten nach jeder Kochstunde ausgehändigt, so dass einem Nachkochen in den eigenen vier Wänden nichts mehr im Wege steht. Von den Teilnehmenden des ersten Kochkurses nehmen sechs regelmäßig weitere Koch- und Backangebote wahr, drei von ihnen haben einen Garten gepachtet. Laut ihren Aussagen kochen sie zu Hause jetzt häufiger und greifen in Discountern auch eher zu nicht so bekanntem Gemüse und Obst. Nach Aussagen der Kursleiterinnen und -leiter kommt es jetzt häufiger vor, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Obst und Gemüse mitbringen und fragen, ob etwas daraus gekocht werden kann. Das Interesse, Neues auszuprobieren, wächst in der Maßnahme.

Positive Erfahrungen wie Gruppenzusammenhalt und gegenseitige Hilfe bei schweren Arbeiten wie beispielsweise Umgraben stärken das Ich- und das Wir-Gefühl und fördern den wertschätzenden Umgang der Beteiligten. Dabei stellen die Betreuerinnen und Betreuer fest, dass sich die Menschen innerhalb der Gruppe motivieren und gegenseitig Anerkennung für gute Arbeit zollen. Das Ziel ist erreicht, wenn die am Projekt beteiligten Arbeitslosen erworbene Kompetenzen auch in ihrem sonstigen Lebensalltag anwenden und eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt anstreben.

Nachhaltigkeit

Die AQB beantragt die finanzielle Unterstützung des Projektes „Tafel- und Familiengärten“ jedes Jahr neu bei der ARGE, 2008 zum zweiten Mal. Da die ARGE bislang kein Maßnahmenende signalisiert hat, ist von einer Weiterführung auszugehen. Perspektivisch sollen weitere Kooperationspartner und Finanziers für das Projekt gewonnen werden, um den innovativen Ansatz auch nachhaltig sichern zu können.

Das Projekt zielt darauf, die Lebenssituation der beteiligten ALG II-Empfängerinnen und -Empfänger zu verbessern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Maßnahme sollen ihre Leistungsfähigkeit erkennen und Anerkennung statt Ausgrenzung erfahren. Das fördert das Vertrauen in sich selbst und führt dazu, dass sich die Menschen trauen, wieder geregelte Arbeiten anzunehmen. Während der Maßnahme erlernen die Beteiligten wieder Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Regelmäßigkeit, Ausdauer und Teamfähigkeit, die für ein geregeltes Alltags- und Arbeitsleben nötig sind.

Menschen, die sich vorher nicht für Obst und Gemüse interessieren oder nichts mit Gartenarbeit zu tun haben, erlernen in der Maßnahme viel Neues und werden in die Lage versetzt, künftig einen eigenen Garten betreiben. Durch die Koch- und Backkurse lernen sie weiterhin, das Geerntete richtig zuzubereiten und zu konservieren. Auch dieses Wissen kann später im eigenen Haushalt weiter angewandt werden. Seit Juli 2008 werden wöchentlich Koch- und Backkurse angeboten. Die ausgebildeten Köchinnen und Köche, Bäckerinnen und Bäcker und Diätassistentinnen und -assistenten achten darauf, in ihren Kursen Hinweise zu gesunder Ernährung und zu vollwertiger Kost zu geben, die Inhaltsstoffe zu benennen und auf den Tagesbedarf an Zucker und Fett einzugehen. Dies soll auf eine gesundheitsorientierte Lebensweise im Alltag hinwirken.
Bisher sind 28 Kochkurse mit je zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt worden. Davon nehmen circa sechs Personen regelmäßig an den Kursen teil. Laut Aussagen der Kursleiter sind die ALG II-Empfängerinnen und -Empfänger dankbar für dieses Angebot, da sie
1. neue Rezepte kennen lernen,
2. andere soziale Kontakte bekommen,
3. Gedankenaustausch zur Bewältigung der sozialen Isolation erleben,
4. neue Anregungen für zu Hause erhalten,
5. jetzt mehr beim Einkaufen auf die Inhaltsstoffe achten und versuchen, sich gesünder zu ernähren, und
6. öfter zu Hause kochen und es der Familie auch schmeckt.

Die Kurse sollen auch 2009/2010 angeboten werden.

Integriertes Handeln

Bevor die ALG II-Empfängerinnen und -Empfänger in das Projekt einbezogen werden, erfasst die AQB ihre Sozialdaten mit einem Fragebogen. Dieser fragt nach dem Familienstand und dem beruflichen Werdegang, aber auch nach dem Gesundheitsstatus. Daran wird deutlich, welche Arbeiten die Beteiligten ausführen können und welche nicht und welche weiteren Beratungen sie gerne in Anspruch nehmen würden. Aus diesem Fragebogen und dem dazu gehörenden Einführungsgespräch wird deutlich, wo weitere Hilfen nötig sind. Durch gute Kontakte zu Ämtern wie Sozialamt und Wohnungsamt und zu Beratungsstellen wie Schuldner- und Suchtberatung können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnell und problemlos weitervermittelt werden. Die Beschäftigten innerhalb der AQB setzen sich regelmäßig zusammen und besprechen Einzelfälle. Gemeinsam werden die weitere Vorgehensweise und falls nötig die Vermittlung der Person an andere Einrichtungen beschlossen.

Des Weiteren bietet die AQB regelmäßig Fortbildungen zu Themen an, die von Interesse für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Maßnahme sind. So referierte beispielsweise ein Mitarbeiter des Wohnungsamtes über das Thema „Wie bekomme ich eine neue Wohnung?“ Diese Angebote stehen den Teilnehmenden aller Maßnahmen der AQB offen und werden auch rege genutzt. Zudem befindet sich im eigenen Haus eine Personalvermittlung, die Arbeitsberatungen anbietet und versucht, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Dazu ein Beispiel: Ein Teilnehmer der Maßnahme „Tafel- und Familiengärten“ hat durch die Vermittlung zum Wohnungsamt eine Wohnung gefunden, die nicht mehr feucht und schimmlig ist. Zusätzlich konnte er sich gegen einen geringen Preis mit Möbeln und Hausrat aus dem bei der AQB ansässigen Haushalts- und Möbelservice versorgen und so seine neue Wohnung einrichten. Durch die Kochkurse und die Wissensvermittlung bei der Maßnahme lernte er, sich selbstständig zu versorgen. Deshalb benötigt er die Tafelversorgung mittags und abends nicht mehr, sondern lässt sich lieber einen Lebensmittelbeutel geben und bereitet seine Mahlzeiten selbst zu.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Das Projekt wird von den Arbeitslosen laut Aussagen der betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AQB sehr gut genutzt und als Chance angesehen, aus dem Alltagstrott herauszukommen. Während der ersten Projektphase im Jahr 2007 stellten die Projektverantwortlichen fest, dass viele der Beteiligten einige Lebensmittel wie z.B. Rote Beete oder Kohlrabi nicht kannten und schon gar nicht wussten, wie sie diese verarbeiten konnten. Hier hat sich die Einführung eines Koch- und Backkurses für die Teilnehmer der Maßnahme sowie für deren Kinder und Jugendliche in der objekteigenen Küche oder in einer gepachteten Küche (Außenstelle) bewährt. Die Ernährung der Beteiligten und ihrer Familien hat sich laut Aussagen der Kursleiter verändert. Trotz geringer Mittel versuchen sich die Familien jetzt stärker gesund zu ernähren, sie verarbeiten mehr regionale Produkte als vorher (auch weil sie jetzt wissen, wie man es verarbeiten kann) und kochen auch häufiger als noch vor der Maßnahme. Weiterhin kommt es jetzt häufiger vor, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Obst und Gemüse mitbringen und fragen, ob etwas daraus gekocht werden kann. Das Interesse, Neues auszuprobieren, wuchs in der Maßnahme.

Dann haben sich sechs Teilnehmer einen Garten gepachtet und bewirtschaften diesen selbständig. Laut Aussagen der Projektverantwortlichen bauen sie in ihren Gärten Obst und Gemüse an und nutzen die Früchte ihrer Arbeit zur Eigenernährung.

Es wurde weiterhin festgestellt, dass bei fast allen Teilnehmern Schwächen wie z.B. Schüchternheit oder das Gefühl nichts zu können, abgebaut werden konnten. Freundschaften unter der Zielgruppe haben sich ebenfalls gebildet.


Literatur

Der Bundes-Gesundheitssurvey 1998: Erfahrungen, Ergebnisse, Perspektiven. Robert Koch-Institut. Berlin.

Elkeles, T., Kirschner, W. (2004). Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Intervention durch Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement - Befunde und Strategien. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft.

Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2006). Gesundheit in Deutschland. Robert Koch-Institut. Berlin.

Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2003). Telefonisches Gesundheitssurvey, Robert Koch-Institut. Berlin.

Lauenroth, N., Swart, E. (2004a). Chancen von Gesundheitsförderungs- und Präventionsstrategien in ABM-Gesellschaften. Prävention, 27, 4, 116-118.

Lauenroth, N., Swart, E. (2004b). Perspektivlosigkeit ist meine Krankheit. Subjektive Empfindungen von Langzeitarbeitslosen. Gesundheitswesen, 66, 11, 765-769.

Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt (2003). Daten zur Gesundheit: Gesundheitsberichterstattung des Landes Sachsen-Anhalt. Magdeburg.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Februar 2008

Abschluss: Dezember


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Menschen in sozial schwieriger Lage: Alleinerziehende; Eltern in Belastungssituationen; Kinderreiche Familien; Migranten; Personen mit sehr niedrigem Einkommen

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Ernährung
  • Gewaltprävention

Qualitätsentwicklung

Es ist kein Ergebnisbericht vorhanden.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

31.07.2015

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