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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2017

Netzwerk "Für mehr Teilhabe älterer Menschen in Kreuzberg"

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Das "Netzwerk für mehr Teilhabe älterer Menschen in Kreuzberg" wurde im Juni 2013 vom Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V. in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zum Thema "Teilhabe älterer Menschen" gegründet.

Das Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, im Kreuzberger Südwesten mit rund 60.000 Bewohnerinnen und Bewohnern neue Wege der Teilhabeförderung älterer Menschen zu beschreiten und insbesondere soziale und kulturelle Teilhabe derjenigen zu fördern, welche von klassischen Maßnahmen und Einrichtungen bisher kaum erreicht werden. Zu diesem Personenkreis zählen jene sozial benachteiligten Menschen, bei denen von spezifischen Problemlagen auszugehen ist, insbesondere von Altersarmut betroffene ältere Menschen, alleinstehende ältere Menschen sowie ältere Menschen mit Migrationshintergrund.


Kontakt

Herr Markus Runge
Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V.
Urbanstraße 21
10961 Berlin (Berlin)

E-Mail: m.runge(at)nachbarschaftshaus.de

Website: http://älter-werden-in-kreuzberg.de


Hintergrund

Armutstendenzen in der südlichen Luisenstadt (Friedrichshain-Kreuzberg)

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht (Stand 2017) vor einer deutlichen Zunahme älterer und zugleich auch ärmerer Menschen. Aktuell hat Friedrichshain-Kreuzberg die höchste Grundsicherungsquote für Menschen ab 65 Jahren in Berlin und bereits jeder 10. Ältere ist von Armut betroffen. Im Berliner Durchschnitt sind es dagegen lediglich halb so viel (ca. 5 %). Zu beachten sind die sozialen Unterschiede innerhalb der Personengruppe der Älteren. Während die Grundsicherungsquote bei Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Bezirk bei 24 % liegt, beträgt diese bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund lediglich ca. 8 %.

Weiterhin zeichnet sich eine starke Zunahme der Anzahl der über 80-Jährigen (Hochbetagte) ab. Dynamik erhält diese Entwicklung auch mit der deutlichen Zunahme ehemaliger Arbeitsmigrantinnen in dieser Altersklasse. Die Gruppe der hochaltrigen Menschen mit Migrationshintergrund ist die Bevölkerungsgruppe, die berlinweit am stärksten wächst.

Derzeit sind rund 20 % der Berliner Bevölkerung 65 Jahre und älter. Hochrechnungen gehen davon aus, dass es bis 2030 ca. 170.000 weitere Senioren und Seniorinnen in Berlin geben wird (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz 2011). Dies bedeutet für 2030 im Verhältnis zu 2009 ein Anwachsen dieser Bevölkerungsgruppe um 26,3 %. Betrachtet man zudem die teilweise prekäre Einkommenslagen der gegenwärtig noch berufstätigen Personen zwischen 50 und 65 Jahren, ist absehbar, dass armutsnahe Lebenslage bei Menschen über 65 Jahren sowohl in Berlin als auch in Friedrichshain-Kreuzberg in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen werden.

Auswirkungen der Armutstendenzen auf Teilhabechancen

Insbesondere im Alter besteht ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Gesundheit: Die materielle Lage ist aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit kaum noch änderbar und gesundheitliche Einschränkungen rücken in dieser Altersspanne stärker in den Fokus. Doch die zunehmende soziale Ungleichheit im Alter hat nicht nur Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Gesundheit, sondern schlägt sich ebenso auf die Teilhabechancen dieser Personengruppe(n) nieder, beispielsweise bei der Freizeitgestaltung oder der Möglichkeit, gesundheitsfördernde Angebote wahrnehmen zu können. Zudem empfinden viele ältere Menschen in Armutslagen Scham über ihre Situation, ziehen sich zurück und isolieren sich verstärkt. Für die selbst wahrgenommene Lebensqualität ist soziale Teilhabe aber von zentraler Bedeutung.

Berliner Stadteilzentren: Neue Herausforderungen

Soziale Teilhabe wird im höheren Alter vor allem ?vor Ort? im Quartier ermöglicht. Die Bedingungen des Lebensumfeldes tragen wesentlich dazu bei, ob Teilhabe gefördert oder erschwert wird. Um gegen Vereinsamungsprozesse anzugehen, ist es wichtig, quartiersbezogene Begegnungsangebote und soziale Netzwerke auf- bzw. auszubauen. Stadtteilzentren wie das Nachbarschaftshaus Urbanstraße ermöglichen es, dass ältere Menschen im vertrauten sozialen Umfeld am sozial-kulturellen Leben teilhaben und Gemeinschaft erfahren. Sie sind nicht nur Generationentreffpunkte, sondern auch Brücke zwischen den verschiedenen Generationen und Kulturen. Die Berliner Stadtteilzentren stehen verstärkt für die Idee einer offenen, quartiersbezogenen Altenarbeit, welche auf Beratung, Bildung und Begegnung setzt. Jährlich nehmen in Berlin circa 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher Angebote in Stadtteilzentren wahr, ca. 3.200 Bürgerinnen und Bürger engagieren sich dort ehrenamtlich.

Das Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V. ist ein sozial-kulturelles Zentrum in Berlin-Kreuzberg. Der Verein arbeitet bereits seit 1955 an diesem Standort und für die umliegende Nachbarschaft. Er leistet generationsübergreifende und stadtteilorientierte Arbeit in den Bereichen Kinder-, Schulkinder und Jugendlichenbetreuung, -begleitung und -förderung sowie mit Erwachsenen aller Altersgruppen. Sein Leitbild ist geprägt von einem umfassenden Engagement für das Gemeinwesen, der Entwicklung und Förderung der vielfältigen Ressourcen und Potenziale im lokalen und regionalen Stadtraum mit dem Ziel, die Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. Dazu gehört auch die Unterstützung von Menschen und Initiativen im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement, Eigeninitiative und Selbsthilfe. Das Nachbarschaftshaus unterhält aktuell drei Nachbarschaftstreffpunkte in Kreuzberg, als Orte der Begegnung, Bildung und Beratung sowie als Knotenpunkte freiwilligen und bürgerschaftlichen Engagements.


Ziele und Zielgruppen

In Anbetracht der beschriebenen Entwicklungen ist es wichtig, jene Personengruppen in den Blick zu nehmen, bei denen spezifische Problemlagen im Lebensverlauf die Chancen verringern, in guter Gesundheit alt zu werden. Zu diesen zählen ältere Menschen, die unter schwierigen sozioökonomischen Bedingungen teils zurückgezogen leben und insbesondere ältere Frauen und ältere Männer mit Migrationshintergrund . Ihr Armutsrisiko ist ca. 4,5-mal höher als bei der Gruppe ohne Migrationshintergrund. 62 % dieser Menschen verfügen überdies über keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Wichtig ist vor diesem Hintergrund die Entwicklung von Maßnahmen, die auf die Bedarfe dieser Personengruppen zugeschnitten sind. Gefragt sind Ansätze für die Zielgruppe der oft zurückgezogen lebenden und nur noch eingeschränkt mobilen, deshalb schwer erreichbaren Menschen.

Das Netzwerk für Mehr Teilhabe Älterer in Kreuzberg setzt sich mit diesen Rahmenbedingungen auseinander und möchte die vorhandenen Ressourcen im Sozialraum identifizieren und stärken. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Netzwerks betrifft die Frage, wie die von Altersarmut betroffenen älteren Menschen erreicht werden können. Die Beschäftigung mit dieser Frage sehen die Partner im Netzwerk als Voraussetzung dafür an, Maßnahmen zur Teilhabeförderung am gesellschaftlichen Leben zu entwickeln. Um mögliche Antworten zu erschließen, werden kreative Zugangswege zu Älteren durch das Netzwerk erprobt. Vor allem aufsuchende Strategien werden in den Mittelpunkt gestellt und Menschen dort ?abgeholt?, wo sie ihren Alltag verbringen. Die Vision der Arbeit des Netzwerkes ist, dass jeder ältere Mensch in Kreuzberg die Möglichkeit zur sozialen und kulturellen Teilhabe erhält.

Weiterhin möchte das Netzwerk die vielfältigen Aktivitäten im Stadtteil transparenter machen und eine Plattform sein, in der die Netzwerkpartner und -partnerinnen voneinander lernen und Erfahrungen, Wissen und Kontakte bündeln.


Vorgehen

Das Nachbarschaftshaus hat den Aufbau von zwei sozialraumbezogenen Netzwerken Älterer initiiert - eines im Südwesten Kreuzbergs sowie eines im Osten Kreuzbergs. Das Netzwerk im Südwesten Kreuzbergs bestehend aus Fachleuten aus Verwaltung und freien Trägern, Aktiven aus Nachbarschaftsinitiativen sowie älteren Menschen ist seit 2013 stetig gewachsen und wird inzwischen durch eine größere aktive Kerngruppe getragen. In dem Netzwerk sind vielfältige Akteurinnen und Akteure aus Kreuzberg zusammengeschlossen, u. a. aus bezirklicher Verwaltung, Stadtteilarbeit (Familienzentrum, Mehrgenerationenhaus, Begegnungsstätte) und Beratungs- und Koordinierungsstellen (Kontaktstelle Pflegeengagement, Pflegestützpunkt, Freiwilligenagentur). Auch viele ehrenamtlich Engagierte und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus der Nachbarschaft (Physiotherapie, Arztpraxis) gehören dazu. Die Koordination dieses Netzwerkes liegt in der Verantwortung des Nachbarschaftshauses Urbanstraße. Dort finden regelmäßige Treffen und Netzwerkrunden statt, in denen das gemeinsame Vorgehen geplant wird.
Strategisch ist es Ziel, die Akteure beider initiierten Netzwerke längerfristig in einem gemeinsamen Netzwerk Für mehr Teilhabe Älterer in Kreuzberg zusammen zu führen.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Aufgrund der beschriebenen sozialen und soziodemographischen Entwicklungen steigt die Bedeutung des wohnortnahen Umfeldes der Betroffenen an. Da klassische Angebote von der beschriebenen Zielgruppe weniger wahrgenommen werden, sind innovative Angebotsformate erforderlich, welche den Bedürfnissen der verschiedenen Gruppen im Quartier entsprechen. Zur Förderung der Teilhabe müssen Gelegenheitsstrukturen geschaffen werden.

Als ersten und notwendigen Schritt der Teilhabeförderung hat sich das Netzwerk für Mehr Teilhabe Älterer in Kreuzberg zum Ziel gesetzt, die Zugangshürden und hemmenden Rahmenbedingungen der beschriebenen Zielgruppe zu thematisieren. Dazu zählen die begrenzten finanziellen Mittel sowie die eingeschränkte Mobilität dieser Menschen. Auf Basis dieser Überlegungen versucht das Netzwerk, neue und kreative Zugangswege zu Älteren zu entwickeln.

Durchgeführt werden vier zentrale Strategien, welche dazu beitragen, mehr über mögliche Zugangshürden aus der Sicht der Betroffenen zu erfahren und diese Informationen zu nutzen, um neue Zugangswege zu eröffnen:

Zugangswege über Nachbarschaftskampagne "Ziemlich beste Nachbarn - dank Dir"

Voraussetzung einer aktiven Teilhabeförderung ist es, effektive Formen des Zugangs zu der Zielgruppe zu gewinnen. Das Netzwerk Für Mehr Teilhabe Älterer sieht in der unmittelbaren und mittelbaren Nachbarschaft einen Weg, einen neuen Zugang zu zurückgezogen lebenden älteren Menschen zu gewinnen. Mit Hilfe einer öffentlichen Kampagne ("Ziemlich beste Nachbarn - dank Dir") sollen nicht nur die betroffenen älteren Menschen selbst, sondern ebenso Freunde/innen, Familienangehörige sowie Nachbarn/innen erreicht sowie sensibilisiert werden. Kreuzbergerinnen und Kreuzberger werden in dieser Kampagne mit der Frage angesprochen, ob es in ihrem Haus oder Nachbarschaft ältere Menschen gibt, die sich zurückziehen oder die Hilfe benötigen. Die Kampagne hat zum Ziel, den Blick in die Nachbarschaft zu öffnen und insbesondere auf die von Vereinsamung bedrohten Älteren zu richten. Gekoppelt mit einer Webseite sollen alle Kreuzbergerinnen und Kreuzberger Informationen erhalten können, an welche Einrichtung sie sich bei Unterstützungsbedarf von Nachbarinnen und Nachbarn wenden können. Dahinter steht die Idee, dass Nachbarn oder Nachbarinnen mit älteren Menschen in ihrem Haus oder in ihrer Straße in Kontakt stehen und frühzeitig von möglichen Unterstützungsbedarfen erfahren. Über die Internetseite "Ziemlich beste Nachbarn" können Nachbarn und Nachbarinnen Informationen darüber einholen, wo es nahräumliche Beratungsangebote oder Treffpunkte gibt, und diese Informationen vertrauensvoll an die älteren Nachbarn weiterreichen und diese auch direkt dorthin begleiten.

Neben der Sensibilisierung für die Anliegen der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern erhoffen sich die Netzwerkpartnerinnen und -partner, mittels der Kampagne mehr über hemmende Rahmenbedingungen der sozialen Teilhabe dieser Personengruppe zu erfahren. Interessant an dem Vorgehen der Nachbarschaftskampagne ist insbesondere, dass in der Thematisierung von Zugangshürden nicht nur die Zielgruppe selbst oder die eigene Familie, sondern ein um die Nachbarschaft erweiterter Kreis miteinbezogen wird.

Seniorenbriefe beim Übergang zwischen Beruf und Nacherwerbsphase

Das Netzwerk hat begonnen, mit Menschen im Alter von 63 und 64 Jahren mittels standardisierter Briefe in Kontakt zu treten. 2015 und 2016 wurden jeweils etwa 1000 Briefe - unterzeichnet von der Bezirksbürgermeisterin und dem Nachbarschaftshaus - an die entsprechenden Jahrgänge versendet. Die Adressen erhielt das Bezirksamt über das Einwohnermelderegister. Die Festlegung des Alters basiert auf der gemeinsamen Überlegung der Netzwerkpartnerinnen und -partner, dass die Menschen dieser Altersgruppe sich in einem Umbruch ihrer Lebenssituation befinden. Während manche noch berufstätig oder arbeitslos sind, beziehen andere bereits Rente oder stehen vor dem Übergang vom beruflichen ins erwerbsfreie Alter. Entsprechend dieser persönlichen Situationen divergieren die Bedürfnisse dieser Personengruppen, die allesamt in den Briefen angesprochen werden. Thematisiert werden differenzierte Bedarfe folgender drei Situationen:

a) Für Menschen mit gesundheitlich gutem Zustand werden Orte für lokales Engagement vorgeschlagen, an denen sie ihre Kompetenzen weiter einbringen und gar erweitern können.
b) Menschen, die den Verlust von Freunden/Freundinnen und persönlichen Kontakten durch ihren "Ruhestand" erfahren haben, werden auf Angebote für gemeinschaftliche Freizeit- und Begegnungskontakte hingewiesen.
c) Menschen, die konkreten Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsdiensten haben, werden über diese Angebote informiert.

Diesem Brief liegt eine Übersicht ausgewählter Einrichtungen im Bezirk für die Altersgruppe bei. Das Anschreiben des Briefes enthält Textpassagen auf Türkisch und Arabisch sowie eine Telefonnummer, unter der Interessierte weitere muttersprachliche Informationen erhalten.

Alle Angeschriebenen werden zu einer jährlich stattfindenden Informationsveranstaltung im Nachbarschaftshaus eingeladen, zu der alle Partnerinnen und Partner des gemeinsamen Netzwerkes ihre Angebote in einer Marktsituation vorstellen. Ein Sportverein aus dem Netzwerk informiert z. B. zu Sportangeboten für Ältere, der Mobilitätshilfedienst über seine Hilfeleistung, der Pflegestützpunkt macht sein Beratungsspektrum deutlich, die Freiwilligenagentur zeigt Möglichkeiten freiwilligen Engagements auf oder Nachbarschaftsinitiativen stellen ihre Angebote vor. Während der Informationsveranstaltung haben alle Netzwerkpartnerinnen und -partner die Möglichkeit, eine fünfminütige Darstellung ihrer Aktivitäten zu geben. Anschließend gibt es Gelegenheit, individuell an die Netzwerkpartner heranzutreten und Fragen oder Anliegen zu formulieren.

Die Informationsveranstaltungen dienen offensichtlich nicht nur der eigenen Information der eingeladenen Personen. Manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, die Veranstaltung gar nicht zu persönlichen Zwecken besucht zu haben, sondern um sich eher bezüglich der Hilfsmöglichkeiten für ältere Verwandte oder die eigenen Eltern zu informieren.

In den nächsten Jahren soll jeder Kreuzbergerin/ jedem Kreuzberger, die/ der diesen biographischen und zugleich sozialen Übergang erlebt, ein solcher Brief zukommen.

Auch an diesem Vorgehen, zeigt sich, dass die Aktivitäten des Netzwerkes darauf zielen, bestehende Zugangshürden abzubauen. Durch die niedrigschwelligen Informationsangebote per personalisierten Brief wird der Herausforderung begegnet, auch jene zu erreichen, welche auf anderen Wegen bisher unerreicht blieben.

Mobile Angebote und aufsuchende Beratung

Ein weiteres wichtiges Element, um Zugang zu vormals nicht erreichten älteren Menschen zu finden, liegt darin, Menschen dort zu adressieren, wo sie ihren Alltag verbringen. Das Netzwerk führt diese Ansprache älterer Menschen auf jenen Plätzen und Straßen durch, welche von älteren Menschen genutzt werden. Mit einem Lastenfahrrad, Kaffee und Kuchen und vielen Informationen sowie Material zum Schreiben im Gepäck suchen die beim Netzwerk Engagierten unterschiedliche Orte im Stadtteil auf. Um türkisch- und arabischsprechende Menschen anzusprechen, sind zumeist auch Netzwerkkolleginnen und -kollegen aus diesem Sprachraum mit dabei. Vor Ort gehen sie direkt auf die Menschen zu und fragen sie nach ihren Anliegen, Belastungen und Wünschen. Die zurückgespiegelten Themen werden gesammelt und in die Netzwerktreffen getragen, in denen nach Lösungen gesucht wird.

So wurde beispielsweise beobachtet, dass älteren Menschen in der nahräumlichen Nachbarschaft des Chamissoplatzes ein lebendiger, attraktiver und niedrigschwelliger Begegnungsort fehlt. Das Netzwerk diskutierte daher über diesen Bedarf und konnte eine kommunale Begegnungsstätte als potentiellen Treffpunkt identifizieren, der bis dato eher ein interner Treffpunkt von Älteren aus einem ehemaligen Seniorenwohnhaus war und der allgemeinen Nachbarschaft nicht zur Verfügung stand. Das Nachbarschaftshaus führte Gespräche mit dem Bezirksamt und stellte einen Antrag auf finanzielle Förderung aus dem Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus (siehe www.mehrgenerationenhaeuser.de/programm/was-ist-das-bundesprogramm). Seit Anfang März 2017 wird dieses Mehrgenerationenhaus entwickelt, d.h. die Räume der bisherigen Begegnungsstätte werden von der Kommune zur Verfügung gestellt, um in Trägerschaft des Nachbarschaftshauses einen intergenerativen nachbarschaftlichen Treffpunkt zu entwickeln.



Eine weitere zentrale Strategie, Zugangswege zu der Zielgruppe zu eröffnen, stellt das Multiplikatorenkonzept des Netzwerkes dar. Dieses wird weiter unten separat beschrieben.

Über die beschriebenen Zugangswege möchte das Netzwerk längerfristig ein dichtes Netz knüpfen, durch das niemand - der oder die es nicht will - unangesprochen bleibt. Mit ihren Bemühungen, jene zu erreichen, zu denen bisher kaum Zugang bestand, bereitet das Netzwerk die Grundvoraussetzungen für die Teilhabe dieser Personengruppe. Um die Niedrigschwelligkeit von Angeboten zu gewährleisten, setzt das Netzwerk darauf, bereits vorhandene Angebote bekannter und einer größeren Zielgruppe zugänglich zu machen. Beachtlich ist bei der Arbeit des Netzwerkes, dass das Ziel, Beteiligungshürden zu erkennen und darauf aufbauend niedrigschwellige Teilhabeförderung mittels kreativer Zugangswege zu gestalten, auf einem übergreifenden Handlungsansatz beruht, welcher mehrere sich ergänzende Aktivitäten (Strategien) umfasst.

Settingansatz

Die Bedingungen der Lebenswelt (z. B. Wohnbedingungen, nachbarschaftliche Unterstützung, Mobilitäts-Infrastruktur) tragen insbesondere im höheren Lebensalter dazu bei, ob Teilhabe von Menschen gelingen kann. Dies gilt umso mehr, je stärker sich der Aktionsradius im Laufe des Älterwerdens verkleinert - zum Beispiel, weil die Mobilität durch gesundheitliche Beeinträchtigungen oder finanzielle Begrenzungen abnimmt. Bereits mit dem Ende der Berufstätigkeit gewinnt das Wohnquartier an Bedeutung. Ältere Menschen verbringen mehr Zeit vor Ort. Dazu kommt, dass in dieser Lebensphase oft wichtige persönliche und soziale Kontakte wegfallen, zum Beispiel durch den Tod des Partners oder den Wegzug der Kinder. Umso entscheidender wird damit das Wohnviertel für die Lebensqualität älterer Menschen. Daher müssen die Bedingungen im Quartier genau in den Blick genommen werden.

Das Netzwerk für Mehr Teilhabe Älterer möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die Lebensbedingungen vor Ort so gestaltet werden, dass diese einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner haben können. Zu diesem Zwecke haben sich die Mitglieder des Netzwerkes die Aufgabe gestellt, gesundheitlich förderliche und belastende Elemente des Viertels zu benennen und in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Um die belastenden Elemente im Quartier für ältere Menschen aufzuspüren, führen die Mitglieder der Initiative mit älteren Menschen aus dem Viertel regelmäßig Kiezspaziergänge zum Thema "Älter werden im Kiez" in verschiedenen Nachbarschaften durch. Im Vorfeld eines Kiezspaziergangs im Chamissokiez, der einen Ausschnitt des Quartiers darstellt, in dem das Netzwerk tätig ist, wurden 90 Bewohnerinnen und Bewohner zu ihrer Lebenssituation und ihren Wünschen, Bedürfnissen und Herausforderungen befragt. Bei den Kiezspaziergängen wird insbesondere Wert darauf gelegt, dass aus den Beobachtungen konkrete Aktivitäten erwachsen. Ausgehend von den Kiezspaziergängen und Gesprächen entstehen mit Beteiligung von Bewohner/innen thematische Arbeitsgruppen, die sich bei den zuständigen Ämtern und Akteuren für die Umsetzung von gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen einsetzen. Für den Chamissokiez waren dies beispielsweise die folgenden:

- Projekt "Die Rote Bank - Mobiles Leben im Kiez" : Ausgehend von der Beobachtung, dass viele ältere Menschen aufgrund fehlender Sitzmöglichkeiten den Weg in den öffentlichen Freiraum scheuen, haben es sich die Mitglieder einer Arbeitsgruppe zum Ziel gesetzt, Gewerbetreibende zu ermuntern, im Sommer farblich gekennzeichnete Tische zur Verfügung zu stellen, an denen ältere Menschen kostenlos sitzen können. Das Bezirksamt (Abteilung Planen, Bauen, Umwelt) signalisierte seine Unterstützung bei der Umsetzung des Konzeptes.

- Projekt "Umgestaltung Gesundheitszentrum" : Obschon es sich um ein neu errichtetes Gesundheitszentrum handelt, wird es von den älteren Menschen nicht als barrierefrei empfunden. Eine Arbeitsgruppe hat sich zur Aufgabe gemacht, den Eigentümer des Hauses für die Bedürfnisse der älteren Menschen zu sensibilisieren und auf eine barrierefreie(re) Umgestaltung des Zentrums hinzuwirken. Die bezirkliche Behindertenbeauftragte hat zugesagt, Gespräche mit dem Eigentümer des Gesundheitszentrums zu begleiten.

- Barrierefreie Gestaltung des Kiezes : Das Tiefbauamt Friedrichshain-Kreuzberg wurde auf die wahrgenommenen Barrieren im öffentlichen Raum angesprochen. Im Sommer 2016 erfolgten erste bauliche Maßnahmen wie die Absenkung von Bordsteinen in mehreren Straßen im Chamissokiez ? auf Basis eines Konzeptes, welches vom Netzwerk mit Unterstützung von Bewohnerinnen und Bewohner erarbeitet worden war.

Im Graefe-Kiez, einem zentralen Viertel von Kreuzberg, in dem das Netzwerk auch agiert, wurde eine Analyse des barrierefreien Zugangs zu öffentlichen und Gewerbeeinrichtungen vorgenommen. Als Ergebnis zeigte sich, dass es in diesem Kiez keine barrierefreie Arztpraxis gibt und auch nur wenige Geschäfte diese Anforderung erfüllen, da es im Eingangsbereich gründerzeitlicher Altbauten meist eine Stufe gibt. Gewerbetreibende in zwei Straßen wurden daher nach ihrer Bereitschaft gefragt, mobile Rampen anzuschaffen. Das unmittelbare Ergebnis war, dass sich 10 Gewerbetreibende für je eine mobile Rampe entschieden und diese auch selbst finanziert haben.

Die Kiezspaziergänge und die daraus erwachsenen Arbeitsgruppen tragen dazu bei, die älteren Menschen zu befähigen, sich aktiv mit den Herausforderungen und Belastungen ihrer Lebensbedingungen vor Ort auseinanderzusetzen. Die Arbeitsgruppen fördern den Austausch über wahrgenommene Probleme und ermöglichen es, gemeinsame Lösungsstrategien zu entwerfen. Ältere Menschen werden so in die Mitgestaltung ihres Wohnumfeldes eingebunden.

Um die Ressourcen für aktive Beteiligungsprozesse der älteren Menschen zu stärken, werden weiterhin Weiterbildungsangebote umgesetzt. Beispielsweise wurden bislang im Rahmen von zwei Workshopreihen (2014-15 und 2016-17) des Nachbarschaftshauses Menschen rund um das Thema Inklusion und Barrierefreiheit sowie "Leichte Sprache" geschult. Ziel ist es, regelmäßig Kreuzbergerinnen und Kreuzberger zu den Themen Barrierefreiheit/Inklusion/ Teilhabemöglichkeiten mit Blick auf Menschen mit Beeinträchtigungen zu qualifizieren, damit sie diese Themen dann in ihren Stadtteil zurücktragen.

Wie gesund und selbstbestimmt Menschen im Alter leben können, hängt entscheidend von den Lebensbedingungen in ihren Wohnvierteln ab. Das Netzwerk setzt mit seiner Arbeit entscheidende Impulse, damit Menschen diese Teilhabe leben können. Entscheidend ist, dass nicht nur vereinzelte Maßnahmen durchgeführt werden, sondern diese durch die Netzwerkarbeit in ein ganzheitliches und abgestimmtes Vorgehen eingebettet sind. Gestärkt wird diese Arbeitsweise durch eine dauerhafte Koordinierung des Netzwerkes, die von einem Vertreter des Nachbarschaftshauses Urbanstraße übernommen wurde.

Nachhaltigkeit

Das im Jahr 2013 gegründete Netzwerk für mehr Teilhabe Älterer ist seitdem stetig gewachsen und wird inzwischen von einer großen aktiven Kerngruppe getragen, die die Ideen des Netzwerkes langfristig in ihrer Nachbarschaft verankern möchte. Dazu gehören u. a. Teilnehmende aus bezirklicher Verwaltung, der Stadtteilarbeit (Familienzentrum, Mehrgenerationenhaus, Begegnungsstätte) und aus Beratungs- und Koordinierungsstellen (Kontaktstelle Pflegeengagement, Pflegestützpunkt, Freiwilligenagentur). Die regelmäßigen Treffen, Vernetzungen und die Motivation der Netzwerkgruppe garantieren eine Strukturbildung, die auch unabhängig von nur anlassbezogenem Handeln bestehen bleibt. Unterstützt wird diese dadurch, dass langfristig Räumlichkeiten im Nachbarschaftshaus Urbanstraße für die gemeinsamen Treffen zur Verfügung stehen und die Koordination des Netzwerkes in der Verantwortung des Nachbarschaftshauses Urbanstraße liegt. Die institutionelle Anbindung des Netzwerkes an das Nachbarschaftshaus Urbanstraße gewährt somit eine verlässliche und dauerhafte Verankerung des Netzwerkes, ohne dessen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

Folgende Erfahrungen sprechen dafür, dass die gewählte Arbeitsstruktur als Netzwerk eine vielversprechende Basis für eine nachhaltigen Umsetzung, Verstetigung und Weiterentwicklung der gemeinsamen Arbeitsziele darstellt:

- Es hat sich gezeigt, dass für die Langfristigkeit und Verstetigung eines Netzwerkes vor allen Dingen der Nutzen für ihre praktische Arbeit entscheidend ist, den die Netzwerkpartnerinnen und -partner selbst aus dem gemeinsamen Vorgehen erfahren: Im vorliegenden Fall wurde von den Teilnehmer/innen des Netzwerkes berichtet, dass die herausfordernden Rahmenbedingungen in der Arbeit mit Älteren in der Kommune (schwierige Erreichbarkeit, gesundheitliche Einschränkungen, Zugangsbarrieren, unbekanntes lokales Wissen und Gepflogenheiten) ein koordiniertes Vorgehen erforderlich machen und dass das Netzwerk die Teilnehmenden mit wissenswerten Informationen über aktuelle Entwicklungen, Methoden und Fördermöglichkeiten in der Arbeit mit älteren Menschen vor Ort versorgt. Diskussionen und Ideenaustausch zwischen den Netzwerkpartnerinnen und -partner helfen, neue Perspektiven zu erhalten und Lösungsstrategien zu erarbeiten, welche den komplexen Problemlagen der Teilhabe älterer Menschen im Quartier gerecht werden.

- Das Selbstverständnis des Netzwerkes bringt es mit sich, dass das Tätigkeitsfeld sich jeweils aus den (sich verändernden) Bedarfslagen ihrer Zielgruppen ergibt. Zugute kommt dem Netzwerk insbesondere, dass die Teilnehmenden aus der direkten Zusammenarbeit mit den Zielgruppen deren (veränderte) Bedarfe zeitnah und realistisch in das Netzwerk zurückspiegeln können und auf diesem Hintergrund die Maßnahmen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die gemeinsame zielbezogene Arbeit erlaubt es, aktuelle Themen und Probleme flexibel und unmittelbar zu bearbeiten. Diese Flexibilität hat großen Anteil am Erfolg des Netzwerkes und ist für die Teilnehmer/innen der Arbeitsgruppen oftmals motivierender als die klassische Arbeitsweise in vorstrukturierten Arbeitskonstellationen.

- Wichtig für die Nachhaltigkeit sind auch die Arbeitsbedingungen im Netzwerk, die die Beziehungsqualität der Teilnehmenden und deren Motivation zur Teilnahme fördern: Als motivationssteigernd empfinden es die Netzwerkpartnerinnen und -partner, dass konkrete Aktivitäten als kleine, machbare Meilensteine formuliert werden. Zur Motivationsstärkung hat auch das Vorgehen beigetragen, konkrete Kooperationsprojekte durchzuführen und gemeinsam einzuschätzen, welche Aktivitäten überhaupt realisierbar sind. Motivationssteigernd in diesem Sinne ist auch die Transparenz der durchgeführten Netzwerkarbeit für die nicht unmittelbar beteiligten Netzwerpartnerinnen und -partner, beispielsweise mittels regelmäßiger Protokolle und Info-Mails. Dies trägt zu mehr Wertschätzung und zu einer höheren Verbindlichkeit bei den Mitgliedern bei.

Schließlich ist zu erwähnen, dass die Aktivitäten des Netzwerkes auf nachhaltige Wirkungen ausgerichtet sind, insbesondere im Sinne nachweisbarer Veränderungen gesundheitsgerechter und förderlicher Lebensbedingungen. Dazu gehört beispielsweise die Benennung und Thematisierung gesundheitlich förderlicher und belastender Elemente im öffentlichen Raum, wie es zum Beispiel im bereits erwähnten Projekt "Die Rote Bank - Mobiles Leben im Kiez" geschieht. Aus dem Netzwerk wurden auch dauerhafte bauliche Veränderungen im Stadtteil angeregt und umgesetzt (vgl. das bereits erwähnte Beispiel der Rampen zur Steigerung der Barrierefreiheit bei Gewerbetreibenden). Nicht zuletzt haben die durchgeführten Aktionen zum Ziel, ältere Menschen dauerhaft zu befähigen, sich aktiv mit den Herausforderungen und Belastungen ihrer Lebensbedingungen vor Ort auseinanderzusetzen, beispielsweise mittels der erwähnten Kiezspaziergänge und den daraus erwachsenen Arbeitsgruppen.

Multiplikatorenkonzept

Eine Kernstrategie in der Netzwerkarbeit ist es, Multiplikatoreninnen und Multiplikatoren aus der Nachbarschaft systematisch in die Arbeit des Netzwerkes einzubeziehen.

Dies gelingt zum einen durch die Netzwerkrunde selbst, die offen für alle Interessierten ist und mittlerweile aus einem sehr vielfältigen Teilnehmendenkreis besteht. Vertreten sind unter anderem Akteure und Akteurinnen der Stadtteilarbeit (Familienzentrum, Mehrgenerationenhaus, Begegnungsstätte), der Beratungs- und Koordinierungsstellen (Kontaktstelle PflegeEngagement, Pflegestützpunkt, Freiwilligenagentur), Vertreter und Vertreterinnen der Nachbarschaften (Nachbarschaftsinitiative "Miteinander ohne Grenzen", Nachbarschaftshilfeprojekte "Freunde alter Menschen" und "Bürgergenossenschaft Südstern") sowie Akteurinnen und Akteuren aus Wohnprojekten wie die "Möckernkiezgenossenschaft" und ihr angeschlossener Verein. Das Netzwerk besteht somit aus Akteurinnen und Akteuren, die außerhalb der eigentlichen Netzwerkarbeit mit älteren Menschen in professionellen Zusammenhängen arbeiten. Sie verfügen über Zugänge, regelmäßigen Kontakt und das Vertrauen der älteren Menschen, die gewährleisten, dass eine Ansprache älterer Menschen gelingen kann. Indem die Teilnehmenden die Aktionen und Projekte des Netzwerkes weitertragen und in ihre jeweiligen professionellen Kontexte alltagsnah einbringen, kann die Reichweite der Aktionen und deren Wirkungen erhöht werden.

Des Weiteren ist das Netzwerk bestrebt, weitere externe Multiplikatoreninnen und Multiplikatoren aus dem Quartier zu gewinnen welche ebenfalls im direkten Kontakt zur Zielgruppe stehen, allerdings bislang noch nicht in das Netzwerk eingebunden sind. Dies sind beispielsweise Mitarbeitende aus Arztpraxen, Apotheken oder physiotherapeutischen Einrichtungen. Diese für ältere Menschen wichtigen Schlüsselpersonen aus der Nachbarschaft werden bei einem persönlichen Besuch durch Vertreterinnen und Vertreter des Netzwerkes über die Angebote für ältere Menschen in ihrer Umgebung informiert und in die Lage versetzt, als Multiplikatoreninnen und Multiplikatoren ältere Menschen über zugängliche Angebote zu informieren oder an diese weiterzuvermitteln.

Das Netzwerk und die Koordinierungsstelle des Netzwerkes sind zudem bestrebt, Multiplikatoreninnen und Multiplikatoren und Teilnehmenden des Netzwerkes Weiterbildungs- und Schulungsmöglichkeiten anzubieten. Neben der stetigen Motivationsarbeit, sich für die Belange der Nachbarschaft einzusetzen, qualifiziert und begleitet das Netzwerk Multiplikatoren/innen auf vielfältige Weise und zwar sowohl jene Multiplikatoreninnen und Multiplkatoren, welche an den Netzwerksitzungen teilnehmen, als auch solche, die als externe Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gewonnen werden. Beispielsweise wurde in 2016 eine "Qualifizierungsreihe Alltagsaktivierung" mit den Themen "Bewegung im Alter", "Umgang mit Hilfsmitteln", und "Sturzprävention in der Häuslichkeit" auf Basis modularer Workshops für Freiwillige und Hauptamtliche durchgeführt. Grundgedanke der Fortbildungsreihe war es, die Teilnehmenden zu befähigen, diese für die Inklusion älterer Menschen in die Nachbarschaft wichtigen Themen in ihre jeweiligen beruflichen und bürgerschaftlichen bzw. nachbarschaftlichen Kontexte weiterzutragen. Des Weiteren wurden im Rahmen zweier Workshopreihen Menschen aus der Zielgruppe selbst ("Peers") rund um das Thema Inklusion und Barrierefreiheit sowie "Leichte Sprache" geschult. Diese Personen können anschließend als "Schlüsselpersonen" die Themen und Botschaften alltagsnah in ihren Stadtteil zurücktragen und an die älteren Menschen selbst vermitteln.

Zur stärkeren Einbindung der Multiplikatoren/innen wurde ein Multiplikatorenkonzept erstellt, welches für 2017 folgende Maßnahmen und Arbeitsschritte der Qualifizierung und Begleitung vorsieht:

- systematische Recherche und Zusammenstellung von Informationen für Ältere zur Weitergabe via Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
- Information und Schulung von Teams aus Arztpraxen, Apotheken und physiotherapeutischen Einrichtungen, Bewohnerinnen und Bewohner aus der Nachbarschaft sowie von Mitgliedern der Sozialkommissionen, welche u. a. eine ehrenamtliche Gratulation von Jubilarinnen und Jubilaren im Auftrag der Kommune durchführen;
- regelmäßige Information und Weiterbildung der Multiplikatoren/innen anhand bereits bestehender Konzepte wie dem Schulungsmaterial der Akademie 2. Lebenshälfte "Lange mobil und sicher zu Hause ? Besuche in der Häuslichkeit mit Gespräch und Bewegung" oder der Arzthelferinnen-Fortbildung des Qualitätsverbundes "Netzwerk im Alter - Pankow e.V."

Über eine externe Evaluation ist geplant, die Ansprache, Qualifizierung und Einbindung der Multiplikatoreninnen und Multiplikatoren auszuwerten und anhand der Ergebnisse prozessorientiert weiterzuentwickeln.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Ältere Menschen in schwieriger sozialer Lage sind eine schwer zu erreichende Zielgruppe und über gelingende Zugangswege ist bisher wenig bekannt. Das vom Nachbarschaftshaus Urbanstraße getragene Netzwerk für mehr Teilhaber Älterer trägt dazu bei, neue Formen der Zugangswege zu erproben und Erkenntnisse zu deren Umsetzbarkeit zu gewinnen.
Über die Erfahrungen zu möglichen Zugangswegen hinaus können ähnliche Projekte insbesondere von den Erkenntnissen aus der Arbeitsweise im Netzwerk profitieren. Die Erfahrungen aus den ersten Jahren des gemeinsamen Engagements zeigen, dass folgende Faktoren zum Gelingen von Kooperation- und Netzwerkhandeln wesentlich beitragen:

Eigenes Handeln durch gemeinsames Handeln optimieren

Aufgrund komplexer Problemlagen, welche die Teilhabe älterer Menschen im Quartier beeinflussen (Erreichbarkeit, gesundheitliche Einschränkungen, Zugangsbarrieren, unbekanntes lokales Wissen und Gepflogenheiten) bietet die Zusammenarbeit in einem Netzwerk gegenüber den vereinzelten Aktivitäten vieler Organisationen den Vorteil eines ganzheitlichen Lösungsansatzes, der die Handlungsfelder und Kompetenzen der einzelnen Teilnahmeorganisationen erweitern kann.
Netzwerkhandeln gelingt vor allen Dingen dann, wenn nicht nur klassische Aufgabenverteilung im Mittelpunkt steht, sondern wenn die Zweckmäßigkeit des eigenen Handelns durch die gemeinsame Herangehensweise gesteigert wird. Diskussionen und Ideenaustausch auf horizontaler Ebene erlauben die Einnahme neuer Perspektiven.

Gemeinsames Grundverständnis und Erfolgsindikatoren entwickeln

Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den zum Teil sehr unterschiedlichen Akteuren liegt in der Klärung des gemeinsamen Grundverständnisses des Netzwerkes. Dazu gehört eine gemeinsame Festlegung darüber, welche Ziele im Netzwerk erreicht werden sollen (Festlegung von Erfolgskriterien). Als motivationssteigernd wurde es von den Netzwerkpartnerinnen und -partner empfunden, dass konkrete Aktivitäten als kleine, machbare Meilensteine formuliert wurden. Gemeinsam wurde eingeschätzt, welche Aktivitäten überhaupt realisierbar sind.

Empfohlen werden die Umsetzung von konkreten Kooperationen und Kooperationsprojekten, wie dies beispielsweise im sogenannten ?Kreuzberger Kaffeeklatsch? möglich war. In diesem Projekt werden jeden Monat 10 immobile Menschen zweimal aus ihren Wohnungen abgeholt, um ihnen durch die Teilnahme an einem Begegnungsangebot mehr soziale Teilhabe zu ermöglichen. In einem weiteren Kooperationsprojekt qualifiziert das Netzwerk Hauptamtliche und Freiwillige im Rahmen einer Fortbildungsreihe zu Alltagsaktivierung und Bewegungsförderung älterer Menschen im 1:1 Kontakt.

"Wir-Gefühl" aufbauen und sich gegenseitig wertschätzen

Zentral für den Aufbau der gemeinsamen "Netzwerk-Basis" ist die Beziehungsarbeit zwischen den teilnehmenden Akteurinnen und Akteure. Um das Wir-Gefühl des Netzwerkes zu stärken, wurden gemeinsame Aktionen durchgeführt, beispielsweise ein Besuch von "Dialog mit der Zeit", einer Ausstellung über das Alter und den Prozess des Alterns im Museum für Kommunikation Berlin. Die Transparenz der Netzwerkarbeit, beispielsweise mittels einer regelmäßigen Dokumentation in Form von Protokollen und Info-Mails, trägt zu mehr Wertschätzung und ebenso zu einer höheren Verbindlichkeit bei den Mitgliedern bei.

Kontinuierlich und koordiniert agieren

Positive Auswirkungen auf die gegenseitigen Netzwerkbeziehungen hat auch die Kontinuität der Netzwerkarbeit. Diese wird gestärkt durch eine dauerhafte Koordinierung des Netzwerkes, die im vorliegenden Fall von einem Mitarbeiter des Nachbarschaftshauses Urbanstraße übernommen wird.

Informationen, Wissen und Erfahrungen teilen

Als konkreter Mehrwert für die Teilnahme am Netzwerk wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Teilen von Wissen und Informationen genannt. Berichte und Erfahrungen anderer Netzwerkpartnerinnen und -partner bezüglich aktueller Entwicklungen, Methoden und Fördermöglichkeiten sowie ein Vorschuss an Wissen seitens der Koordination können die Teilnahme am Netzwerk begünstigen. Es hat sich gezeigt, dass unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Erfahrungen der Netzwerkpartnerinnen und -partner helfen, über die Lebenslagen und Bedürfnisse älterer Menschen ein vollständiges Bild zu erhalten und Lernprozesse anzuregen.


Literatur

Sallmon, S., Mittelstaedt, K., & Schenk, U. (2011). Zur sozialen Lage älterer Menschen in Berlin : Armutsrisiken und Sozialleistungsbezug. Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Juni 2013

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Personen mit niedrigem beruflichen Status (z.B. ungelernte Arbeiter/-innen)
  • Personen mit sehr niedrigem Einkommen (z.B. Personen im Niedriglohnsektor, Personen mit niedrigen Rentenbezügen)
  • Personen mit niedriger Schulbildung (z.B. Personen ohne qualifizierten Schulabschluss)
  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage
  • Sozial isolierte und / oder vereinsamte Personen

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend
  • 66 bis 79 Jahre
  • Ab 80 Jahre
  • 50 bis 65 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Zum Beispiel: Mitarbeitende aus Arztpraxen, Apotheken oder physiotherapeutischen Einrichtungen


Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

In dem Netzwerk sind vielfältige Akteurinnen und Akteure aus Kreuzberg zusammengeschlossen, u. a. aus bezirklicher Verwaltung, Stadtteilarbeit (Familienzentrum, Mehrgenerationenhaus, Begegnungsstätte) und Beratungs- und Koordinierungsstellen (Kontaktstelle Pflegeengagement, Pflegestützpunkt, Freiwilligenagentur). Auch viele ehrenamtlich Engagierte und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus der Nachbarschaft (Physiotherapie, Arztpraxis) gehören dazu. Die Koordination dieses Netzwerkes liegt in der Verantwortung des Nachbarschaftshauses Urbanstraße.


Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Psychische Gesundheit
  • Steigerung der Selbstständigkeit / Selbstbestimmung
  • Soziale Teilhabe (Integration, Inklusion)
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune
  • Freizeiteinrichtung
  • Nachbarschaftshaus / Stadtteilzentrum

Qualitätsentwicklung

Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?

Wir evaluieren unsere Netzwerkarbeit und Aktionen/Veranstaltungen regelmäßig und können unsere Arbeit dadurch regelmäßig weiterenwickeln.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?

In der Qualitätsentwicklung unserer Netzwerkarbeit gilt es regelmäßig viele Akteure einzubinden. Allerdings sind die Ressourcen vieler Netzwerkpartner sehr begrenzt, wodurch eine regelmäßige Zusammenarbeit nicht mit allen Netzwerkpartnern gelingt!

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Protokolle der Netzwerktreffen

Das Vorgehen der Qualitätsentwicklung kann ganz unterschiedlich sein. Einiges haben Sie bereits genannt. Welches der folgenden Verfahren wenden Sie zusätzlich an?

Erläuterung

Alle Aktivitäten des Netzwerkes wie auch die Netzwerkarbeit selbst wird regelmäßig reflektiert und ausgewertet.

Welche Methoden werden bei der Selbstevaluation angewendet?

Sammlung von Rückmeldungen, Austausch und Bewertung der Rückmeldungen, Ziehen von Schlussfolgerungen für die Weiterarbeit

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

19.05.2017

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