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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2009

Mentor - Die Leselernhelfer

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Logo_Mentor

Das Ziel des Projektes „Mentor“ ist es, die Sprach- und Lesekompetenzen von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen, durch individuelle Förderung, zu verbessern und ihre Lesemotivation zu erhöhen. Zu diesem Zweck lädt das Projekt vorwiegend Seniorinnen und Senioren, aber beispielsweise auch Studierende dazu ein, sich ehrenamtlich als Leselernhelfer zu engagieren. Sie vermitteln Kindern und Jugendlichen bis Klassenstufe 10, in Einzelbetreuung ohne Leistungsdruck, Lesefähigkeiten und Freude am Lesen. Etwa jeder fünfte Schulanfänger in Erfurt weist Sprachentwicklungsprobleme auf, die förderungs- und behandlungsbedürftig sind (Kindergesundheitsbericht Erfurt, 2004). Das Projekt das seit 2003 besteht, baut diese Probleme ab. Es ist beim Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e. V. in Erfurt angesiedelt. Das vom Schutzbund getragene „Kompetenzzentrum und Beratungszentrum" organisiert das Projekt und kooperiert dabei eng mit Schulen und Lehrkräften. Die Mentorinnen und Mentoren werden in ihrer Projektarbeit regelmäßig durch Fortbildungsveranstaltungen unterstützt. Die Eltern der Schülerinnen und Schüler werden in die Projektarbeit einbezogen. Die Finanzierung setzt sich aus Mitteln des Trägervereins, der Sozialen Stadt und Spenden zusammen. Das Angebot des Projekts beschränkt sich ausschließlich auf die Zielgruppe sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher. So sind die Leselernhelferinnen und -helfer überwiegend in sozialen Brennpunktgebieten tätig.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Andrea Zerull
Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e.V.
Juri-Gagarin-Ring 64
99084 Erfurt (Thüringen)

Telefon: 0361 / 416498

E-Mail: ehrenamt(at)seniorenschutzbund.org

Website: http://www.seniorenschutzbund.org


Projektträger

Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e.V.
Juri-Gagarin-Ring 64
99084 Erfurt


Hintergrund

Lesekompetenz ist eine Grundlage für den Erfolg von Bildung und damit für lebenslanges Lernen. Laut PISA-Studie steigt die Lesekompetenz deutscher Schüler und Schülerinnen. Der Anteil 15-Jähriger, die täglich zum Vergnügen lesen, verzeichnet ebenfalls einen Zuwachs. Betrachtet man die Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen jedoch im Einzelnen, werden große Unterschiede sichtbar. Der Leistungsabstand zwischen den Schülern liegt oftmals in der sozialen Herkunft begründet. Besonders benachteiligt sind Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Die Abhängigkeit der Leseleistung von der sozialen Herkunft hat sich zwar kontinuierlich verringert, ist aber laut PISA-Studie immer noch hoch. Deutschland gehört zu denjenigen Staaten, in denen die Unterschiede zwischen schwachen und starken Schülerinnen und Schülern am größten sind. Mädchen schneiden, wie auch in anderen OECD-Staaten, deutlich besser ab (PISA 2006).

Abhängig sind die Leseleistungen von den Sprachkompetenzen. Sie bilden damit eine Grundlage für eine gute Kommunikation. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist der Anteil der Kinder in Erfurt mit sprachlichen Auffälligkeiten beziehungsweise Sprachentwicklungsrückstand deutlich gestiegen. Etwa jeder fünfter Schulanfänger in Erfurt weist Sprachentwicklungsprobleme auf, die förderungs- oder behandlungsbedürftig sind (Kindergesundheitsbericht Erfurt, 2004). Daneben zeigen ungefähr zehn Prozent der Schulanfängerinnen und -anfänger Verhaltensauffälligkeiten, die oft mit psychomotorischer Unruhe, Wahrnehmungsdefiziten und Konzentrationsproblemen einhergehen, zu denen sich im Zeitverlauf oftmals dissoziales Verhalten mit Aggressivität und emotionalen Störungen einstellen. In der Untersuchung des Landesgesundheitsamtes Brandenburg zeigen etwa 15 Prozent der Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen, während nur 4,4 Prozent der Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus diese Störungen aufweisen. Ähnlich sind die Angaben für psychische Erkrankungen und emotionale/soziale Störungen: 4 Prozent bei sozial Schwachen gegenüber 2,2 Prozent bei hohem Sozialstatus und 3,8 Prozent bei sozial Schwachen gegenüber 0,4 bei hohem Sozialstatus (Landesgesundheitsamt Brandenburg, 2004). Es ist zu vermuten, dass sich die Zusammenhänge für ganz Thüringen ähnlich gestalten. Die Erfurter Kinder zeigen einen Anteil an Verhaltensauffälligkeiten zwischen 6,4 und zwölf Prozent.

Die Störung von einzelnen Grundfunktionen wie der Sprach- und Sprechfähigkeit verursacht mit hoher Wahrscheinlichkeit Lernprobleme und damit die Entwicklung von psychosomatischen Erkrankungen durch chronische Überforderung und Fehlbelastung. Für eine gesunde psychische Entwicklung ist die Ausprägung eines guten Selbstwertgefühls grundlegend. Das Selbstwertgefühl wächst durch Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen. Anerkennung für gutes Lesen und Sprechen stärkt das Selbstvertrauen und ist bedeutend für die Schlüsselkompetenz Sprache. Die Verbesserung von schriftlicher und mündlicher Sprachkompetenz wirkt im Hinblick auf die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen sozialkompensatorisch. Demgegenüber ist das Lesen in der Freizeit ein wirksames Mittel, um Benachteiligungen zu überwinden, die mit der sozialen Herkunft einhergehen. Der Lesemotivation kommt daher eine Schlüsselrolle zu.

Der Verbesserung der Sprach- und Lesekompetenz und der Erhöhung der Lesemotivation widmet sich das Projekt Mentor - Die Leselernhelfer. In dieser Initiative von Freiwilligen engagieren sich hauptsächlich Seniorinnen und Senioren, Vorruheständlerinnen und Vorruheständler. Trägerverein ist der Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e. V., Stadtverband Erfurt. Organisiert wird das Projekt Mentor durch das dem Trägerverein angegliederte Kompetenzzentrum für aktive Senioren und bürgerschaftliches Engagement.

Das Kompetenzzentrum ist ein Kontakt-, Beratungs- und Informationsbüro für Bürgerinnen und Bürger aller Generationen, die ein Ehrenamt ausfüllen und anderen damit helfen wollen. Besonders Menschen ab 50 Jahren sollen hier zu einem sozialen Engagement sowie zum Erhalt und zur weiteren Aktivierung erworbener Erfahrungen, Fähigkeiten, Qualifikationen und Interessen motiviert werden. Das Kompetenzzentrum ist an die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e. V. Bonn (Bas e. V.) angeschlossen und wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e. V. Berlin (bagfa e. V.) wissenschaftlich begleitet.

Ausgangspunkt des Projektes war 2004 die Initiative einer Seniortrainerin im Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e.V., Stadtverband Erfurt. Die Initiative stand unter dem Motto „Alt für Jung – ein Plus für alle“.

Die ehrenamtlich tätigen Leselernhelferinnen und -helfer sind überwiegend in Grundschulen in sozialen Brennpunktgebieten tätig und arbeiten ausschließlich mit sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen zusammen. Etwa 25 bis 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund – sie stammen aus türkischen, pakistanischen, tschechischen, russischen und vietnamesischen Familien. Die Beschränkung auf die Zielgruppe sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche hat zwei Hauptgründe. Zum einen soll so eine Konkurrenzsituation zu Nachhilfelehrern und -lehrerinnen vermieden werden, zum anderen sollen nur Kinder und Jugendliche erreicht werden, deren Familien sich eine Nachhilfe nicht leisten können. Hauptziel ist die Verbesserung der Sprach- und Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler, aber auch die Erhöhung des Selbstbewusstseins. Der Zeitaufwand für den einzelnen Leselernhelfer beträgt dabei ca. zwei bis drei Stunden pro Woche. Die Senioren und Vorruheständler arbeiten mit den Kindern und Jugendlichen eigenverantwortlich. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, dass die Schüler ohne den üblichen Schulleistungsdruck arbeiten. Das Projekt macht eine bessere individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler möglich. Der Zeitraum, in dem die Lesestunden stattfinden, erstreckt sich über mindestens ein halbes Jahr.

Im Projekt sind mittlerweile mehr als 45 Mentorinnen und Mentoren tätig, die ca. 115 Lesekinder und 5 Jugendliche in 14 Erfurter Schulen betreuen. Der Bedarf und die Nachfragen steigen. Händeringend werden weitere Interessierte gesucht. Zu Beginn des Projektes 2003 waren gerade drei Mentoren tätig. Ursprünglich wurde diese Projektidee durch eine Seniortrainerin aus Hannover übernommen. Sie informierte das Kompetenzzentrum für aktive Senioren über das Projektanliegen mit dem Vorschlag zur gemeinsamen Umsetzung. Seit dem Projektstart wurde das Leselernprojekt kontinuierlich weiterentwickelt und die Bildung eines Leitungsteams wurde notwendig. Das Leitungsteam setzt sich aus zwei ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen zusammen – einer ehemaligen Sonderschulpädagogin und einer Seniortrainerin –, die selbst als Leselernhelferinnen tätig sind. Aus einem Gebiet der Sozialen Stadt, einem Wohngebiet mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Ausländeranteil, fanden die Akteure eine aufgeschlossene Projektpartnerin – die Johannesschule. Das Leitungsteam hält regelmäßigen Kontakt zu den Schulen, in denen das Projekt stattfindet. Die Seniorinnen und Senioren entscheiden sich nach einem ausführlichen Gespräch, ob sie am Projekt teilnehmen möchten. Nach dem Einführungsgespräch assistieren sie zunächst bei anderen Leselernhelfern. Später arbeiten sie selbstständig mit der Zielgruppe.

Seit circa einem Jahr sind nicht mehr nur Grundschüler als Lesekinder im Projekt, sondern auch 5 Schüler bis zur Klassenstufe zehn.


Ziele und Zielgruppen

Die Zielgruppe des Projektes Mentor sind Kinder und Jugendliche, die sich im Unterricht mit dem Lesen und Schreiben schwertun. Aktuell nehmen hauptsächlich Kinder das Angebot wahr an. Insgesamt nehmen 14 Schulen aus dem gesamten Stadtgebiet am Projekt teil, 13 von ihnen sind Grundschulen. Alle Schülerinnen und Schüler der Regelschule haben einen, meist russischen, Migrationshintergrund. Erreicht werden sollen allein sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler. Dies vermeidet zum einen Konkurrenzsituationen zum Nachhilfeunterricht und eröffnet zum anderen Zugänge zu denjenigen, für die Nachhilfe aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Indem die Kinder bzw. Jugendlichen die Freude am Lesen erlernen bzw. wiederendecken und dadurch die Motivation zum Lesen erhöht wird verbessert sich relativ schnell die Lesefähigkeit und Sprachfähigkeiten können verbessert werden. Damit werden Sprachentwicklungsprobleme mit der Zeit behoben bzw. werden geringer, was wiederrum zur Verbesserung der psychischen Gesundheit führt. Eine Schülerin konnte nach zweieinhalbjähriger Teilnahme am Projekt den zuvor gefährdeten Schulabschluss erreichen.


Vorgehen

Die Projektleiterin und die Seniortrainerin stellen das Projekt interessierten Schulleiterinnen und -leitern sowie Lehrerinnen und Lehrern vor, aber auch die Senioren/Vorruheständler bewerben das Projekt an Schulen und in ihren sozialen Netzwerken. Weiterhin werden Tagungen für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt.

Wenn aus der Sicht von Schulleitern und Lehrern bei einem Schüler oder einer Schülerin der Bedarf eines Leselernhelfers besteht, wenden sie sich an das Projekt. Zunächst wird jedoch dem Kind, dem Jugendlichen das Angebot vorgestellt. In der Regel zeigen die Kinder und Jugendlichen großes Interesse und sind neugierig darauf, was sie erwartet. In diesem Fall informieren die Lehrer die Eltern über die Möglichkeiten des Projektes und bitten um Einwilligung. Nachdem der organisatorische Rahmen geklärt ist, finden ein- bis zweimal wöchentlich Treffen zwischen einem Leselernkind oder Jugendlichen und einem Leselernhelfer statt. Die Teilnahme ist selbstverständlich freiwillig. Der Leseort ist immer die Schule des Kindes, des Jugendlichen als vertrauter Ort. Der Leselernhelfer ist in dieser wöchentlichen Stunde nur für dieses Kind oder diesen Jugendlichen da und richtet sich nach dessen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Die Treffen sind verbindlich und sollten, außer in den Ferien, mindestens sechs Monate lang stattfinden.

Die Johannisschule in Erfurt ist der Stützpunkt des Projektes. Hier steht allen Teilnehmenden dauerhaft ein Raum für die monatlichen Treffen der Leselernhelfer zur Verfügung. Bei diesen Treffen werden neben organisatorischen Dingen pädagogische Fragen geklärt. Dafür steht eine der beiden Projektleiterinnen, eine ehemals sonderpädagogisch tätige Seniorin, zur Verfügung. Sie hat früher unter anderem an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt gelehrt. Einmal jährlich treffen auch die Vertreter der Schule und Eltern mit den Leselernhelferinnen und -helfern zusammen.

Die Leselernhelferinnen, die von den Kindern „Lesetanten“ oder „Leseomas“ genannt werden, treffen das Lesekind ein- bis zweimal wöchentlich für etwa 45 bis 60 Minuten. Die individuelle Förderung des Kindes oder des Jugendlichen ist je nach Interesse und Fähigkeiten sehr unterschiedlich. Im Vordergrund steht, die Begeisterung für das Lesen zu wecken und damit die Lesemotivation zu steigern. Nach der Kennlernphase, in der zunächst der persönliche Austausch im Blickpunkt steht, beginnt der Einstieg zum Beispiel mit kleinen Geschichten aus vorhandenen Lesebüchern. Das Kind bestimmt, was es lesen und wie es vorgehen möchte. Meist treten schon nach wenigen Wochen Verbesserungen ein, vor allem beim lauten Vorlesen. Die Lehrerinnen und Lehrer der Kinder unterstützen die Leselernhelfer durch Informationen zum Unterrichtsinhalt und -stand, zu Ressourcen und Unterstützungsbedarf des Kindes und so weiter. Im Gegenzug informieren die Mentorinnen und Mentoren die Lehrer über Fortschritte, aber auch Sorgen der Lesekinder und Lesejugendlichen. Im Mittelpunkt steht immer der Spaß bei den gemeinsamen Aktionen. Die Mentorinnen und Mentoren sollten gut zuhören können und die Schüler als Partner auf gleicher Ebene ansehen.

In einem „Leseheft“ werden Inhalte wie zum Beispiel kleine Geschichten, Zungenbrecher, Zeitungsausschnitte, Witze, Bilder und anderes gesammelt und dokumentieren somit die Vorgehensweise als Erinnerungsstütze für Lesekind und Leselernhelfer. Im weiteren Verlauf können Bücher der Schul- und Stadtteilbibliothek, eigene Bücher, Berichte in Zeitungen, Illustrierten etc. als Lesematerial eingesetzt werden.

Zum Beginn bedarf es bei einigen Kindern beziehungsweise Jugendlichen noch der Motivation zum Lesen und der Überwindung von Hemmungen. Oft ist auch die Ausdauer zum Lesen noch gering ausgeprägt. Hier sind motivierende Spiele wie Memory, Skrabble oder Konzentrations- und Bewegungsübungen hilfreich. Die Leselernhelfer erhalten auch hier Anregungen in den Beratungszeiten, durch die monatlichen Treffen der Leselernhelfer untereinander und die monatlichen Fortbildungsveranstaltungen. Die Fortbildungsveranstaltungen sind nach Bedarf themenspezifisch aufgebaut. Mit der Zielgruppe wird zum Beispiel das Darstellen und Handeln nach Anleitung geübt. Als Material werden auch Bilder verwendet, beispielsweise um das Sprechen zu trainieren.

Die Erfahrungen der Mentorinnen und Mentoren zeigen, dass mit der Zeit der soziale Bezug des Kindes zu seinem Leselernhelfer wächst, nachdem bei einigen Kindern und Jugendlichen anfangs Berührungsängste bestehen oder Misstrauen herrscht. Möglicherweise sind sie es nicht gewohnt, dass in dieser Stunde jemand nur für sie da ist.

Motiviert werden die Schülerinnen und Schüler auch durch kleine Belohnungen. Oft bringen die Senioren und Vorruheständler den Kindern Kleinigkeiten zum Essen wie beispielsweise Obst mit. Einige von ihnen kommen leider hungrig in die Stunde, weil sie nichts oder zu wenig Essen mit in die Schule genommen haben. Finanziert wird das Projekt vom Trägerverein, aus Mitteln der Sozialen Stadt und aus Spenden wie zum Beispiel des Lions-Clubs, des Rotarier Clubs und der Ehrenamtsstiftung.

Mittlerweile ist die Projektarbeit auch in der Stadt Suhl aufgenommen worden. Daneben gab es Anfragen aus Weimar und Jena.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Stimmt die von der Projektleiterin ausgewählte Schule einer Projektvorstellung zu und finden sich interessierte Lehrer und Lehrerinnen, steht einer Umsetzung des Projektes nichts im Wege. Die Lehrer und Lehrerinnen, Erzieher und Erzieherinnen kennen den Bedarf dieser Hilfen. Unterstützen sie das Projekt, ist lediglich die Zustimmung der Kinder und deren Familien notwendig. Je nach Stundenplan des einzelnen Schülers kann eine Stunde, etwa nach Schulschluss, eine Freistunde oder der Nachmittag zum Lesen genutzt werden. Dazu wird ein zu diesem Zeitpunkt ungenutzter Raum vom Schüler und seinem Leselernhelfer aufgesucht. Die Klassenlehrer melden die in Frage kommenden Kinder und Jugendlichen an das Projekt und nehmen Kontakt zu den Erziehungsberechtigten sowie den Leselernhelfern auf. Die Lesestunde wird dann gemeinsam festgelegt.

Nicht nur Seniorinnen und Senioren, auch jüngere Menschen, die gerade keiner Arbeit nachgehen oder sich im Erziehungsurlaub befinden, können sich engagieren. Ebenso können Studentinnen und Studenten, die in ihrer künftigen Laufbahn mit Kindern und Schulen arbeiten möchten, als Leselernhelfer praktische Erfahrungen sammeln. Die bestehenden Kontakte zwischen dem Leitungsteam und der Pädagogischen Hochschule in Erfurt unterstützen eine Weiterentwicklung und machen einen Austausch mit Dozenten und Studenten möglich. So wurde das Projekt beispielsweise im Rahmen einer Lehrveranstaltung vorgestellt.

Meistens sind die Lehrer, Lehrerinnen, Erzieher und Erzieherinnen sehr begeistert und unterstützten das Projekt enorm, indem sie den Mentoren Rückmeldung über Schwierigkeiten im Unterricht geben. Die Mentoren können so gezielter auf die Fähigkeiten der einzelnen Kinder und Jugendliche eingehen. Im Gegenzug werden die Pädagoginnen und Pädagogen in ihrer Arbeit in der Schule und mit den Eltern unterstützt und entlastet.

Das „Kompetenzzentrum für aktive Senioren und bürgerschaftliches Engagement“, in dem Haupt- und Ehrenamtliche zusammenarbeiten, organisiert das Projekt Mentor. Das Kompetenzzentrum vermittelt interessierte Neueinsteiger.

Die Leselernhelfer fördern grundlegende Schlüsselkompetenzen. Sie unterstützen die Voraussetzungen für den Schulbesuch, speziell den Deutschunterricht. Sie sind keine Hilfs- und Nachhilfelehrer. Sie wollen Kenntnisse und Fähigkeiten auf spielerische Weise vermitteln beziehungsweise erweitern. Die Freude am Lesen soll geweckt oder erhalten werden.

Multiplikatorenkonzept

Das Projekt Mentor arbeitet nicht nur mit dem Kompetenzzentrum für aktive Senioren und bürgerschaftliches Engagement und dem Trägerverein, dem Schutzbund der Senioren und Vorruheständler Thüringen e. V. Stadtverband Erfurt, zusammen, sondern auch mit externen Partnern. In erster Linie bestehen Kooperationen mit den einzelnen Schulen und dem Schulamt. Weiterhin besteht eine ständige Zusammenarbeit mit der zentralen Kinder- und Jugendbibliothek, der Universität und dem Kultusministerium.

Der Verein bietet den Leselernhelferinnen und -helfern neben Beratungen zu Fragen und Problemen Starthilfen an. So wurden zum Beispiel Schulungen zu Spielen, dem Internet und Anvolint-Programmen durchgeführt. Ein Praxisworkshop „Kreativer Umgang mit Büchern…“ fand in Kooperation mit der Bibliothek statt.

Jährliche Treffen zwischen den Leselernhelfern und Lehrern sowie den Eltern dienen dem Erfahrungsaustausch und dem Feedback. Die hier entstandenen Kontakte fördern die Nachhaltigkeit des Projektes.

Neben der organisatorischen Unterstützung durch das Kompetenzzentrum beziehungsweise den Verein und der Bereitstellung von Lesematerialien, Spielen, Anregungen, kopierten Materialien für die Lesestunden werden Fortbildungsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der zentralen Kinder- und Jugendbibliothek, der Universität und dem Kultusministerium angeboten.

Die monatlichen Treffs der Leselernhelfer geben Gelegenheit, Fragen zu bearbeiten, Probleme zu klären und methodisch-didaktische Anleitungen zu geben.

Durch die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendbibliothek erhalten die Leselernkinder und -jugendlichen sowie die Lesementoren kostenfrei eine Besucherkarte für die Bibliothek.

Beworben wird das Projekt regelmäßig mit Anzeigen und Artikel in der Zeitung, aber vor allem auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Die Mentorinnen und Mentoren betreuen einen bis sieben Schülerinnen und Schüler ein- bis dreimal wöchentlich. Um der Nachfrage weiterer Schulen gerecht zu werden, informieren die Mitarbeiter des Kompetenzzentrums die Interessenten am Ehrenamt über die spezifische Möglichkeit des bürgerschaftlichen Engagements. Die Vorbereitung und Begleitung der Leselernhelfer erfolgt durch individuelle Beratungen und zusätzliche Schulungsangebote und dient der Qualitätssicherung. Die Projektidee stammt ursprünglich aus Hannover. Um die Erfahrungen des Projektes in Hannover nutzen zu können, wurde ein Erfahrungsaustausch mit den dortigen Mitarbeitern organisiert mit dem Ziel, für Erfurt beziehungsweise Thüringen eine den veränderten Gegebenheiten angepasste Strukturreform zu entwickeln.

Die finanziellen Belange wie das Bearbeiten von Förderanträgen und Sammeln von Spenden managt ebenfalls der Verein.

Spezielle pädagogische Anforderungen an die Leselernhelfer werden nicht gestellt, jedoch werden in einem intensiven Gespräch viele wichtige Aspekte besprochen. Die Leselernhelfer sollten
- selbst gern lesen, auch Kinder- und Jugendbücher,
- gern mit Kindern und Jugendlichen umgehen,
- Spaß an sprachlicher Betätigung haben, gern erzählen und zuhören, jungen Menschen helfen wollen, erfolgreich zu sein und weiterzukommen, sich auch über kleine Erfolge freuen können und bereit sein, sich weiter fortzubilden.

Die Schülerinnen und Schüler haben teilweise starke Sprachprobleme. Das Sprechen nimmt einen großen Raum der Lesestunden ein. Zwischen dem Lesekind und dem Leselernhelfer werden verbindliche Vereinbarungen getroffen. Der Lesezeitraum beträgt mindestens ein halbes Jahr und findet, außer in den Ferien, jede Woche statt. Im Falle einer Verhinderung muss das Kind das Treffen rechtzeitig absagen.

Interessierte Mentorinnen und Mentoren werden intensiv nach Interessenlage und Ressourcen befragt, um einen konstanten Kontakt gewährleisten zu können. Die Kinder und Jugendlichen bauen Vertrauen zu ihren Leselernhelfern auf und gewöhnen sich an die individuelle Unterstützung. Bei Ausfällen wird Ersatz organisiert. Manche Leselernhelferinnen oder -helfer setzen bei Bedarf auch aus und melden sich später wieder oder müssen die Projekttätigkeit, zum Beispiel aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation, beenden.

Nachhaltigkeit

Ein guter gesundheitlicher Zustand des Einzelnen bis ins hohe Alter bei längerer Lebenszeit ist eine Ressource, von der die Gesellschaft profitieren kann. Insofern können die beteiligten Seniorinnen und Senioren unter anderem Zeit und Engagement einbringen, während sie dieser Beschäftigung nachgehen, sich gebraucht fühlen, fit halten, gesellschaftlichen Kontakt und ihre sozialen Netzwerke pflegen. Die in das Projekt involvierten Seniorinnen und Senioren arbeiten ehrenamtlich. Sie kommen für entstehende Fahrkosten eigenständig auf. Von Beginn an ist die Zahl an Leselernhelfern kontinuierlich gestiegen. Zum einen hat sich die Möglichkeit dieses Engagements „herumgesprochen“, zum anderen wurden viele durch die Aktivitäten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Kompetenzzentrums für aktive Senioren und bürgerschaftliches Engagement zum Mitmachen motiviert. Der Fortbestand des Projektes ist insofern gesichert, da regelmäßig sowohl neu interessierte Seniorinnen und Senioren als auch neue Kinder das Projekt anfragen. Da das Lesen ausschließlich im schulischen Umfeld stattfindet, entstehen keinerlei Mietkosten. Kopien, Bastelmaterial und anderes werden aus Spenden finanziert. Der Aufwand gestaltet sich für die Leselernhelfer als auch die Lesekinder relativ gering. Nach der Kennenlernphase findet sich in der Regel schnell eine positive Routine in den Ablauf der Lesestunden ein.

Die das Projekt nutzenden Mädchen und Jungen können in ihrem gewohnten Umfeld ihre Ressourcen einsetzen und ausbauen. Die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken, die Phantasie zu beflügeln und sich konzentrieren zu können, sind Eigenschaften, die das gesamte Leben bestimmen. Gesundheitsressourcen können damit auf beiden Seiten gewährt und gestärkt werden. So lassen sich auch Benachteiligungen aufgrund der sozialen Herkunft ausgleichen und zentrale Voraussetzungen für schulischen und damit auch beruflichen Erfolg und lebenslanges Lernen schaffen.

Die Kinder und Jugendlichen werden selbstsicherer und profitieren auch in den anderen Schulfächern und im Alltag von den sprachlichen Verbesserungen. Eine höhere Selbstsicherheit im Sprechen und Lesen kann Lernprobleme und Verhaltensauffälligkeiten abschwächen und damit potenziellen psychosomatischen Erkrankungen durch chronische Überforderung und Fehlbelastung entgegenwirken.

Hat das Kind ein Interesse am Lesen gefunden oder wieder entdeckt, ist davon auszugehen, dass es auch im Erwachsenenalter lesen wird.

Das Projekt ist längst etabliert und findet großes Interesse sowohl bei den Schülerinnen und Schülern, Seniorinnen und Senioren, Ruheständlerinnen und Ruheständlern als auch bei anderen Einrichtungen. Der Trägerverein betreibt Öffentlichkeitsarbeit und hält Kontakt zu relevanten Stellen der Stadtverwaltung und anderen für diese Arbeit wichtigen Institutionen.

Regelmäßig finden Lernwerkstätten in der Johannesschule und der Kinder- und Jugendbibliothek statt, in denen zum Beispiel ein Minimärchen entwickelt wird, das die Kinder später aufführen können.

In der Projektdurchführung ist es sehr wichtig, kontinuierlich und ausdauernd mit den Kindern zu üben. Darüber hinaus ist auch ein regelmäßiger Kontakt zu den Eltern, der Schule und dem Verein bedeutend. Auch die Angebote für Weiterbildungen anzunehmen, ist für die durchführenden Seniorinnen und Senioren unabdingbar. Fortbildungen bieten einerseits die Möglichkeit der Reflexion und andererseits eine kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Arbeit im Hinblick auf die Qualität der Lesestunden.

Im Projekt wurden und werden regelmäßig neue Wege diskutiert und gegangen, um die bestmöglichen Lösungen und Entwicklungen zu erreichen.

Eine bereits vorliegende Dokumentation zum Projekt soll Grundlage der Öffentlichkeitsarbeit bilden, Interessierten die Möglichkeit bieten, sich mit dem Projekt vertraut zu machen, und zur eigenen Entwicklung der Qualität beitragen. Um die Nachhaltigkeit des Projektes zu verbessern erscheint eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst sinnvoll, bei der zum Beispiel die Veränderung der Sprachkompetenz bei den Teilnehmenden geprüft werden könnte.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Wichtig für den Erfolg des Projektes ist die Verbindlichkeit der Verabredung zum Lesen. Nur durch kontinuierliches Arbeiten stellen sich bald Verbesserungen in der Leseleistung bei allen Kindern und Jugendlichen ein. Das leichtere Lesen ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, sich im Unterricht besser auf die Inhalte zu konzentrieren. Oftmals ist erst eine für das Zusammenarbeiten günstige Ausgangssituation zu schaffen, das heißt, dass die Kinder beispielsweise nicht hungrig oder gestresst mit dem Lesen, Erzählen oder Basteln beginnen. Die Auswahl der Mentorinnen und Mentoren ist ein weiterer wichtiger Punkt. Da keine pädagogische Ausbildung verlangt wird, müssen Interessenlage, Absichten und Einstellungen eingehend überprüft werden, um den Kindern und Jugendlichen bestmögliche Partnerinnen und Partner zur Verfügung zu stellen. Es hat sich gezeigt, dass die Einbeziehung der Eltern in den Prozess sehr unterstützend wirken kann. Um dies zu ermöglichen, werden Veranstaltungen wie Theatervorführungen und Feste organisiert.


Literatur

Bos, W., Hornberg, S., Arnold, K.-H., Faust, G., Fried, L., Lankes, E.-M., Schwippert, K. & Valtin, R. (Hrsg.). (2007). IGLU 2006. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2007). Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgewählter PISA-Staaten. Bildungsforschung Band 2. 3. unveränderte Auflage. Bonn, Berlin.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2007). Förderung von Lesekompetenz – Expertise. Bildungsforschung Band 17. Berlin.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2006). Schulerfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im internationalen Vergleich. Bildungsforschung Band 19. Berlin. Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2004). Einschüler in Brandenburg: Soziale Lage und Gesundheit 1999. 3. Auflage. Potsdam.

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2001). Soziale Lage und Gesundheit von jungen Menschen im Land Brandenburg 2001. Potsdam.

OECD (2007). PISA 2006: Naturwissenschaftliche Kompetenzen für die Welt von morgen. Kurzzusammenfassung.

Robert Koch Institut (2006/2007). Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS). URL: www.kiggs.de/experten/erste_ergebnisse/index.html (31.03.2009).



Stadtverwaltung Erfurt – Gesundheitsamt (Hrsg.) (2004). Kindergesundheitsbericht Erfurt 2004. Vergleichende Betrachtungen zum Gesundheitsstatus der Erfurter Kinder zur Einschulung.

Laufzeit des Angebotes

Beginn: Januar 2003

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend
  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Schulen der Stadt Erfurt Stadtverwaltung Erfurt Universität Erfurt


Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

Kompetenz- und Beratungszentrum Erfurt zur Förderung der Ehrenamtsarbeit Thüringer Ehrenamtsstiftung


Schwerpunkte des Angebotes

  • Psychische Gesundheit
  • Bildung
  • Bürgerschaftliches Engagement
  • Steigerung der Selbstständigkeit / Selbstbestimmung
  • Stadtteil-/ Gemeinwesenarbeit, Nachbarschaftsnetzwerke

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Schule

Qualitätsentwicklung

Was machen Sie, um die Qualität Ihres Angebotes weiterzuentwickeln?

Regelmäßige Schulungen der Mentoren; Öffentlichkeitsarbeit; Erfahrungsaustausche mit anderen Ländern, die das MENTOR-Projekt etabliert haben

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Qualitätsentwicklung Ihres Angebotes gemacht?
Welche Stolpersteine haben Sie festgestellt?

Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit und Bildung der Mentoren; Erfüllung von Qualitätskriterien

Wie dokumentieren Sie Ihre Arbeit? (z.B. Konzepte, Handreichung)

Flyer, Presseartikel, Schulungen

Quelle der Veröffentlichung/URL: Flyer, Presseartikel, Handreichungen

Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.

Titel des Berichts bzw. Kurzbeschreibung: Sachbericht Mentor

Quelle der Veröffentlichung/URL: Kompetenzzentrum / Ehrenamt

Das Vorgehen der Qualitätsentwicklung kann ganz unterschiedlich sein. Einiges haben Sie bereits genannt. Welches der folgenden Verfahren wenden Sie zusätzlich an?

Erläuterung

Einschätzung der Leistungen der Schüler

Welche Methoden werden bei der Selbstevaluation angewendet?

Analyse der Ergebnisse, Wahrnehmung der Ehrenamtsarbeit in der Öffentlichkeit

Qualitätszirkel

Methoden der Arbeit mit den Kindern als gute Beispiele vermitteln

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

09.06.2021

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