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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2007

Kinderbrücke

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Die „Kinder-Brücke“ als Projekt der Brücke Dithmarschen e.V. wendet sich mit ihrem Angebot an Kinder im Alter von fünf bis 13 Jahren, deren psychisch erkrankte Eltern in der Brücke in Heide ambulant betreut werden.

Die primärpräventive Intervention „Kinder-Brücke“ will einen Beitrag zur Reduzierung der psychosozialen Belastungen der Kinder psychisch kranker Eltern leisten und die Isolation der Kinder durchbrechen. Neben der Beratung und Unterstützung im Umgang mit ihrer schwierigen Situation, erhalten sie in der „Kinder-Brücke“ die Möglichkeit, positiv stärkende Erfahrungen in einer Gruppe zu machen. Sie können unterschiedliche Angebote nutzen und somit ihre Horizonte erweitern. Gemeinsames Erleben, Kochen, Essen, Spielen, sowie sportliche, kreative und kulturelle Aktionen und Projekte stellen die „Brücke“ dar, die geschlagen wird, um die Isolation zu durchbrechen, in der die betroffenen Familien häufig leben. Die Kinder lernen hier ein verlässliches Umfeld kennen und wenden sich in akuten Notsituationen oftmals an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der „Kinder-Brücke“.


Kontakt

Frau Karola Wischmann
Neue Anlage 23 - 25
25746 Heide (Schleswig-Holstein)

Telefon: 0481 / 684940

E-Mail: info(at)bruecke-dithmarschen.de

Website: http://www.bruecke-dithmarschen.de


Projektträger

Die Brücke Dithmarschen e.V.
Neue Anlage 23 - 25
25746 Heide


Hintergrund

In Deutschland leben ca. 500 000 Kinder mit einem als psychisch krank diagnostizierten Elternteil (ca. jedes 30. Kind). Die Anzahl der Kinder, die in vergleichbaren Situationen – jedoch ohne diagnostizierte Erkrankung ihrer Eltern – leben, dürfte um ein Vielfaches höher sein. Die betroffenen Kinder haben gegenüber der Vergleichsgruppe ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, selbst einmal von psychischen Störungen oder Erkrankungen betroffen zu sein.

Das Auftreten einer psychischen Erkrankung führt oftmals dazu, dass Partner, Freunde und Verwandte sich vom Erkrankten abwenden. Der Umgang mit dem oder der Erkrankten wird von seinem bzw. ihrem Umfeld als schwierig und belastend erlebt und der bzw. die Erkrankte gerät so in die Isolation. Die Kinder psychisch Erkrankter jedoch bleiben bei ihren Eltern und stellen oftmals die einzige Bezugsperson des erkrankten Elternteils dar. So werden die Kinder in jungen Jahren zum engen Vertrauten ihres erkrankten Elternteils, zur tragenden Stütze im „System Familie“ und teilweise zu einem festen Bestandteil im „Wahnsystem“ ihrer Eltern. Sie werden mit Problemen, Sorgen und Nöten der Eltern belastet, was zu Überforderung führt. Viele Kinder suchen nach Erklärungen und Lösungen für das „Unerklärliche“, das sie erleben und geben sich dann selbst die Schuld an der Krankheit der Eltern. Solche Kinder leisten viel und werden in mancher Hinsicht erwachsen, bevor sie Kind sein konnten. Insbesondere die Töchter erkrankter Frauen übernehmen in diesen Familien oftmals früh Aufgaben ihrer Mutter (in Bezug auf Haushalt, kleine Geschwister etc.). Die Kinder werden in einem ungewöhnlichen Umgang mit der Realität, in einem meist nicht kindgerechten Umgang mit Zeit, Ernährung und Ordnung erzogen. Anstelle von verlässlichen, starken Erwachsenen, die ihnen die Orientierung, den Halt und die Sicherheit innerhalb einem freundlich, zugewandten Erziehungsklima geben, die sie für ihre Entwicklung benötigen, erleben sie instabile, bisweilen sogar unberechenbare kranke Erwachsene. Die Kinder leben in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Wut, Mitleid, Angst, Liebe, Verunsicherung, Selbstständigkeit, Abhängigkeit, Verantwortung, Orientierungslosigkeit, Zweifel, Selbstzweifel, Schuldgefühlen oder Ausgeliefertsein.

Als besondere Belastung liegt vielfach die Angst der Eltern und Kinder über der Familie, dass die Familie insgesamt zerbricht, weil die Kinder durch Eingreifen der öffentlichen Jugendhilfe aus der Familie genommen werden könnten, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls festgestellt würde.
Trotz der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, in der diese Kinder aufwachsen, „funktioniert“ ein Großteil der Betroffenen nach außen hin im Kindesalter recht gut. Die bei 80 % der Kinder psychisch kranker Eltern auftretenden Auffälligkeiten (zum Beispiel: Nägelkauen, aggressives Verhalten, Einnässen, Schlafstörungen, Schulschwierigkeiten, Unruhe und Konzentrationsprobleme) lassen sich relativ gut verstecken bzw. treten bei vielen Kindern nur zeitweilig auf. Insbesondere Mädchen erkrankter Mütter fallen häufig erst in der Pubertät oder als junge Erwachsene auf – genau in der Zeit, wenn sie schrittweise erwachsen und selbstständig werden sollten. In diesem Alter manifestieren sich jedoch oft die psychischen Folgeerscheinungen der vielfach über Jahre ausgehaltenen emotionalen Belastungen. Bei Jungen wird die besondere Belastung oftmals wesentlich früher erkannt, da sie tendenziell zu „störend-auffälligem Verhalten“ neigen, durch das sie in Kindergarten und Schule auffallen.

Die verzerrte Selbsteinschätzung der Familiensituation in Kombination mit der Angst, das Sorgerecht für die Kinder zu verlieren, führt dazu, dass diese Kinder und Familien ihre Probleme bagatellisieren und so nicht durch Maßnahmen der Jugendhilfe erreicht werden. Die „Kinder-Brücke“ will hier ansetzen, um psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen durch präventive Intervention zu verhindern und ihr Belastungspotenzial zu senken.


Vorgehen

Die durch die „Brücke“ betreuten Eltern stehen bedingt durch ihre unterschiedlichen psychischen Erkrankungen nicht, nicht mehr bzw. noch nicht wieder in geregelten Arbeitsverhältnissen. Sie erhalten über die „Brücke“ Eingliederungshilfe und befinden sich fast ausnahmslos in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Insbesondere traumatisierte Frauen und Mütter (überwiegend alleinerziehend) suchen und erhalten Unterstützung durch die „Brücke“.

In der Arbeit mit psychisch erkrankten Erwachsenen, wie auch im Projekt für deren Kinder, stellt Vertrauen die Basis dar, auf der ein Zugang zu den Betroffenen möglich wird. Im Projekt „Kinder-Brücke“ ist durch die Betreuung der Eltern bereits eine gewisse Vertrauensbasis gegeben. Der Zugang zu den Kindern kann insofern als niedrigschwellig bezeichnet werden, denn die Familie lebt bereits in einer gewissen Beziehung zur „Brücke“. Das Angebot findet einmal wöchentlich an einem bestimmten Wochentag zu einer festgelegten Zeit (zwei bis drei Stunden) statt. Zehn bis zwölf Kinder im Alter von fünf bis 13 Jahren werden derzeit in unterschiedlichen Kleingruppen durch zwei Heilpädagoginnen und eine Objektdesignerin mit sozialtherapeutischer Zusatzausbildung betreut. Bewährt hat sich eine geschlechtsspezifische Gruppeneinteilung, da der Umgang und das Erleben der Belastungen sich ebenfalls geschlechtsspezifisch unterscheidet (siehe oben). Die „Kinder-Brücke“ versucht, die Isolation der Kinder zu durchbrechen, indem sie ihnen die Möglichkeit bietet, unterschiedliche Angebote zu nutzen und sich als akzeptierte Mitglieder einer Gruppe zu erleben. Angebote für die Kinder können konkrete Hilfen in besonderen Situationen (Rat, Unterstützung und Betreuung durch die Mitarbeiterinnen des Projekts), aber auch gemeinsames Erleben und Unternehmungen in der Gruppe sein. In ihrer Gruppe erleben die Kinder gewisse Kommunikationsstrukturen, Entscheidungsprozesse, Rituale, Regeln, Verlässlichkeit und Klarheit, die ihnen Sicherheit geben und ihr Selbstbewusstsein stärken. Durch verbale und nonverbale Äußerungen und Verhaltensweisen in der Gruppe zeigen die Kinder, was sie brauchen und was ihnen fehlt. So tragen sie zur Weiterentwicklung der konkreten Projektinhalte bei. Neben Gesprächen in der Gruppe oder mit einzelnen Betreuerinnen wird großer Wert auf gemeinsame Aktivität (teils in den einzelnen Kleingruppen, teils mit allen „Kinder-Brücken“-Kindern) gelegt. Im gemeinsamen Einkaufen, Kochen, Backen, Essen, Spielen, Toben, Ausflügen, Werken und Basteln etc. erschließen sich den Kindern neue Erfahrungshorizonte. Insbesondere im gemeinsamen Gestalten mit unterschiedlichen Werkstoffen und Präsentieren der schöpferischen Ergebnisse erleben die Kinder Wertschätzung und Öffentlichkeit (Ausstellung im geschützten Rahmen der „Brücke“). Ausflüge zu einem nahe gelegenen Bauernhof und der Umgang mit den dort lebenden Tieren haben sich sehr bewährt und tragen ebenfalls zu positiven Selbsterfahrungen und Selbstbewusstsein bei. Bei der Planung und Gestaltung der Gruppentreffen werden Kommunikationstechniken, Regeln für das Zusammenleben sowie Rituale kennen gelernt und eingeübt.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Das Projekt „Kinder-Brücke“ stellt für die betroffenen Familien ein niedrigschwelliges Angebot dar. Im Rahmen der Eingliederungshilfe durch die „Brücke“ erfahren die Eltern, vielfach alleinerziehende Mütter, vom Angebot der „Kinder-Brücke“. Da sie meist schon über einen längeren Zeitraum Klientel der „Brücke“ sind und ein gewisses Vertrauensverhältnis zu dieser Einrichtung und ihren Mitarbeitern aufbauen konnten, gehört die Brücke für die Kinder vielfach schon zu den als positiv erlebten Institutionen des familiären Umfeldes. Der Schritt in (über) die „Kinder-Brücke“ ist vielfach für die Kinder nur ein kleiner. Die „Kinder-Brücke“ als verlässliches Gruppenangebot ist kostenlos und es gibt nur sehr geringe Anmeldeformalitäten (Kontaktdaten der Familie, Allergien, Unverträglichkeiten, Krankheiten etc.). Als Zugangsvoraussetzung für die „Kinder-Brücke“-Gruppen reicht es aus, dass die Eltern sich als psychisch in einer Krise definieren (Erleben hoher Belastung). Da das Angebot schon recht junge Kinder anspricht/erreicht, sind einige Absprachen mit den Eltern unerlässlich (Wie wird der Weg zur Brücke und nach Hause bewältigt? Wer darf das Kind ggf. abholen? etc.).

Obwohl die „Kinder-Brücke“ von vielen Kindern mit Verzögerungen in der Sprachentwicklung oder bei Migrationshintergrund genutzt wird, gab es bisher kaum Verständigungsschwierigkeiten, da das Projekt durch seine Aktivitäten deutliche nonverbale Anteile aufweist. Die für Elterngespräche bisweilen eingesetzten Dolmetscher und Dolmetscherinnen stehen bei Bedarf auch für den Bereich der Kindergruppen zur Verfügung.

Nachhaltigkeit

Im Rahmen der Arbeit der Brücke Dithmarschen e.V. wurde deutlich, dass viele Klientinnen und Klienten der Brücke Eltern sind und dass die Kinder dieser Eltern unter ganz besonders hohen Belastungen aufwachsen. Gleichermaßen fiel auf, dass diese Kinder größtenteils durch die bestehenden Jugendhilfeeinrichtungen nicht oder nur schwer erreicht werden. Die Familien versuchen vielfach, die auftretenden Probleme und Schwierigkeiten zu verheimlichen – aus Angst, dass die Kinder aus den Familien genommen werden, wenn zum Beispiel das Jugendamt auf sie und ihre speziellen Lebensumstände aufmerksam wird.

Umfangreiche Recherchen ergaben, dass es für diese Gruppe zwar ein hohes Gefährdungspotenzial (physisch und psychisch) ist, aber es kaum Hilfsangebote gibt (insbesondere im Bereich der Westküste Schleswig-Holsteins). So gab es bei der Konzeption des Angebots für Kinder psychisch kranker Eltern kaum Bewährtes, auf das zurückgegriffen werden konnte, und es wurde in Heide ein Angebot für diese Kinder konzipiert. Die auf fünf Jahre ausgelegte Förderung durch „Aktion Mensch“ endet im Jahr 2007. Das Fortbestehen des inzwischen bewährten Projekts soll jedoch im Rahmen der Arbeit der Brücke Dithmarschen e.V. weiterhin gewährleistet werden.

Innerhalb der Projektarbeit werden aus den konkreten Erfahrungen in und mit der Gruppe ständig Konsequenzen für die weitere Arbeit und Gestaltung des Projekts gezogen. Das innovative Projekt unterliegt somit einem fortlaufenden Erneuerungsprozess, der stets an den Bedürfnissen der betroffenen Kinder ausgerichtet wird. Die Kinder erhalten durch das Projekt die Möglichkeit, ihre Horizonte in verschiedenen Bereichen zu erweitern. So werden neben den Sachkompetenzen auch die Sozialkompetenzen gefördert, auf die sie auch außerhalb der Brücke in ihren unterschiedlichen Lebenswelten zurückgreifen können. Sie werden befähigt, in ihren Möglichkeiten aktiv zu sein, selbstbewusst Einfluss zu nehmen auf Situationen und Umstände, aber auch Hilfen anzunehmen, wo sie Unterstützung benötigen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Kinder (auch wenn nicht die eigentliche „Kinder-Brücken“- Zeit ist) sich in Notsituationen – wenn es zum Beispiel den Eltern besonders schlecht geht – an die Brücke wenden, im Vertrauen, dort Unterstützung zu erhalten. Derzeit beginnen gerade einige Mädchen, die sich der „Kinder- Brücke“ entwachsen fühlen, einen Mädchentreff zu gründen.

Partizipation

Das Projekt „Kinder-Brücke“ wurde aus der Arbeit mit den betroffenen Familien heraus und im Dialog mit den Familien entwickelt. Die Eltern konnten bei der Konzeption des Projekts durch die Ermittlung der Bedarfe der Kinder und ihrer Familien einbezogen werden. In die konkrete Gruppenarbeit werden Eltern kaum aktiv einbezogen. So erleben sie eine gewisse Entlastung (die Kinder sind für den Nachmittag versorgt – sie brauchen sich um nichts zu kümmern ...), und die Kinder erleben einen Freiraum, in dem die „Krankheit“ nicht das vorherrschende Thema ist. Die Kinder werden in die Programmplanung und Ausgestaltung der Gruppennachmittage stets mit einbezogen. Ihre ausgesprochenen Wünsche und Vorlieben werden ebenso berücksichtigt wie die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der „Kinder-Brücke“ wahrgenommen Bedürfnisse. So wird die Fähigkeit der Kinder geschult, mit Entscheidungsfindungsprozessen umzugehen. Sie erhalten die Anreize, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, zu äußern und zu vertreten. Sie nehmen eigene Kompetenzen wahr und erfahren so eine Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Die Gruppenfähigkeit, das Ergreifen von Eigeninitiative und ein gewisses Verantwortungsgefühl werden in gemeinsamen sozialen Lernprozessen gefördert. All diese Fähigkeiten werden im geschützten Raum der „Kinder-Brücke“ eingeübt und können dann auf andere Lebenszusammenhänge (zum Beispiel die Familie, Schule, Freundeskreis, Gruppen im Freizeitbereich, Umgang mit Ämtern und Behörden) übertragen werden.

Dass es sich hierbei nicht um ideelle und theoretische Ziele handelt, sondern, dass dieses Bemühen auch Früchte trägt, zeigt sich beispielsweise darin, dass eine Gruppe von Mädchen, die sich der „Kinder-Brücke“ entwachsen fühlt, derzeit die Gründung eines Mädchentreffs in Angriff genommen hat. Unterstützend stehen die ihnen bekannten Mitarbeiterinnen der „Kinder-Brücke“ weiterhin zur Seite, jedoch nur, wenn sie diese Unterstützung anfordern.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: August 2002

Abschluss: Mai


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Sonstiges

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Stand

08.05.2015

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