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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2021

Jungen* im Blick

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

LGOG JUB
© Eigenes Logo

Das Angebot richtet sich an alle Geschlechtsidentitäten, die sich von dem Angebot von Jungen* im Blick angesprochen fühlen. Daher wird in der Schreibweise das * verwendet, um Menschen zu repräsentieren, die sich in einem zweigeschlechtlichen System nicht wiederfinden.

Jungen* im Blick (JUB) ist die Präventions- und Beratungsstelle für Jungen* und junge Männer* in Stuttgart. Sie ist eine Einrichtung des GesundheitsLaden e.V. Der GesundheitsLaden e.V. ist ein gemeinnütziger Verein zur geschlechtsbezogenen Gesundheitsförderung und Prävention in Stuttgart. Neben Jungen* im Blick befindet sich in gleicher Trägerschaft auch der Mädchengesundheitsladen und die Anlaufstelle bei Essstörungen (ABAS).

Jungen* im Blick verfolgt das Ziel zu einer geschlechtergerechten, gesunden Gesellschaft (Konzeption Jungen* im Blick, 2018) beizutragen. Dafür werden Jungen* in ihren Lebenswelten und -situationen aufgesucht und erreicht, z.B. in Schulen, Schülerhäusern (Vorstufe zur Ganztagsschule), Unterkünften und Wohngruppen. Der Kontakt wird unter anderem über Kooperationen und Vernetzung mit Einrichtungen, Schulen, Ärztinnen und Ärzten hergestellt. Jungen* im Blick ist in Stuttgart bekannt und etabliert. Vermittlungen an Jungen* im Blick erfolgen durch die Akteure in der Lebenswelt (z.B. Lehrerinnen und Lehrer), aufsuchende Arbeit in Einrichtungen und Beratungsangebote durch die Einrichtung. Etwa 20% der einbezogenen Jungen kommt aus Förderschulen.

Jungen* im Blick bietet Workshops und Beratung in eigenen Räumen und auch in anderen Einrichtungen an. Die Jungen* sollen die Möglichkeiten haben, sich mit den verschiedensten Möglichkeiten von Männlichkeit so auseinanderzusetzen, dass sie selbstsicher und reflektiert als Junge und Mann auftreten und über ein größeres Verhaltensspektrum als zuvor verfügen. Aktuelle Themen von Jungen* im Blick sind die Auseinandersetzung mit Männlichkeit, Umgang mit Gefühlen, Suchtprävention (Substanzen und Medien), sexuelle Bildung und Stressprävention. Die Workshops werden ausgehend von einer ersten Bedarfsabfrage - partizipativ umgesetzt. Die Angebote unterliegen außerdem regelmäßigen konzeptionellen Überprüfungen und Anpassungen.
Im Jahr 2018 wurden durch Jungen* im Blick insgesamt 316 Workshops mit 2.326 Teilnehmenden durchgeführt und 361 Einzelberatungen mit mehr als 466 Personen durchgeführt. Etwa 80% finden in den Räumen von JUB statt, 20% in den Einrichtungen. Dies sind überwiegend Schulen, aber auch Wohngruppen und Horte.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Herr Robin Gröger
GesundheitsLaden e.V.
Lindenspürstraße 32
70176 Stuttgart (Baden-Württemberg)

Telefon: 0711 / 30568530

E-Mail: robin.groeger(at)jub-stuttgart.de

Website: http://www.jungen-im-blick.de


Projektträger

GesundheitsLaden e.V.
Lindenspürstr. 32
70176 Stuttgart


Hintergrund

Mit der ersten Etablierung geschlechtsspezifischer Angebote und Einrichtungen für Mädchen in den 1990er Jahren und mit der Weiterentwicklung der Genderperspektive in den 2000er Jahren hat sich im sozialpädagogischen Dis-kurs (auch) eine zunehmende Beschäftigung mit der Jungenarbeit entwickelt. Nicht zuletzt von den Jungen kam der Wunsch, dass es neben den expliziten Angeboten für Mädchen auch spezielle, zielgerichtete Angebote für Jungen* geben solle. Erfahrungen aus der Gewalt- und Suchtprävention zeigen, dass geschlechtsbezogene Angebote Jungen dabei unterstützen, ihre Rolle und Entwicklung in Bezug auf Mann-sein, Männerrolle und den reflektierten Um-gang mit Geschlechterstereotypen zu stärken.

"Diese Aspekte spielen in verschiedensten Lebensbereichen implizit und explizit eine Rolle: in Kindergärten, Schulen und Universitäten, in Ausbildungsstätten, im öffentlichen Raum, im Internet usw. Zuschreibungen und Stereotype wirken sich auf Jungen* in ihrer Entwicklung auf verschiedene Art und Weise aus. Viele Jungen* sind sich der wirkungsvollen Geschlechtsrollen-Stereotype (z.B. vom "starken" Jungen, der keine Schwäche zeigen darf) nicht bewusst, die ihnen im Laufe ihrer Entwicklung vermittelt werden. Andere erleben den dadurch entstehenden Druck sehr deutlich, ziehen sich sozial zurück und leiden zum Teil darunter. Jungen* setzen sich im Laufe ihrer Entwicklung bewusst oder unbewusst mit ihrer Geschlechtlichkeit auseinander." (Konzeption Jungen* im Blick, 2018)

Aus dieser gesellschaftlichen Entwicklung und identifizierten Bedarfslage heraus stellte der Träger GesundheitsLaden e.V. 2007 den Antrag auf eine Beratungsstelle für Jungen* bei der Stadt Stuttgart. 2008 nahm das Angebot Jungen* im Blick seine Arbeit auf. Thematisch war das Angebot zunächst an bekannte Aspekte des Mädchengesundheitsladens geknüpft: Pubertät, sexuelle Bildung, Aufklärung. Das Angebot besteht im Wesentlichen aus Beratungsangeboten und Workshops. In Kooperation mit Schulen werden vor Ort Beratung und Veranstaltungen zu Gesundheitsförderung und Prävention angeboten. Konkrete thematische Angebote ergänzen die Arbeit (s. Vorgehen). Im Verlauf der Arbeit wurde und wird das Angebot ausdifferenziert, regelmäßig überprüft und angepasst. Hinzu kamen so etwa Themen wie Konfliktmanagement, Risikokompetenz, Migrationshintergrund und damit verbundene (öffentliche und kulturbezogene) Zuschreibungen an Männlichkeiten, Behinderung als Herausforderung an Männlichkeitsbilder, die Frage nach Karriere und Familie und der eigenen Rolle in der Familie, Körperlichkeit und damit verbundene männliche Ideale sowie die Darstellung dieser Faktoren in Medien.

Die finanzielle Förderung erfolgt zu 80% über die Stadt Stuttgart. Die verbleibenden 20% werden durch Drittmittel (Spenden) bzw. Eigenmittel finanziert. Zudem werden projektbezogen Fördermittel beantragt. Die auskömmliche Finanzierung der Einrichtung ist Ziel der Jahresplanung. Die Finanzziele werden zwei Mal pro Jahr überprüft.

Jungen* im Blick arbeitet mit 2,15 Fachkraftstellen, die unter drei Teilzeitkräften aufgeteilt sind. Die Fachkräfte verfügen jeweils über einen Hochschulab-schluss im Bereich (Sozial)Pädagogik. Damit ein qualifiziertes Beratungsange-bot vorgehalten werden kann, haben alle Mitarbeiter zudem eine therapeuti-sche Zusatzqualifikation bzw. streben diese an. Die praktische Arbeit kann bei Bedarf durch Honorarkräfte unterstützt werden. Für Studierende werden 4 ? 6monatige Praktikumsplätze angeboten.


Ziele und Zielgruppen

Die Arbeit von Jungen* im Blick richtet sich in erster Linie an Jungen* und junge Männer* von ca. 6 bis 20 Jahren im Großraum Stuttgart. Alle die sich als Jungen* fühlen, werden als Adressat*innen verstanden und sind willkommen. Grundsatz für Jungen* im Blick ist daher, dass alle diejenigen "richtig" sind, die sich in der Einrichtung "richtig" fühlen - egal ob sie von anderen als männlich gelesen werden oder nicht.

Ziel von Jungen* im Blick ist die Unterstützung von Jungen* und jungen Männern* in Fragen der Gesundheitsförderung, sexuellen Bildung, Sucht- und Gewaltprävention.

Die Jungen* sollen in ihren Lebenssituationen und -welten erreicht werden, insbesondere folgende Settings stehen dabei im Fokus:
- Etwa drei Viertel der Angebote werden gemeinsam mit Schulen durchgeführt. Bezogen auf alle Veranstaltungen finden 20 Prozent der Veranstaltung mit Realschulen statt, 19 Prozent mit Gymnasien, 18 Prozent mit Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszen-tren (SPBZ), jeweils 7 Prozent mit Grund- und Waldorfschulen und 4 Prozent mit Gemeinschaftsschulen (vgl. Jahresbericht Gesundheitsladen 2018: 13).
- Schülerhäuser (Ganztagsbetreuung an Stuttgarter Grundschulen)
- Unterkünfte für Geflüchtete
- Wohngruppen
- (Jungen*, die in Frauenhäusern leben, werden in die Beratungsstelle vermittelt)
- Jungen* die sich in schwieriger sozialer Lage befinden und dadurch ggf. Gefährdungen der Gesundheit ausgesetzt sind

Neben den Jungen* wird bei Bedarf auch das gesamte Bezugs- und Familiensystem einbezogen (Erziehende, Eltern, Geschwister oder andere wichtige An-gehörige).
Über die primäre Zielgruppe hinaus soll Fachkräften, z.B. in Schulen oder Horten, eine jungen*sensible Haltung nahegebracht werden. Dazu werden Fort- und Weiterbildungen für Fachkräfte sowie Intervisionen für pädagogische Fachkräfte angeboten.


Vorgehen

Zielgruppenorientierte Gesundheitsförderung steht bei der Arbeit im Fokus.
Grund- und Leitsätze der Arbeit von Jungen* im Blick sind
- Genderperspektive
- Salutogenese
- Lebenskompetenzförderung
- Ressourcenorientierung
- Partizipation
Die Jungen* und Männer* werden entweder aufsuchend in ihren Lebenswelten erreicht (z.B. Schule, Hort), oder von Kooperationspartnern (z.B. Gesund-heitsamt, Schule, Ärztinnen und Ärzte, andere soziale Einrichtungen) auf die Beratungsstelle hingewiesen bzw. dorthin vermittelt.

Beratungen und Workshops:
Neben Beratungen werden vor allem längerfristige Angebote in Form von Workshops durchgeführt. Thematisch werden die Bereiche Gesundheitsförde-rung, Pubertät, Sexualität, Suchtprävention, Aggression und Konflikte, (Umgang mit) Medien, Persönlichkeitsbildung und Identitätsentwicklung, Körper- und Schönheitsideal, Beziehung und Freundschaft abgedeckt. Die Workshops machen Jungen* und jungen Männern* Angebote aus den Bereichen Junge und Mann-sein, körperliche Entwicklung, sexuelle Bildung, Mobbingprävention, soziale Kompetenz, (sexualisierte) Gewalt, Suchtprävention (v.a. Substanzen und Medien).
Das konkrete methodische Vorgehen richtet sich nach den Bedarfen der Jun-gen*. Es sollen gleichermaßen die physische, kognitive und emotionale Ebe-ne angesprochen werden. Die Gruppen der Workshops kommen aus Schulen, Jugendhäusern und Wohngruppen zusammen.

Themenspezifische Formate:
Neben offenen, bedarfsorientiert entwickelten Workshops - die Schulen schicken im Vorfeld Themen und Fragen, die behandelt werden sollen - bietet JUB regelmäßig angeleitete Gruppen mit spezifischen Schwerpunkten an:
Im Angebot Boyhood Gang setzen sich die Jungen* in einer Gruppe von 8-10 Jungen* in jeweils 12 Terminen mit dem eigenen Männlichkeitsbild und der Verbesserung des Zugangs zu den eigenen Gefühlen auseinander.
Stark hoch zwei bietet in 20 Treffen im Rahmen einer festen Gruppe den Austausch zum Thema Übergewicht an. Ziel ist, dass die Jungen* die Themen gesunde Ernährung und Bewegung in ihren Alltag integrieren, sowie den Fokus auf eine aktive Lebensgestaltung legen. Auch die psychosozialen Aspekte werden berücksichtigt. Um das Konzept einer gesunden Lebensführung in der Familie begleitend zu fördern, werden auch die Eltern einbezogen.
Ein weiteres regelmäßiges Angebot ist der Väter-Söhne-Selbstbehauptungskurs. Hier erarbeiten sich Väter und ihre Söhne Handlungsmöglichkeiten, wie durch Körpersprache und Stimme viele Grenzüberschreitun-gen im Vorfeld verhindert werden können.
Einen erlebnispädagogischen Ansatz verfolgt der einwöchige Discovery Trail in der freien Natur. Die Jungen* verbringen gemeinsame Zeit in der Natur und lernen über gemeinsame Aktivitäten ihre Möglichkeiten und Grenzen kennen. Das Angebot richtet sich nur an Jungen* aus Förderschulen.
Beratung@school sind themenorientierte Präventionsveranstaltungen an Schulen, die entweder als Gruppenangebot oder individuelle Einzelberatung erfolgen.

Beratung für Fachkräfte und fachliche Vernetzung:
Jungen* im Blick bietet Lehr- und Fachkräften kollegiale Beratung bei der Arbeit mit Jungen* an und unterstützt die Konzeption und Entwicklung von Projekten. Das Angebot bzw. der Träger GesundheitsLaden e.V. ist in zahlreichen Gremien und Arbeitsgruppen aktiv, um den Austausch und die Integration von Programmen zielführend zu unterstützen (s. Integriertes Handlungskonzept/Vernetzung).
Alle Angebote sind kostenpflichtig. Durch die Zahlung eines Beitrags von 5 Euro pro Beratungseinheit entsteht Verbindlichkeit für die Teilnehmenden. Bei Jungen* aus armutsgefährdeten Familien lassen sich kostenreduzierte Workshops und Beratungen vereinbaren.
Die Einrichtung verfügt über eigene barrierefreie Räume (Gruppenraum und Beratungszimmer), in denen die Angebote durchgeführt werden. Die Größe der Beratungsstelle und die räumliche Einrichtung, die auch Freizeitelemente wie Dartscheibe oder Tischkicker vorsieht, ermöglicht Freiraum und Mitgestaltung der Situation: die Jungen* können die Räume mit ihren Angeboten nut-zen und auch selbst mitentscheiden, wie sie die Interaktion gestalten wollen.

Die Beratungsstelle ist zentral gelegen und ist mit verschiedenen U-Bahn- und Buslinien erreichbar.


Good Practice in

Empowerment

Ziel ist die Stärkung der Selbstbestimmungskompetenzen der Jungen*. Dazu wird ressourcenorientiert an vorhandenen, aufzubauenden und weiterzuentwickelnden Kompetenzen der Jungen* angesetzt.
Die Arbeit mit den Jungen* beginnt immer mit der Fragestellung: Warum seid ihr hier? Was soll hier passieren? Die Jungen* werden als Experten für sich selbst wahr- und ernstgenommen. So bestimmen die Jungen* selbst mit, wie der Prozess der gemeinsamen Arbeit aussieht. Von dieser wahrgenommenen eigenen Expertise aus wird dann die Kompetenzstärkung in gemeinsamer Arbeit begonnen.
In der Einzelberatung werden zunächst die familiären, körperlichen und psychischen Ressourcen ermittelt, die die Jungen* mitbringen. Auf dieser Basis wird geschaut, wie das, was durch das Angebot an Ressourcen vorhanden ist, gestärkt und verstärkt werden kann, um die Lebensbedingungen der Jungen* so zu formen, dass sie diese Ressourcen wahrnehmen. Wichtig ist die Fokussierung auf Ressourcen, die den Jungen* helfen, ihren Alltag gut zu gestalten.
Die Erfahrung der Pädagogen zeigt, dass vielen Jungen* oft nicht klar ist, welche Kompetenzen sie mitbringen und welche eigenen Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen. Dies soll durch die Arbeit bei Jungen* im Blick heraus-gearbeitet und verdeutlicht werden, um sie so zu befähigen, Handlungsfähigkeit aufzubauen und nächste konkrete Schritte selber zu machen z.B. Konflikte lösen, Grenzen setzen und wahrnehmen, Nein sagen, eigene Strategien zum Stressabbau entwickeln etc.
Der Ansatz von Jungen* im Blick ist systemisch, d.h. es wird nicht nur auf das Individuum, sondern auch auf dessen Umfeld geschaut. Gleichzeitig gilt die Prämisse, dass nicht der Berater eine dominierende Sicht einnimmt, sondern dem Jungen* Angebote macht, die Wirklichkeit neu zu betrachten und zu bewerten. Grundsätzlich wird nach konstruktiven Lösungen und Variationsmöglichkeiten von Verhalten gesucht. Das Angebot schafft den Raum und eine Atmosphäre, in der diese alternativen, ggf. konstruktiveren Varianten von Verhalten erprobt und angewendet werden können, um sie dann in die eigene Lebenswelt zu übertragen.
Die Mitarbeiter von Jungen* im Blick sind durch den Beziehungsaufbau Teil des Umfelds und somit in einer Vorbildrolle. Der erfolgreiche Aufbau einer gemeinsamen Beziehung mit dieser neuen, männlichen Bezugs- und Vorbildfigur soll die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit bei den Jungen* stärken.
In der Arbeit werden regelmäßig Methoden zur Veranschaulichung der eigenen Situation genutzt, z.B. eine Gefühlsampel als Status zur Wahrnehmung von Gefühlen und Gefühlslage oder eine Skala zur kontinuierlichen Einschätzung der eigenen Kompetenzen und Entwicklung. Die Rückmeldung der Jungen* zeigt, dass so eine bessere Wahrnehmung der eigenen Stimmung und Gefühle erreicht wird.
Der Grad des erreichten Empowerments ist schwer skalierbar. Die Pädagogen erleben Empowerment auf einer beschreibenden Ebene etwa dann, wenn die Jungen* zunehmend in der Lage sind, ihre Gefühle zu zeigen, z.B. mittels der Gefühlsampel. Empowerment wird auch erreicht, indem gemeinsame Vereinbarungen in der Familie getroffen werden, die so systemisch auch die Lebensbedingungen positiv beeinflussen und stärkende Funktion haben.
Der Erfolg des Empowerment der Jungen* zeigt sich auch in positiven Rückmeldungen von Eltern und Lehrer*innen, die günstige Änderungen im Verhalten und Auftreten der Jungen* beschreiben. Beispielsweise können Auffälligkeiten im Klassenzusammenhang abnehmen und die Gruppenfähigkeit wiederhergestellt werden.

Nachhaltigkeit

Im Fokus einer kontinuierlichen, zielgruppengerechten Weiterentwicklung und Nachhaltigkeit stehen insbesondere inhaltliche, strukturell-politische und auch finanzielle Aspekte zur Sicherung des Projektbestandes.
Um auf inhaltlicher Ebene Nachhaltigkeit bei der adressierten Zielgruppe sicherzustellen, beschäftigt sich das Angebot regelmäßig mit der Weiterentwicklung von Konzeption und praktischer Arbeit. Dieser liegt eine umfassende Konzeption zugrunde, die regelmäßig überprüft und angepasst wird. Zentral sind dabei die Auswertung der Ergebnisse im Hinblick auf Resonanz und Themenfokus. Darauf basierend wird zweimal jährlich innerhalb des Teams eruiert, was fortgeführt und weiterentwickelt werden soll sowie welche neuen thematischen Aspekte integriert werden sollen. Diese Überlegungen schließen neben der primären fachlichen Arbeit mit den Jungen* auch die nachhaltige Entwicklung der Beratungsstelle ein und adressieren z.B. interne Weiterbildungsbedarfe.
Die Nachhaltigkeit der inhaltlichen Arbeit wird auch durch die Schulung von Lehrern und Lehrerinnen sowie Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern zu Themen wie "Junge sein" oder "Sexuelle Identitätsbildung" unterstützt. Diese können anschließend als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren die Themen in ihre Einrichtungen einbringen.
Auf politisch-struktureller Ebene wird Nachhaltigkeit durch eine Vernetzung mit anderen Akteuren erreicht (vgl. Integriertes Handlungskonzept/Vernetzung). Hier ist vor allem die Gremienarbeit bedeutsam. Da es sich bei dem Angebot um eine freiwillige Aufgabe der Jugendhilfe handelt, ist es relevant, dass sich der Träger mit politischen Entscheidungsgremien abstimmt, um über Prioritäten und Themen der aktuellen politischen Agenda informiert zu sein. Die Vernetzung mit anderen fachlichen Akteuren trägt zur thematischen Verzahnung unterschiedlicher Angebote bei und gewährleistet so eine zielführende Ansprache der Zielgruppe.
Die Sicherstellung der Finanzierung ist Voraussetzung für Kontinuität und Verstetigung des Angebotes. Eine gewisse finanzielle Nachhaltigkeit sichert die Regelfinanzierung durch das Land und die Kommune Stuttgart seit 2008. Spenden und Drittmittel ermöglichen es, Rücklagen aufzubauen. Anfang 2019 wurde Mehrbedarf zum Stellenaufbau angemeldet, da sich die Nachfrage seit 2011 fast verdreifacht hat.
Teile des Angebotes werden über feste Kooperationen (Schule) realisiert, damit wird auch für die Kooperationspartner ein regelmäßiges Angebot sichergestellt.

Integriertes Handeln

Grundlage eines Integrierten Handlungskonzeptes ist die konsequente Bedarfsanalyse bei und mit den Jungen* als Zielgruppe. Zum einen geben die Jungen*, die das Angebot bereits nutzen, viele Impulse für Themen und Angebote, zum anderen zeigen sich anhand konkreter Anfragen z.B. von Schulen, welche Bedarfe akut sind. Zur Ermittlung von Inhalten hilft zudem der Blick in den Jahresbericht des Gesundheitsladen e.V., in dem die Beratungsanlässe thematisch aufgeschlüsselt sind. Anhand dieser konkreten Zahlen lassen sich Ableitungen für zu adressierende Themen treffen. Zuletzt hat sich dieses Vorgehen beim Thema Medienkompetenz bewährt.

JUB ist langjährig und intensiv mit den maßgeblichen Akteuren auf politischer, struktureller und lebensweltlicher Ebene vernetzt, u.a. im "Facharbeitskreis Jungen". Dies ist sehr hilfreich dabei, verschiedene Angebote besser auf einander abzustimmen. Mit Vorliegen konkreter Themen und Handlungsbedarfe ist für die Planung und Entwicklung von Maßnahmen der Blick in die Angebots-Landschaft und der Austausch mit anderen Anbietern, Multiplikator*innen und Fachkreisen zielführend. Von hier aus wird erörtert, welche Maßnahmen es gibt, wie sich die Angebote verschränken lassen und was - ggf. gemeinsam in Kooperation - neu zu konzipieren ist.
Vor allem die Etablierung der Stuttgarter Gesundheitskonferenz im Rahmen der Strategischen Gesundheitsförderung des Landes Baden-Württemberg unterstützt den integrierten Auf- und Ausbau gesundheitsfördernder Strukturen. Auf der Basis von Gesundheitsberichterstattung, Expert*innenwissen und Betroffenenmeinungen erarbeiten die Partner*innen der Gesundheitskonferenz gemeinsam gesundheitliche Themen. In Arbeitsgruppen, Netzwerken und auf Tagungen entwickeln sie dazu Handlungsempfehlungen und Projektvorschläge und setzen diese um. Die Qualität der Umsetzung und der Erfolg werden anschließend bewertet (vgl. Kommunale Gesundheitskonferenz Stuttgart, 2012). Zum Teil werden Gesundheitskonferenzen auch kleinräumiger für Stadtteile etabliert.
Zudem besteht eine Zusammenarbeit von Jungen* im Blick mit dem Gesundheitsamt Stuttgart im Rahmen des "Stuttgarter Stufenmodell zur Übergewichtsprävention und -therapie": Mit dem Ziel, die Zahl übergewichtiger Kinder langfristig zu senken und für bereits übergewichtige Kinder entsprechende Angebote vorzuhalten, hat die Stuttgarter Gesundheitskonferenz ein Modell entwickelt, um ein gezieltes und abgestimmtes Handeln von Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen und weiteren Institutionen und Fachleuten zu verwirklichen. Hier ist das Projekt Stark hoch zwei (s. Vorgehen) angesiedelt.
Die Vernetzung und Abstimmung von Aktivitäten auf fachlicher Ebene findet im Rahmen von Arbeitskreisen statt. Dies erfolgt sowohl explizit in jungen*spezifischen Arbeitsgremien (z.B. LAG Jungenarbeit Baden-Württemberg, Fach-AK Jungen, AG Männerberatung) als auch übergreifend etwa in Zusammenarbeit mit Schulen, Stadtteilkonferenzen (Handlungskonferenz Stuttgart West) und Jugendhäusern.
Insgesamt besteht eine sehr gute Vernetzung innerhalb der Stadt Stuttgart. Dazu tragen auch die generell günstigen Rahmenbedingungen der Gesundheitsförderung in Stuttgart bei: es gibt klare Ansprechpartner*innen, die Angebote werden miteinander in den genannten Arbeitsgremien abgestimmt, sodass alle Anbieter*innen in ihrer Arbeit gut erkennbar miteinander vernetzt sind und Aufgaben ggf. auch delegiert werden können. Die Arbeit ist partnerschaftlich und auf Kooperation ausgerichtet.
Auch die Kooperation mit Schulen beinhaltet feste Zusagen und Vereinbarungen und trägt so zu kontinuierlicher Integration des Angebots und durch finanzielle Unterstützung zu Nachhaltigkeit bei.
Geplante Kooperationen mit Frauenhäusern, Kinder- und Familienzentren und der AG Dritte Welt sollen die Vernetzungsbeziehungen von Jungen* im Blick erweitern.
Die stetig steigende Nachfrage zeigt, dass Jungen* im Blick sehr gut in die Versorgungsstruktur eingebettet ist und entsprechend einbezogen und genutzt wird. Die hohe Nachfrage und die Integration jungen*spezifischer gesundheitsfördernder Themen in die Gemeindearbeit bringt den Bedarf einer künftigen Finanzierung und personellen Aufstockung mit sich (s. Kriterium "Nachhal-tigkeit").


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Die Akzeptanz der geschlechtsbezogenen Jungen*pädagogik ist außerhalb der Fachöffentlichkeit eine größere Herausforderung als Mädchen*arbeit: Jungen*arbeit gilt als Nischenthema und wird aufgrund der verbreiteten Geschlechtsrollen-Stereotype vom "starken Jungen" nicht so selbstverständlich akzeptiert wie Mädchen*arbeit. Dies zeigt sich zum einen strukturell in einer geringeren finanziellen Ausstattung, zum anderen in einem deutlich höheren Erklärungsbedarf der pädagogischen Rolle als Fachkraft für Jungen*arbeit. Daher ist es immer noch wichtig, aufzuklären und zu informieren. Pädagogisch und in der Planung von Angeboten ist es zum Teil herausfordernd, zu bestimmen, an welcher Stelle geschlechtsbezogene Angebote und an welcher Stelle auch gemeinsame Projekte sinnvoll sind. So sind in der sexuellen Bildung vor allem geschlechtsspezifische Angebote sinnvoll. Bei anderen Themen wie z.B. Mobbing oder Gewalt können je nach Schwerpunkt sowohl ge-schlechtsbezogene als auch gemeinsame Angebote sinnvoll sein.
Gleichzeitig ist mit Jungen*arbeit auch die individuelle Herausforderung der pädagogischen Fachkräfte für Jungen*arbeit verbunden, sich intensiv mit der eigenen Rolle und Männlichkeit auseinander zu setzen. Als Jungen*arbeiter muss die eigene Männlichkeit reflektiert werden: Wie trete ich auf? Wie sehe ich meine Männlichkeit? Damit persönlich umzugehen ist ein ständiger Pro-zess. Allmählich entsteht eine größere gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass Männer in der sozialen Arbeit beschäftigt sind. Auch stereotype, gefestigte geschlechtsspezifische Zuschreibungen sind immer noch ein Thema. Selbst bei aufgeschlossenen Entscheidungsträgern und Akteuren ist weiterhin Aufklärung notwendig, z.B. im Hinblick auf gendergerechte Nutzung von Sprache.
Als kleinere Einrichtung besteht die Gefahr, sich zu viel vorzunehmen und damit die Einrichtung und die dort arbeitenden Menschen zu überlasten. Es ist wichtig zu lernen, die Aufgaben zu priorisieren und - auch im Sinne von Qualität und Arbeitsbelastung - ggf. bestimmte Projekte nicht zu machen, Anträge nicht zu stellen, eine Vernetzungsmöglichkeit auszulassen... Dies ist schwer in der Realität, da neue Themen und Kooperationen oft einen Mehrwert schaffen - allerdings muss das auch mit der angemessenen Personalstärke erfolgen.
Grundsätzliche Erfolgskriterien für eine gelingende Arbeit sind die gute Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und Gremien und die damit einhergehende Akzeptanz, dass eigenständige Jungen*- und Geschlechterarbeit notwendig ist. Ein guter Zugang zu den Jungen* wird durch ein bedarfsgerechtes Angebot, ansprechende Räumlichkeiten, Bekanntheit, kontinuierliche Arbeit und individuelle Beziehungsarbeit erreicht. In der pädagogischen Arbeit helfen der Austausch untereinander, regelmäßige Supervision und eine mentale Grundhaltung basierend auf Enthusiasmus, Wohlwollen und viel Elan und Begeisterung für die Sache.

Aktualisierung durch das Projekt (Dezember 2020):
Die Corona Pandemie hat nochmals den Blick auf die Bedürfnisse der Jungen* geschärft. Wir erleben, dass Jungen* weiterhin Ansprechpartner suchen und das Beratungsangebot wahrnehmen wollen. Unsere Räumlichkeiten lassen eine Beratung im Einzelsetting und face-to-face zu. Das Angebot von Online-Einzelberatung wurde weniger stark in Anspruch genommen, als vermutet.
Workshops, Fachtage und Weiterbildungen haben jedoch bereits digital stattgefunden und es konnte einiges an praktischer Erfahrung gemacht werden, so dass wir digital durchzuführende Angebote nun auch auf der Website anbieten.


Literatur

Gesundheitsladen e.V.: Jahresbericht 2018, Stuttgart.
www.jungen-im-blick.de/wp-content/uploads/2019/06/Jahresbericht2018web.pdf

Sachgebiet "Strategische Gesundheitsförderung" im Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart (2012): Kommunale Gesundheitskonferenz Stuttgart. www.stuttgart.de/img/mdb/item/499036/85797.pdf

Jungen- und Männergesundheit in Baden-Württemberg 2015 - Ministerium für Arbeit und Sozialordung, Familie,Frauen und Senioren Baden-Württemberg.
www.gesundheitsdialog-bw.de/fileadmin/media/Download/Landesqualitaetsberichte/Bericht_Jungen-_und_Maennergesundheit_2015.pdf

Stier, Bernhard und Winter, Reinhard (Hrsg.) (2013): Jungen und Gesundheit: Ein interdisziplinäres Handbuch für Medizin, Psychologie und Pädagogik, Verlag Kohlhammer.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: 2008

Abschluss: kein Ende geplant


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

Menschen in schwieriger sozialer Lage sind ein wichtiger Teil der Zielgruppe, auch wenn sich das Angebot in erster Linie an alle richtet.

  • Personen in strukturschwachen Wohnregionen / Quartieren

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend
  • 6 bis 10 Jahre
  • 11 bis 14 Jahre
  • 15 bis 17 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Jungen / Männer

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

Lehrer*innen und Lehrer*, Fachkräfte


Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner

Bildungspartnerschaft mit der Körschtalschule

Am 20. April 2015 wurde im Schülercafé der Körschtalschule die Bildungspartnerschaft zwischen dem GesundheitsLaden e.V. mit seinen Einrichtungen JUNGEN IM BLICK und MÄDCHENgesundheitsladen besiegelt!


Schwerpunkte des Angebotes

  • Bewegungs- und Mobilitätsförderung
  • Ernährung
  • Gewaltprävention
  • Sexualität (Sexualaufklärung und -pädagogik); sexuelle Identität (Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen)
  • Stressbewältigung
  • Sucht
  • Psychische Gesundheit
  • Stärkung der individuellen Bewältigungsressourcen (z.B. Life skills, Resilienz)
  • Bildung
  • Stärkung sozialer Kompetenzen
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Schule
  • Kinder- und Jugendheim / betreute Wohngruppen
  • Freizeiteinrichtung
  • Familie
  • Beratungsstelle
  • Sonstiges: Unterkunft für Geflüchtete

Qualitätsentwicklung

Es ist bereits ein Ergebnisbericht vorhanden.

Die Qualitätsentwicklung und Ergebnissicherung sind nicht in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden.


Stand

07.01.2021

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