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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2008

El Puente

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

In den Brandenburger Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende und Flüchtlinge gibt es Menschen, die durch Kriegshandlungen, Haft und/oder Folter in der Heimat schwer traumatisiert sind. Sie leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Hinzu kommen Flüchtlinge, die aufgrund der lang anhaltenden Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, der unsicheren Aufenthaltsperspektiven, der realen Ängste vor Abschiebung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die Residenzpflicht und der Akzeptanzprobleme durch die Bevölkerung unter sekundär erworbenen psychischen Erkrankungen leiden. Die Folge ist eine Manifestierung physischer und psychischer Krankheitssymptome, die sich vor allem in Aggressivität, Alkoholmissbrauch und Suizidalität widerspiegelt.

Die Belastung der Asylsuchenden wird verstärkt durch ein oftmals überfordertes Personal in den Gemeinschaftsunterkünften, mangelnde Behandlungsmöglichkeiten vor Ort und die Tatsache, dass behandelnde Ärzte die Patientinnen und Patienten sprachlich und/oder kulturell oftmals nicht verstehen.

Seit Beginn 2006 gibt es mit der Clearingstelle „El Puente“ (die Brücke) eine am Bedarf und den Ressourcen Brandenburgs orientierte Anstrengung zur Verbesserung der Situation der Zielgruppe. Der Kern dieser Anstrengung ist ein Beratungs- und Betreuungsangebot für psychisch belastete und kranke Migrantinnen und Migranten, das unterstützt und ergänzt wird durch die Arbeit von ca. 40 ehrenamtlichen Sprach- und Kulturmittlern und –mittlerinnen. Die vorwiegende aufsuchende Tätigkeit der Projektmitarbeitenden hat entscheidend dazu beigetragen, die konkreten Lebensbedingungen der erkrankten Personen zu beeinflussen, um insbesondere akute Stressfaktoren abzubauen. Das hat sich in vielen Fällen nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen, sondern auch auf das Umfeld (z.B. weitere Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte) positiv ausgewirkt.

Weiterhin strebt „El Puente“ durch ein breites Spektrum von Fortbildungs-, Beratungs- und Netzwerkaktivitäten den Ausbau von Behandlungs- und Therapiekapazitäten im Land Brandenburg an. Dabei kann sich das Projekt auf zahlreiche Kooperationspartner stützen: das zuständige Landesministerium, das Landesgesundheitsamt und die kreislichen Gesundheitsämter bzw. sozialpsychiatrischen Dienste sowie die Flüchtlingsberatungstellen.

Dokumente zur Darstellung des Angebotes


Kontakt

Frau Juliane Mucker
Am Bürohochhaus 2-4
14478 Potsdam (Brandenburg)

Telefon: 0331 / 9676252

E-Mail: j.mucker(at)fazit-brb.de

Website: http://www.fazit-brb.de


Projektträger

Gesellschaft für Inklusion und Soziale Arbeit e.V.
Zum Jagenstein 3
14478 Potsdam


Hintergrund

Derzeit existieren in Brandenburg 20 Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende und Flüchtlinge. In diesen Unterkünften leben insgesamt rund 4000 Menschen. Darunter befinden sich u.a. Menschen aus Vietnam, verschiedenen afrikanischen Ländern, Tschetschenien und den kurdischen Gebieten der Türkei. Während insgesamt die Zahl der Menschen, die in diesen Gemeinschaftsunterkünften wohnen seit 2005 um ca. ein Drittel abgenommen hat, wächst die Zahl der psychisch erkrankten Migranten und Migrantinnen, die dort leben.

Viele der Asylsuchenden sind durch Kriegshandlungen, Haft und Folterungen in den Herkunftsländern schwer traumatisiert. Zu diesen „mitgebrachten“ psychischen Auffälligkeiten und Erkrankungen kommt hinzu, dass die Situation der Menschen in den Unterkünften sich durch schwierige Wohnbedingungen, Isolation, Einsamkeit und mangelnde soziale Einbindung verschlechtert. Das hat vielfältige Folgen. So ist zu beobachten, dass insbesondere Männer unter den Umständen in den Gemeinschaftsunterkünften leiden. Während die meisten Frauen gemeinsam mit ihren Familien nach Deutschland kamen und damit in Brandenburg inzwischen die Möglichkeit erhalten haben, in Wohnungen zu ziehen, reisen Männer oftmals allein ein. In der Folge entmischt sich die Zusammensetzung vieler Gemeinschaftsunterkünfte. Es gibt immer mehr Heime mit einer reinen Männerbelegung. Für diese Männer gibt es keine Möglichkeiten, Frauen kennen zu lernen, Familien zu gründen und damit enge soziale Bindungen einzugehen. Diese Männer erleiden somit über Jahre hinweg eine tiefgehende soziale Isolation, verbunden mit kulturellen Rollenkonflikten und sich anstauenden Aggressionen. Aufgrund fehlender Therapiemöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten ist es äußerst schwierig, den Betroffenen geeignete Behandlungen zu vermitteln. Die Inanspruchnahme von Therapiemöglichkeiten in anderen Bundesländern gestaltet sich aus Kapazitätsgründen schwierig. Erschwert wird die Situation der Betroffenen außerdem durch vielfach mangelndes Verständnis und Ignoranz seitens des Personals in den Aufnahmeeinrichtungen und verschiedener Behörden. So wird in vielen Fällen unangemessen gehandelt, die Polizei unnötig eingeschaltet und/oder die stationäre Aufnahme – verbunden mit einer vordergründigen Medikamentierung - als einzig möglicher Ausweg gesehen. Diese Formen der Krisenintervention führen zwar kurzfristig zu einer Beruhigung, sind aber von einer Bewältigung oder Bekämpfung der Ursachen weit entfernt, so dass in vielen Fällen die Krisen immer häufiger auftreten.

Die vergleichsweise geringe Zahl der Asylsuchenden und Flüchtlinge in Brandenburg bringt auch weitere Probleme mit sich. Die Gemeinschaftsunterkünfte sind im gesamten Land verteilt und die jeweiligen Standorte durch mangelnde öffentliche Infrastruktur charakterisiert. Infolge dessen ist oftmals die Entfernung zu den Behandlungsorten sehr groß und das Aufsuchen für die Patientinnen und Patienten mit großem Aufwand verbunden, so dass notwendige Behandlungen und Therapien oftmals nicht begonnen werden bzw. regelmäßig fortgesetzt werden können. Aufgrund der Tatsache, dass in Brandenburg nur wenige Migrantinnen und Migranten leben, hat sich in der Vergangenheit im Gesundheitswesen kaum Sensibilität für die Belange dieser Bevölkerungsgruppe entwickelt. So wurde wenig Handlungsbedarf dahingehend gesehen, die sprachlichen und kulturellen Barrieren in der medizinischen Betreuung und Beratung von Migrantinnen und Migranten abzubauen. Die Patientinnen und Patienten müssen sich in der Regel mit medizinischem und therapeutischem Fachpersonal auseinandersetzen, das weder ihre Muttersprache noch den kulturellen Hintergrund kennt. Dies führt oftmals zu Missverständnissen auf beiden Seiten, verbunden mit wenig Aussicht auf eine qualitativ gute und nachhaltige Behandlung bzw. Therapie. Nicht selten werden therapeutische und medizinische Interventionen sowohl seitens der Patientinnen und Patienten als auch der Fachkräfte abgebrochen, weil die sprachlichen Barrieren eine reibungslose Kommunikation erschweren.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ein grundsätzlich erhöhter Koordinierungs-, Beratung- und Betreuungsbedarf von erkrankten Flüchtlingen, insbesondere aber der psychisch Erkrankten ab, der in den einzelnen Gemeinschaftsunterkünften nicht geleistet werden kann. Der Fachberatungsdienst Zuwanderung, Integration und Toleranz im Land Brandenburg (FaZIT) hat das Projekt „El Puente“ entwickelt, um vornehmlich dezentrale Lösungen für das im Land Brandenburg bestehende Diagnose- und Therapiedefizit für psychisch erkrankte, insbesondere traumatisierte Flüchtlinge zu erproben und durch Einflussnahme auf die konkreten Lebensbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften Stressfaktoren abzubauen. Zugleich zielt die Tätigkeit des Projektes durch die Bereitstellung eines sprachmittlerischen Angebots auf die Verbesserung der Zugänge zu medizinischer Versorgung ab.


Vorgehen

El Puente ist eine Clearingstelle für Beratung und Behandlung von psychisch erkrankten, insbesondere traumatisierten Migrantinnen und Migranten. Inhaltlich umfasst die Arbeit von „El Puente“ folgende Schwerpunkte:
- Aufbau einer verlässlichen, kompetenten und kontinuierlichen Beratungsstruktur zur Begleitung, Unterstützung und Stärkung von psychisch kranken, insbesondere traumatisierten, und psychisch belasteten bzw. gefährdeten Migrantinnen und Migranten, einschließlich der Vermittlung zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten;
- Koordinierung sowie fachliche Anleitung und Fortbildung der unterstützenden Gruppen (Gruppen ehrenamtlich arbeitender Kultur- und Sprachmittler, derzeit sind ca. 40 Personen als Sprach- und Kulturmittler bei FaZIT registriert);
- Einrichtung regionaler Informationspools zu den vorhandenen Behandlungs- und Therapieangeboten für psychisch erkrankte Flüchtlinge;
- Entwicklung von weiteren Angeboten, insbesondere zur Nachbetreuung;
- Fachliche Unterstützung für Fachkräfte der Gesundheitsämter und Sozialpsychiatrischen Dienste sowie für das Fachpersonal aus Medizin und Therapie in migrationsrelevanten Aspekten der psychotherapeutischen und/oder psychosozialen Versorgung von Zuwanderern sowie für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Gemeinschaftsunterkünften zum angemessenen Umgang mit psychisch kranken und traumatisierten Migrantinnen und Migranten.

Unter dem Gesichtspunkt Beratung und Betreuung von psychisch kranken und traumatisierten Flüchtlingen konzentriert sich das Projekt „El Puente“ im Einzelnen auf folgende Maßnahmen, die nach Bedarf ausgeweitet werden:
- Erstkontakt zu psychisch kranken (insbesondere traumatisierten) sowie psychisch belasteten Migrantinnen und Migranten;
- Vermittlung von möglichst wohnortnaher medizinischer Versorgung und eventueller Therapieangebote;
- Ermittlung des begleitenden Beratungs- und Betreuungsbedarfs sowie Beratung und Begleitung in Kooperation mit kommunalen Verwaltungs- und Regeldiensten;
- Vermittlung von sprachlicher Unterstützung zur Erleichterung der Kommunikation zwischen medizinischem Fachpersonal und Flüchtlingen;
- Krisen- und Konfliktmanagement in Einzelfällen (u.a. durch kurzzeitige stationäre Unterbringung zur Stabilisierung);
- Installierung von örtlichen Unterstützungsnetzwerken;
- Gesundheitsförderung und Prävention durch Informations- und Fortbildungsangebote für Flüchtlinge.

Unter dem Gesichtspunkt des Aufbaus regionaler Ressourcen für die Behandlung von psychisch belasteten, kranken und insbesondere traumatisierten Migrantinnen und Migranten konzentriert sich „El Puente“ im Einzelnen auf folgende Maßnahmen:
- Fachliche Beratung zu migrationsrelevanten Fragen von Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatischer Rehabilitation;
- Vermittlung und Koordinierung von behandlungsbegleitenden Maßnahmen, insbesondere der unterstützenden Sprachmittlung;
- Organisation und Durchführung von Fortbildungsangeboten und Supervision für medizinisches und sozialpädagogisches Fachpersonal.

Das Team von „El Puente“ hält regelmäßigen Kontakt zum Personal der Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende und Flüchtlinge. Dadurch erfahren die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime von den Angeboten des Projektes „El Puente“. Zusätzlich werden vor Ort mehrsprachige Flyer und weiteres, zumeist muttersprachliches Informationsmaterial verteilt.

Bei Bedarf können Asylsuchende und Flüchtlinge im Projektbüro anrufen. Die Beratungen von psychisch kranken und traumatisierten Zuwanderern sowie deren Familienangehörigen erfolgen regelmäßig an zwei Tagen in der Woche sowie nach Vereinbarung vor Ort. Die Vermittlung der ehrenamtlichen Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler erfolgt ganztägig von Montag bis Freitag. Die Koordinierung der Einsätze erfolgt durch das Team von „El Puente“.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Das Projekt „El Puente“ startete mit Besuchen in den Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende und Flüchtlinge. Das Projektpersonal wurde dabei von engagierten ehrenamtlichen Sprachmittlerinnen und -mittlern begleitet. So konnten die Betroffenen dort aufgesucht werden, wo sie sich aufhielten, und vor Ort muttersprachliche Informationsgespräche angeboten werden. Den Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern kam in dieser Projektphase eine Schlüsselrolle zu, weil ihr Engagment und ihr Verständnis für die Situation ihrer Landsleute in den Heimen es erlaubte, die psychisch erkrankten, auffälligen oder gefährdeten Personen direkt anzusprechen. Das sprach sich herum – die Menschen fühlten sich ernst genommen durch die Gäste. Sie kamen aus ihren Zimmern und berichteten von den persönlichen Umständen. Diese ersten Erfahrungen von „El Puente“ waren so gut, dass seitdem versucht wird, die Gemeinschaftsunterkünfte mindestens einmal im Jahr aufzusuchen.

In 2007 gab es insgesamt 12 solcher aufsuchenden Einsätze. Leider konnten bisher nicht alle Heime besucht werden, da es seitens einzelner Heimleitungen wenig Kooperationsbereitschaft und Unterstützung gab.

Während der Besuche werden auch Flyer verteilt. Diese Informationsblätter sind in mehreren Sprachen geschrieben und mit Fotos der mitarbeitenden Sprachmittlerinnen und Sprachmittler versehen, was dem Ganzen eine persönliche Note gibt. Migrantinnen und Migranten sehen, dass es sich bei den Personen auf dem Flyer um Landsleute handelt. Für die vertrauensvolle Kontaktaufnahme ist das von großer Bedeutung. Migrantinnen und Migranten erleben dadurch keine hohe Hemmschwelle und wissen, dass die helfenden Personen möglicherweise nicht nur die gleiche Sprache sprechen, sondern auch eine gleiche Herkunft mit ähnlichem Kulturverständnis und Erfahrungen haben.

Die aufsuchende Arbeit und die muttersprachlichen Flyer haben seitdem dazu beigetragen, dass das Angebot von „El Puente“ in den Gemeinschaftsunterkünften bekannt ist und von Mund zu Mund weiter getragen wird.

Insbesondere das Angebot der sprachlichen Unterstützung bei Arztbesuchen und Therapieterminen wird von vielen Heimbewohnerinnen und –bewohnern in Anspruch genommen. Sie können bei Bedarf bei der Koordinierungsstelle von „El Puente“ anrufen und eine Sprachmittlung nachfragen. Das Telefon ist nicht rund um die Uhr besetzt, sondern nur an Werktagen von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Die Organisation der sprachlichen Unterstützung liegt bei der Koordinierungsstelle von „El Puente“. Diese kümmert sich um die Vermittlung einer geeigneten Person. Am Ende erhält die hilfesuchende Person einen Rückruf durch eine/n Sprachmittler/in. Der Einsatz der Sprachmittlerinnen und Sprachmittler ist für die Migrantinnen und Migranten kostenfrei und zudem sehr unbürokratisch.

Integriertes Handeln

Der Erfolg des Projektes El Puente ist in hohem Maße davon abhängig, wie es gelingt, den fachlichen Kontakt zu verschiedenen Partnern herzustellen und eine stabile Kooperation aufzubauen. Je enger diese Kooperation ist, um so mehr gelingt es auf die Problematik der gesundheitlichen Situation von Migrantinnen und Migranten aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die unmittelbarsten Kooperationspartner sind zunächst Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende und Flüchtlinge. Ungeachtet der qualitativen Unterschiede in der Zusammenarbeit mit dem Personal der Gemeinschaftsunterkünfte hat sich die Kooperation im Verlauf der Projektarbeit stabilisiert und ausgedehnt. Kennzeichnend für die gute Vernetzung zwischen „El Puente“ und dem Personal der Gemeinschaftsunterkünfte sind folgende Aspekte:
- Regelmäßige Teamsitzungen und Telefonate zum organisatorischen und fachlichen Austausch;
- Bereitstellung von Beratungsräumen in den Gemeinschaftsunterkünften;
- Bekanntmachung von „El Puente“ in den Gemeinschaftsunterkünften;
- Gemeinsame Planung und Durchführung von Informationsveranstaltungen für die Bewohnerinnen und Bewohner;
- Teilnahme des Personals der Gemeinschaftunterkünfte an von „El Puente“ organisierten Fortbildungsveranstaltungen und dem trägerübergreifenden fachlichen Austausch.

Darüber hinaus bestehen zu den Migrationsberatungsstellen sowie den Brandenburgischen Organisationen „Opferperspektive“, „Flüchtlingsrat“ und Initiativen von Asylsuchenden und Flüchtlingen wie „Refugee Emancipation“ enge Kooperationsbeziehungen. Die Kooperationspartner fördern die Bekanntmachung von „El Puente“ und nehmen den Dienst von Sprachmittlern in Anspruch. Ebenso wichtig ist die sehr gute und enge Kooperation zu Kliniken, Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und sozialpsychiatrischen Diensten in einigen Landkreisen des Landes Brandenburg. Über die konkreten Problemfälle hinaus ist das Ziel der Kooperation mit den unterschiedlichen Partnern die gemeinsame Arbeit an der Akzeptanz des Angebotes von „El Puente“ und seine Verbesserung. Gerade in Bezug auf die Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen ist es ein Anliegen von „El Puente“, das Vertrauen aller Beteiligten und Betroffenen untereinander zu fördern und verbindliche Zusagen der Unterstützung zu ermöglichen.

„El Puente“ bzw. der Projekttäger wirkt zudem in verschiedenen Arbeitskreisen und –gruppen in Brandenburg mit. Zu diesen Arbeitskreisen gehören u.a.:
- Arbeitsgruppe Flüchtlinge des Landesintegrationsbeirates;
- Landeskonferenz der kommunalen Ausländerbeauftragten;
- Arbeitsgruppe HIV und Migration;
- Arbeitsgruppe Flüchtlingsfrauen.

Ungeachtet der guten Zusammenarbeit mit einer Reihe von Kooperationspartnern konnte noch nicht mit allen Partnern ein intensiver Austausch und Kooperation erreicht werden. Dies spiegelt sich auch in der Inanspruchnahme von Sprachmittlern wieder. In Landkreisen mit guter Vernetzung und engagierten Kooperationspartnern kommen Sprachmittler wesentlich häufiger zum Einsatz, als in Landkreisen, in welchen die Zusammenarbeit mit möglichen Kooperationspartnern weniger gut funktioniert. Diese Umstände spiegeln zum einen die Bedeutung von guten Kooperationen wieder, zeigen aber auch die Schwierigkeiten, wenn Vernetzungen nicht so stattfinden und funktionieren, wie angestrebt.

Nachhaltigkeit

Mit dem Projekt „El Puente“ wurde in Brandenburg erstmals die Möglichkeit geschaffen, den chancengleichen Zugang von Migrantinnen und Migranten zum Gesundheitswesen zu fördern und damit die gesundheitliche Situation der Betroffenen zu verbessern. Dabei konnte jedoch nur bedingt auf bewährte Programme und Projekte aus anderen Bundesländern zurückgegriffen werden. Sowohl die Besonderheiten der Zuwanderungssituation als auch die strukturellen Aspekte im Gesundheitswesen standen einer deckungsgleichen Übertragung von Konzepten und Modellen entgegen. Somit stand von Beginn an die Herausforderung, Maßnahmen zu entwickeln, die auf die Situation des Flächenlandes Brandenburg abgestimmt sind und eine Veränderung der strukturellen Bedingungen ins Blickfeld nehmen. Ein Beispiel dafür ist wiederum die Gruppe der ehrenamtlich arbeitenden Sprach- und Kulturmittelnden.

Zu Beginn der Projektentwicklung gab es nur wenige und ungenaue Informationen über den Bedarf von sprachmittlerischen Leistungen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Dies lag vor allem an fehlenden Kommunikationsstrukturen zum behandelnden Personal. Aufgrund fehlender Bedarfsanalysen in Brandenburg gab es auch keine Möglichkeiten einer finanziellen Förderung. So entstand die Überlegung, mit ehrenamtlichen Dolmetschern zu arbeiten. Dadurch ging man finanziellen Engpässen aus dem Weg und konnte dem Bedarf von Sprachmittlern nach Möglichkeit flächendeckend nachgehen. Das Projekt hatte somit die Eigenheiten des strukturschwachen Flächenlandes berücksichtigt und mit der Vermittlung von ehrenamtlichen Dolmetschenden eine innovative Lösung für Brandenburg gefunden.

Über Anzeigen wurden ehrenamtliche Dolmetschende für den Einsatz in Brandenburg akquiriert. Dabei meldeten sich überwiegend Interessierte aus dem Raum Potsdam und Berlin. Bei der Akquise war es dem Projektträger sehr wichtig, dass die ehrenamtlichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher gut in Deutschland integriert und zugleich kulturell mit der Ursprungsheimat verbunden sind. Die ehrenamtlichen Sprachmittelnden wurden für den Einsatz qualifiziert (medizinische Fachsprache, Techniken der Sprachmittlung, ethische Aspekte, Psychohygiene, etc.). In den ersten beiden Jahren fanden monatliche Qualifizierungstreffen statt. Seit dem dritten Projektjahr gibt es zweimonatliche Treffen, die dem persönlichen Austausch und der weiteren Qualifizierung dienen.

Die kontinuierliche Weiterbildung, etwa zum Dolmetschen in bestimmten Fachbereichen durch die Vermittlung der entsprechenden Fachtermini, half von Beginn an, dem Qualitätsanspruch des Projektes gerecht zu werden. So wurde z.B. im Oktober 2007 eine Weiterbildung durchgeführt, die auf die Begleitung von Migrantinnen und Migranten in der physiotherapeutischen Behandlung abzielt. Diese Weiterbildung wurde in Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachpersonen aus Physiotherapiepraxen durchgeführt. Weiterhin erhalten die Sprachmittelnden die Möglichkeit, an regelmäßigen Supervisionen teilzunehmen. Dies fördert sowohl die Verarbeitung von Erlebtem, als auch die qualitative Weiterentwicklung der eigenen Sprachmittlertätigkeit.

Im Jahr 2007 wurden ca. 130 sprachmittlerische Einsätze vermittelt und ca. 30 muttersprachliche Veranstaltungen zur Gesundheitsaufklärung durchgeführt. Das Prinzip von „El Puente“ hat sich so gut bewährt, dass derzeit darüber diskutiert wird, die Idee der ehrenamtlichen Sprachmittlerinnen und Sprachmittler auf andere Bereiche zu übertragen. Derzeit ist eine Ausweitung des Projektes „El Puente“ auf die Handlungsfelder „Arbeitsvermittlung“ und „Kommunikation mit sozialen Einrichtungen, Kitas und Schulen“ vorgesehen.


Gesammelte Erfahrungen (Lessons Learned)

Die dreijährige Arbeit der Clearingstelle „El Puente“ zeigte Verbesserungen des Zugangs zu einer angemessenen Versorgung sowohl für einzelne psychisch erkrankte Migrantinnen bzw. Migranten, als auch für die Zielgruppe insgesamt. Entscheidend hierfür erwies sich die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Projektpartnern im Land Brandenburg. Doch nicht in allen betreuten Fällen konnte durch Zusammenarbeit und Vernetzung mit den kommunalen Verwaltungen (Sozialpsychiatrische Dienste, Sozialämter, Ausländerbehörden) und den Einrichtungen der medizinischen Versorgung vor Ort eine befriedigende Lösung gefunden werden. Zum Teil trafen die Projektverantwortlichen auf mangelnden Willen zur Zusammenarbeit bis hin zu offener Blockade sowie Skepsis und Misstrauen gegenüber der Problematik von Flüchtlingen. Zum Teil wurde somit eine mangelnde interkulturelle Öffnung der Dienste und mangelndes Verständnis für die Situation der Zielgruppe bei den Projektpartnern deutlich.

Neben der Betreuung und Beratung von psychisch erkrankten Migrantinnen und Migranten konnte die Clearingstelle im Projektverlauf zahlreiche sprachmittlerische Einsätze (z.B. im Krankenhaus, in Arztpraxen, bei Therapeutinnen und Therapeuten) organisieren. Die Erfolge der Sprachmittlung sind vor allem auf die kontinuierliche Fortbildung der Gruppe von 40 ehrenamtlichen Sprachmittlerinnen und -mittler sowie die Supervision für die Entwicklung und Umsetzung gruppeneigener Qualitätsstandards zurückzuführen.

Die Arbeit der Clearingstelle zeichnete sich durch einen aufsuchenden Charakter aus. Dies ist rückblickend als ausgesprochen positiv zu bewerten, um den Zugang zur Zielgruppe der psychisch erkrankten Flüchtlinge und Asylsuchende herzustellen. In den meisten Fällen kam der Kontakt über Gemeinschaftunterkünfte zustande. Es wird dringend empfohlen, dass eine zukünftige Clearingstelle ebenso aufsuchend arbeitet, um die Erstkontakte zu erleichtern, eventuell bestehende Barrieren (z.B. mangelnde Sprachkenntnisse) zu reduzieren und den Zugang zu nötigen Untersuchungen bzw. Therapien zu schaffen.

Neben der Arbeit mit der Zielgruppe investierte die Clearingstelle „El Puente“ viel Engagement in die Kooperation mit Projektpartnern zur Verbesserung der Situation von psychisch erkrankten Migrantinnen und Migranten. Besonders durch die Organisation von Fallkonferenzen leistete „El Puente“ einen Beitrag zur Zusammenarbeit der Fachkräfte auf kommunaler Ebene. Um deren dauerhafte Kooperation zu erreichen, was für eine nachhaltige Sicherung von medizinischen, sozialen und rechtlichen Maßnahmen der Zielgruppe notwendig wäre, bedarf es jedoch der dauerhaften institutionellen Unterstützung.

Im Projektzeitraum wurde von Fachkräften aus dem Gesundheitswesen die Notwendigkeit der fachlichen Unterstützung bei Behandlung von psychisch erkrankten Migrantinnen und Migranten hervorgehoben. Die Teilnahme an daraufhin organisierten Fachveranstaltungen, dem Angebot an fachlicher Supervision und der eingerichteten „Hotline“ blieb jedoch wesentlich hinter den zuvor bekundeten Fortbildungsbedarfen zurück. Die Gründe hierfür sind unklar.

Aus den gesammelten Erfahrungen des Modellprojekts „El Puente“ lassen sich folgende Empfehlungen für das Funktionieren einer zukünftigen Clearingstelle aussprechen. Voraussetzung dafür ist vor allem der Aufbau einer hohen Bereitschaft zur Kooperation der relevanten Partner sowie eine Bereitschaft zum Dialog. Die Aufgaben der Clearingstelle, nämlich eine vernetzte Arbeitsweise im Sinne eines Case-Managements aufzubauen, muss gegenüber den Partnern klar formuliert werden, um falschen Erwartungen (z.B. „abgeben“ des Falls) entgegenzuwirken. Auch durch Transparenz der Motive der Partner ließen sich Hürden für eine effektive Zusammenarbeit, wie z.B. profilieren innerhalb der Fallbetreuung, vermeiden. Institutionell sollte die Clearingstelle in Einrichtungen angebunden sein, die keine Angst bei der Zielgruppe auslösen und z.B. mit Abschiebung assoziiert werden könnten. Die Darbietung muttersprachlicher, leicht verständlicher Informationen vereinfacht den Zugang zu Flüchtlingen und Asylanten.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Dezember 2005

Abschluss: Dezember


Welche Personengruppe(n) in schwieriger sozialer Lage wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

  • Geflüchtete
  • Migrant/-innen in schwieriger sozialer Lage

Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • Altersgruppenübergreifend

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Stand

24.05.2018

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