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Angebotsdarstellung

Good Practice

Veröffentlichung: 2007

"Das schmeckt gut!"

Kurzbeschreibung mit Zielen und Maßnahmen

Die Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher ist in den letzten Jahren auffällig gestiegen, wobei insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Stadtteilen und mit Migrationshintergrund hiervon betroffen sind. Um die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken frühzeitig zu minimieren, wurde in einer Kindertagesstätte in einem sozialen Brennpunkt in Kiel ein interkulturelles Ernährungsprojekt durchgeführt, das sowohl ein Angebot für die Eltern als auch für die Kinder beinhaltet. Mit Hilfe von zweisprachigen Fachkräften, wie einer Ökotrophologin, einem Kinderarzt und einer Mitarbeiterin der Erziehungsberatungsstelle aus dem Stadtteil, erhielten die Eltern Informationen über gesunde Ernährung, Prävention von Übergewicht und zu pädagogischen Fragestellungen in diesem Zusammenhang. Auf spielerische Weise wurde den Kindern Wissen zu Nahrungsmitteln und Bedarfen vermittelt sowie eine kindgerechte Reflektion der eigenen Ernährungsgewohnheiten ermöglicht. Nach Abschluss des Projekts ließen sich auf unterschiedlichen Ebenen nachhaltige Veränderungen im Kindergartenalltag, etwa in Bezug auf mitgebrachte Lebensmittel der Eltern, die Ausweitung des wöchentlichen Müslitages und ein frischkosthaltigeres Mittagessen verzeichnen.


Kontakt

Frau Günay Turan
Preetzer Straße 35
24143 Kiel (Schleswig-Holstein)

Telefon: 0431 / 7757057

E-Mail: guenay.turan(at)awo-sh.de

Website: http://www.awo-kiel.de


Weitere Ansprechperson

Frau Reinhild Gotsch
Steinmarder Weg 6
24143 Kiel (Schleswig-Holstein)

Telefon: 0431 / 7757027

E-Mail: kh.steinmarderweg(at)awo-kiel.de


Projektträger

AWO IntegrationsCenter Ost Kiel
Preetzer Straße 35
24143 Kiel


Hintergrund

Die Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher ist in den letzten Jahren auffällig gestiegen. Laut aktuellen Schuleingangsuntersuchungen in Schleswig- Holstein sind rund 11 % der Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung übergewichtig, 4,4 % der Jungen und Mädchen gelten als adipös (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig- Holstein 2004). In besonderem Maße sind hiervon sozial benachteiligte Kinder betroffen. Die wenigen aus Deutschland vorliegenden Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass bei ausländischen Kindern ein deutlich erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas im Vergleich zu deutschen Kindern besteht (Winkler 2003). Daraus resultierende Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schädigungen des Bewegungsapparates stellen erhebliche Gesundheitsrisiken im Erwachsenenalter dar, sodass Ansätze einer soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung so früh wie möglich beginnen sollten. Den Eltern kommt im Zusammenhang mit dem Ernährungsverhalten von Kindern insbesondere in dieser Altersstufe eine besondere Rolle zu, da sie durch ihre Vorbildfunktion einen nachhaltig prägenden Einfluss ausüben. Primärpräventive Interventionen im Setting Kindertagesstätte in sozial benachteiligten Stadtteilen können von daher in Kombination mit einem gleichzeitigen Angebot für die Eltern einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der gesundheitlichen Folgen von sozialer Ungleichheit im Kindesalter leisten.

Das Projekt „Das schmeckt gut!“ wurde über einen Zeitraum von drei Monaten in einer Kindertagesstätte (AWO-Kinderhaus) des Arbeiterwohlfahrt- Kreisverbandes Kiel – initiiert vom AWO-IntegrationsCenter Ost – in Kiel- Gaarden durchgeführt. Dieser Stadtteil ist geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und verzeichnet den größten Anteil an Bewohnerinnen und Bewohnern mit Migrationshintergrund im Raum Kiel.


Vorgehen

Der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Kiel hat mithilfe der Förderung des Arbeitskreises „Migration und Gesundheit“ des flüchtlings- und migrationspolitischen „runden Tisches“ der Landesregierung ein interkulturelles Projekt zum Thema Ernährung im AWO-Kinderhaus in einem Stadtteil in Kiel mit hohem Migrationsanteil über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt. Das Projekt, das sich sowohl an die Eltern als auch an die Kinder im Kinderhaus richtete, wurde den Eltern im Rahmen einer Auftaktveranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Gib Süßes oder es gibt Saures!“ von einer türkischen Ökotrophologin und einer türkischen Mitarbeiterin der Erziehungsberatungsstelle im Stadtteil vorgestellt. Hierbei wurden auch die Wünsche und Anregungen der Eltern abgefragt und schriftlich festgehalten. Es folgte ein Eltern-Kind-Nachmittag „Gesundes Essen schmeckt gut!“, bei dem Eltern und Kinder gemeinsam unter Anleitung Mahlzeiten aus unterschiedlichen Ländern zubereiteten. Ein weiterer Baustein war ein Informationsabend für Eltern zum Thema „Durch dick und dünn – Übergewicht bei Kindern“, durchgeführt von einem Kinderarzt und einer Ökotrophologin. Den Abschluss des Projekts bildete ein gemeinsamer Eltern-Kind-Nachmittag, zu dem alle Projektbeteiligten, aber auch viele Gäste eingeladen waren. Bei einem Büfett mit gesunden interkulturellen Gerichten konnten sich die Teilnehmenden über das Projekt austauschen und eine abschließende Bewertung des Angebots vornehmen. Gemeinsam mit den Eltern wurde außerdem eine Frühstücksliste erarbeitet, die Empfehlungen für die Mitgabe von geeigneten Lebensmitteln für das Frühstück im Kinderhaus beinhaltet.

Parallel wurde in einer Gruppe mit 22 Kindern unter der fachlichen Leitung der Bezugserzieherin das Thema „Ernährung“ auf vielfältige Weise bearbeitet und in den Kindergartenalltag integriert. Im Gesprächskreis wurde thematisiert, was zu Hause gegessen und getrunken wird und wozu der Körper welche Nährstoffe benötigt. Hierbei diente die Ernährungspyramide als wichtige und bildhafte Informationsquelle. Im Rahmen von Kreativangeboten bastelten die Kinder eine Ernährungsampel in Form einer Collage (rot = eher nicht essen, gelb = ab und zu essen, grün = jeden Tag essen) und malten Bilder von den jeweiligen Speisen aus den unterschiedlichen Kulturkreisen. Der Zuckergehalt in verschiedenen Lebensmitteln wurde den Kindern durch die entsprechende Anhäufung von Würfelzucker veranschaulicht. Die Kinder nahmen aktiv an der Zubereitung eines gesunden Frühstücks zum Beispiel mit Obstsalat auch neben dem einmal wöchentlich stattfindenden Müslitag teil. Außerdem wurden Spiele und Bücher zu den Themen Ernährung, Bewegung und Zahnpflege für das Kinderhaus angeschafft und in das tägliche Spiel integriert.

Insgesamt nahmen 20 Mütter und Väter an dem Projekt teil. Der Anteil der Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund betrug ca. 62 %. Da das Projekt in einem Kinderhaus durchgeführt wurde, das in einem sozial schwachen Stadtteil Kiels liegt, konnten diejenigen Personengruppen, die einem deutlich erhöhten Übergewichtsrisiko unterliegen, besonders gut erreicht werden.


Good Practice in

Niedrigschwellige Arbeitsweise

Das Projekt „Das schmeckt gut!“ verfolgt einen niedrigschwelligen Ansatz. Die Eltern wurden bezüglich einer Teilnahme an dem Projekt auf verschiedenen Wegen angesprochen, sowohl im persönlichen Gespräch durch die Erzieherinnen des Kinderhauses als auch in Form von Aushängen und schriftlichen Einladungen in der jeweiligen Muttersprache. Kurz vor Projektbeginn rief eine Migrationsfachkraft des AWO-Kreisverbandes Kiel noch einmal alle Eltern an. Auf diese Weise wurde versucht, die Schwelle so niedrig wie möglich zu gestalten und auch jene Eltern zu erreichen, die tendenziell nicht an Elternabenden teilnehmen. Die Einladung richtete sich zudem auch an Eltern und Erzieherinnen anderer Kindertagesstätten in Kiel-Gaarden. Die teilnehmenden Kinder wurden durch den Settingansatz des Projekts in ihrem täglichen Umfeld ohne Hürde erreicht.

Die am Projekt beteiligten Partnerinnen und Partner (Ökotrophologin, Mitarbeiterin Erziehungsberatungsstelle, Kinderarzt) kommen aus demselben Stadtteil und sind zweisprachig. Bei den Veranstaltungen für die Eltern wurde je nach Bedarf übersetzt. Für Eltern mit Migrationshintergrund wurden somit die Zugangsschwellen deutlich gesenkt: sowohl sprachlich als auch kulturell konnte auf die Bedürfnisse dieser Eltern eingegangen und eine adäquate Verständigung ermöglicht werden. Für die teilnehmenden Kinder und Eltern sind weder Kosten, Wartezeiten noch Anmeldeformalitäten entstanden.

Empowerment

Zielsetzung des Projekts war es, sowohl den Eltern als auch den Kindern Informationen und Kenntnisse hinsichtlich einer gesunden Ernährung zu vermitteln und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Folgen die Auswahl und Zusammenstellung der täglichen Nahrung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder, insbesondere auch im Hinblick auf Übergewicht und daraus resultierende Risiken, haben kann. Dass gesundes Essen auch gut schmecken kann, war das zentrale Motto des Projekts und wurde bei den verschiedenen interkulturellen Mahlzeiten für Eltern und Kinder erlebbar. Die Kinder wurden auf spielerische Art und Weise an das Thema herangeführt. Beim Basteln der Ernährungsampel konnten sie sich auf anschauliche Weise mit den unterschiedlichen Nährwerten und Nährstoffgehalten der verschiedenen Lebensmittel auseinandersetzen und lernten, welche Nahrungsmittel unbedenklich sind und welche möglichst selten verzehrt werden sollten. Dadurch vergrößerte sich einerseits das Wissen über die Ernährung, zudem erfolgte eine Reflektion der eigenen Essgewohnheiten. Die Aussage eines Kindes während des Projekts „Ich habe heute meinen gelben Tag!“ verdeutlicht diese Bewusstmachung der eigenen Ernährungsweise recht gut.

Im Rahmen der Elternarbeit lagen die Schwerpunkte in der Aufklärung und Information zum Thema Ernährung und Prävention von Übergewicht. Darüber hinaus wurden auch pädagogische Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Ernährungsverhalten der Kinder thematisiert und die Eltern diesbezüglich qualifiziert. Grenzen hinsichtlich des kindlichen Verzehrs von Süßigkeiten zu setzen, stellt beispielsweise immer wieder eine große Herausforderung im Erziehungsalltag dar. Im Beitrag „Gib Süßes oder es gibt Saures!“ wurden diese Problematik aufgegriffen und die Eltern konnten gegenseitig ihre Erfahrungen austauschen. Die am Ende des Projekts gemeinsam mit den Eltern erarbeitete Frühstücksliste diente auch nach Projektende als eine von den Kindern anerkannte Richtlinie, auf die sich die Eltern vielfach beziehen konnten und die ihnen – so die Rückmeldungen einiger Eltern – mitunter half, sich abzugrenzen und eine klare Linie in Bezug auf die Auswahl der Lebensmittel zu verfolgen.

Nachhaltigkeit

Aus Sicht der Projektverantwortlichen lag der innovative Aspekt dieses Projekts maßgeblich in der gleichzeitigen Ansprache von Eltern und Kindern, da Eltern in der Gesundheitsförderung von Kindern dieser Altersstufe eine zentrale Rolle einnehmen und häufig, insbesondere was sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen bzw. Eltern mit Migrationshintergrund betrifft, besonders schwer zu erreichen sind. Insgesamt gibt es bisher wenig erfolgreiche Ansätze von soziallagenbezogenen Ernährungsprojekten, die sowohl an Eltern als auch an Kinder adressiert sind.

Diesem Angebot vorangegangen war ein sehr erfolgreiches Projekt der AWO für Erwachsene mit Migrationshintergrund „Richtig ernähren – aber wie?“. Auf dieser Grundlage wurde die Idee entwickelt, Kinder und Eltern gleichermaßen über den Zugangsweg Kindertagesstätte zu erreichen. Durch das Projekt ist darüber hinaus eine Öffnung für die Thematik im Gemeinwesen erfolgt: einerseits durch die Einbeziehung kooperierender Fachkräfte und Institutionen desselben Stadtteils und andererseits durch die Einladung von weiteren Kindertagesstätten in Kiel-Gaarden.

Obwohl das Angebot „Das schmeckt gut!“ zunächst einmalig durchgeführt wurde und nicht langfristig angelegt ist, sind über die Dauer des Projekts auf mehreren Ebenen Veränderungen im Kindergartenalltag entstanden. Ein Resultat des Projekts ist beispielsweise, dass sich das Kita-Team inzwischen darauf verständigt hat, mitgebrachte Getränke der Eltern, die zuckerhaltig sind, zurückzugeben. Stattdessen wird das Kinderhaus in Zukunft Mineralwasser, Milch, Tee und gelegentlich Apfelschorle (ohne Zuckerzusatz) für alle Kinder anbieten. Innerhalb des Teams hat sich ein bewussterer Umgang mit dem Thema Ernährung und Übergewicht herauskristallisiert. Die Erzieherin, die für die Projektdurchführung zuständig war, hat sich in diesem Bereich fortgebildet und gibt auch über das Projektende hinaus Impulse zur Integration des Themas Ernährung in den Kindergartenalltag. Die im Zuge des Projekts angeschafften Materialien finden weiterhin Anwendung in der pädagogischen Arbeit. Der einmal wöchentlich stattfindende Müslitag hat nun ein reichhaltigeres Angebot, und die von den Eltern mitgebrachten Lebensmittel orientieren sich auch an den anderen Tagen vermehrt an der erarbeiteten Frühstücksliste. Auch das Mittagessen ist inzwischen ausgewogener und weist einen deutlich höheren Anteil an Frischkost als an Kochgemüse auf, was ebenfalls als ein nachhaltiger Effekt angesehen werden kann.


Literatur

Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein (2004): Einschulungsuntersuchungen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes in Schleswig-Holstein 2004.

Winkler, G. (2003): Ernährungssituation von Migranten in Deutschland – was ist bekannt? Teil 2: Ernährungsverhalten. In: Ernährungs-Umschau 50, Heft 6.


Laufzeit des Angebotes

Beginn: Dezember 2005

Abschluss: kein Ende geplant


Das Angebot richtet sich insbesondere an folgende Altersgruppen

  • 1 bis 3 Jahre
  • 18 bis 29 Jahre
  • 30 bis 49 Jahre
  • 4 bis 5 Jahre

Das Angebot umfasst geschlechtsspezifische Angebote für

  • Keine geschlechtsspezifischen Angebote

Schwerpunkte des Angebotes

  • Ernährung
  • Kommunale Strategie / Netzwerkarbeit

Das Angebot wird hauptsächlich in folgenden Lebenswelten umgesetzt

  • Kindertageseinrichtung / Kindertagespflege
  • Stadt / Stadtteil / Quartier / Kommune

Stand

07.05.2015

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